Haidhausen:Abseits der Hektik

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Das Edith-Stein-Gymnasium ist eine katholische Mädchenschule, an der auch nach dem Weggang der Nonnen noch immer eine eigene Atmosphäre herrscht. Der 50. Geburtstag soll im renovierten Altbau gefeiert werden

Von Melanie Staudinger, Haidhausen

Am Anfang brachten die Ordensschwestern ihre Schülerinnen selbst mit. Denn als die Dominikanerinnen des Klosters St. Maria in Niederviehbach an der Münchner Preysingstraße ihre Schule eröffneten, gab es in Haidhausen noch gar nicht genügend Schülerinnen für ein sozialwissenschaftliches und sprachliches Gymnasium. Also zog die komplette Oberstufe aus der Nähe von Landshut, wo es die Schule schon seit 1847 gab, nach München ins Internat und legte nur drei Jahre später das Abitur am privaten Gymnasium ab. Im heutigen München, in dem Gymnasien grundsätzlich zu voll und neue Schulen sofort wieder überbelegt sind, klingt diese Geschichte absurd. Doch so lange liegt sie nicht zurück: Sie spielt vor gerade einmal 50 Jahren.

Heute ist das historische Gebäude des Edith-Stein-Gymnasiums, das zwar mitten in der Stadt, dennoch aber idyllisch in einer parkähnlichen Anlage liegt, hinter einem Baugerüst verschwunden. Nach all den Jahren, in denen Tausende Schülerinnen in dem Haus lernten, die Schwierigkeiten der Pubertät meisterten und erwachsen wurden, war es Zeit für eine Generalüberholung. Schülerinnen, Lehrkräfte, Schulleiterin Hildegund Nicklas und Sekretärinnen zogen in Container. Dieses Abenteuer sollte länger dauern, als ihnen lieb war. Eigentlich sollten sie schon wieder zurück sein im denkmalgeschützten modernisierten Gebäude. Doch die Bauarbeiten dauern länger als gedacht. Zum Sommer, so hofft die Schulfamilie, wird alles fertig sein. Denn die Feierlichkeiten zum 50. Schulgeburtstag sollen unbedingt im neuen Gemäuer stattfinden. Deshalb wurde das Fest sogar kurzerhand um ein Jahr verschoben, von 2017 auf 2018.

Zu Internatszeiten bereiteten Nonnen und Mädchen das Essen vor. (Foto: Florian Peljak)

Eine, die die Geschichte der katholischen Mädchenschule fast von Anfang an aus eigener Anschauung erzählen kann, ist Henriette Doppler-Sigurjonsson. Die Lehrerin für Französisch und Latein ist heute stellvertretende Schulleiterin - einst besuchte sie das Gymnasium als Schülerin. "Ich bin im zweiten Jahr dazugekommen", erzählt sie. 1968: Kurt Kiesinger war Bundeskanzler, die Studenten revoltierten, Frauen emanzipierten sich, Passau erlaubte das Tragen von Bikinis im Freibad, und in München begann der Ansturm auf die Gymnasien. Steigende Geburtenzahlen und der Wunsch nach höherer Bildung machten den Bau neuer Schulen unumgänglich. Zahlreiche neue Gymnasien öffneten, darunter auch das Edith-Stein-Gymnasium.

Damals sei im dritten und vierten Stock noch ein Internat gewesen, erinnert sich Doppler-Sigurjonsson. "Und wir hatten riesige Klassen mit bis zu 40 Schülerinnen", sagt sie. Nur die älteren Jahrgänge habe es in München nicht gegeben - diese Mädchen kamen mit den Dominikanerinnen aus Niederviehbach. Viel hat sich seit den Anfängen verändert. Eine Turnhalle kam dazu, das Gebäude wurde in den Achtzigerjahren vergrößert, um mehr Schülerinnen aufzunehmen. Nur das Internat fand immer weniger Zuspruch: München hatte eine S-Bahn bekommen, die Schülerinnen konnten nun auch aus den Umlandgemeinden einpendeln. 1992 erhielt die Schule ihren ersten Computer, seit drei Jahren gibt es Theaterklassen, als nächstes wird ein naturwissenschaftlicher Zweig eingeführt.

Heute wird die Pause auch mal auf die Frühlingswiese verlegt. (Foto: Florian Peljak)

In den Neunzigern plagten das Edith-Stein-Gymnasium Nachwuchssorgen. Nicht die Schülerinnen waren es, die wegblieben. Die Dominikanerinnen taten sich immer schwerer, Lehrerinnen aus ihren Reihen zu finden, weil es immer weniger Ordensschwestern gab. Lange war das Schicksal der Schule ungewiss, zur Jahrtausendwende sprang die Erzdiözese München-Freising ein und übernahm die Schule. Drei Jahre später verließen die letzten Nonnen ihr Domizil an der Preysingstraße.

Erst Schülerin, dann Lehrerin: Henriette Doppler-Sigurjonsson (Foto: Florian Peljak)

Eines aber ist über all die Jahre gleich geblieben, da sind Doppler-Sigurjonsson und ihre Kollegen sich einig: Am Edith-Stein-Gymnasium herrsche eine ganz besondere Atmosphäre. "Bei uns ist es entspannter und angenehmer", sagt etwa Lehrerin Nikola Trudzinski. Weniger Reibereien, weniger Show: "Uns bleibt einfach mehr Unterrichtszeit übrig als an vielen gemischten Schulen." Als sie von ihrer vorherigen Schule nach Haidhausen wechselte, sei ihr anfangs regelmäßig in den Stunden der Stoff ausgegangen, weil sie mit den Schülerinnen viel schneller vorangekommen sei.

Das Prinzip einer konfessionellen Mädchenschule sei heute noch so aktuell wie vor 50 Jahren, sagt Trudzinski. Eltern entschieden sich bewusst dafür, weil ihnen eine christliche Erziehung wichtig sei - abseits der Hektik und Schnelllebigkeit der Gesellschaft in einer Schule, die hinter den dicken Mauern in der Anlage des ehemaligen Preysingschlosses in fast schon klösterlicher Idylle liegt. Die Schule sieht sich gewappnet für die Zukunft - jetzt muss nur noch die Generalsanierung rechtzeitig beendet sein, damit die Jubiläumsfeier Ende Juli auch wie geplant steigen kann.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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