Gräfelfing:Protest gegen "Bauwahn"

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Viel Platz: Auf dem Acker neben der Heitmeiersiedlung könnte bezahlbarer Wohnraum entstehen. (Foto: Catherina Hess)

Gräfelfing plant, die Heitmeiersiedlung zu erweitern, statt 400 könnten dort bis zu 1300 Menschen wohnen. Doch die erste von drei geplanten Infoveranstaltungen verläuft anders, als die Bürgermeisterin es sich vorgestellt hat

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Wohnen und Verkehr - zwei emotional aufgeladene Themen. Das bekam die Gräfelfinger Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) am Mittwochabend zu spüren. Die Gemeinde hatte zu einer Infoveranstaltung geladen, um unter anderem über eine Erweiterung der Heitmeiersiedlung im Ortsteil Lochham zu diskutieren. Konfrontiert wurde Wüst mit gut 200 Besuchern, die mit Demoschildern ausgestattet waren, lautstark gegen das Bauprojekt protestierten und das geplante Veranstaltungsformat sprengten.

"Bauwahn Heitmeiersiedlung", "Verkehrsprobleme lösen statt neue schaffen" und "Nein zu 200 Prozent mehr Bewohnern", stand auf Plakaten, die die Anwohner der Siedlung mit in die Mehrzweckhalle des Kurt-Huber-Gymnasiums gebracht hatten. Sie fassten all die Sorgen zusammen, die die Bewohner der Siedlung derzeit umtreiben. Die Gemeinde hegt Ideen, die Siedlung zu erweitern, um Wohnraum für Normalverdiener zu schaffen. Auf einer Fläche von 3,7 Hektar könnte am östlichen Ortsrand der Siedlung eine dichte, aber gemischte Bebauung entstehen, bestehend aus dreistöckigen sogenannten Townhouses und Mehrfamilienhäusern, die Platz für 900 neue Einwohner schafft. Bislang zählt die Siedlung etwa 400 Einwohner in 150 Häusern.

Bürgermeisterin Wüst und ihr Verwaltungsteam hatten sich ein neues Veranstaltungsformat ausgedacht. Nach einer kurzen Einführung ins Thema - als Experten standen Christian Schwander, Architekt beim Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum, und Verkehrsexperte Helmuth Ammerl zur Verfügung - sollten die Besucher in kleinen Gruppen zu unterschiedlichen Themen in den Dialog treten. Der Fokus sollte nicht allein auf der Heitmeiersiedlung liegen, an den vier Stationen sollten auch andere Areale in der Gemeinde vorgestellt werden, an denen Nachverdichtung möglich ist, unter anderem am Lochhamer Bahnhof und entlang der zurückgebauten Würmtalstraße. Doch darauf ließen sich die Besucher nicht ein.

Nachdem die Zuhörer Schwanders kurze Projektvorstellung immer wieder mit höhnischem Auflachen und Zwischenrufen unterbrochen hatten, reagierten die Besucher auf die Vorgabe der Bürgermeisterin, Fragen in kleinen Gruppen an den Stationen zu äußern, mit lautstarkem Protest: "Nein, nein, nein!" und: "Wir wollen auch sprechen", "Stellen Sie sich der Diskussion!". Die Bürger hatten Fragen vorbereitet, die Anette Lippert, Anwohnerin der Heitmeiersiedlung, vortragen sollte. Alle drängten an die eine Station, die sich mit der Vorstudie Heitmeiersiedlung befassen sollte, die anderen Stationen blieben leer. Schnell wurde der Abend doch zu einer Frontalveranstaltung, bei der die Bürgermeisterin vor großem Publikum zu Fragen Stellung nahm. Erst nach gut eineinhalb Stunden kehrte etwas Ruhe ein, das Gespräch wurde ruhiger und sachlicher.

Deutlich wurde an dem Abend vor allem die Furcht vor zunehmendem Verkehr. Turmair- und Leharstraße, die von der Pasinger Straße in die Siedlung abzweigen, seien jetzt schon an der Belastungsgrenze. Noch mehr Autos würden auch noch mehr Lärm bedeuten. Die Anwohner seien durch die Autobahn ohnehin schon sehr belastet. Zudem fürchten sie, dass 900 neue Einwohner den Charakter der Siedlung völlig verändern. Die Heitmeiersiedlung sei bislang "ein Dorf im Dorf". Lippert legte eine Unterschriftenliste vor, auf der rund 80 Prozent der Bewohner der Heitmeiersiedlung die Planung ablehnen.

Auch die "massive" Bebauung stieß auf Kritik. Doch ohne die gehe es nicht, stellte Christian Schwander klar: Wer bezahlbaren Wohnraum schaffen will, muss dicht und in die Höhe bauen. Mit Einfamilienhäusern ist günstiges Wohnen bei den Grundstückspreisen nicht zu realisieren. Uta Wüst betonte, dass sie als Rathaus-Chefin für alle Gräfelfinger verantwortlich sei. Auch für jene, die wegziehen müssten, weil sie sich keine Wohnung mehr leisten könnten. Von der Idee, die Heitmeiersiedlung zu erweitern, wolle sie nicht lassen. Noch ist jedoch nichts beschlossen, auch das letzte Wort mit den Bürgern ist noch nicht gesprochen. Die Gemeinde plant zwei weitere Infoabende: am 17. Juli und am 10. Oktober, jeweils um 19 Uhr im Bürgerhaus.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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