Gräfelfing:Es geht um jeden Meter

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An der Bauvoranfrage eines Unternehmens entzündet sich im Gemeinderat eine grundsätzliche Debatte

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Die Dr. Schenk GmbH in Martinsried, ein wachsendes High-Tech-Unternehmen mit 300 Mitarbeitern, das Industriemesstechnik herstellt, will seine Firmenzentrale nach Gräfelfing an die Bussardstraße verlegen und dort einen repräsentativen Neubau errichten. Da aber das geltende Baurecht im Plan des Architekten an einer Stelle um 1,27 Meter und an anderer um 1,60 Meter überschritten wird, lehnte der Bauausschuss die Bauvoranfrage jetzt erst mal ab. Nun hat der Gemeinderat per Dringlichkeitsantrag der Abweichung doch zugestimmt. Und damit den Anstoß für eine Debatte geliefert, wie strikt die Gemeinde ihre Bebauungspläne bei Gewerbebauten auslegen soll.

Der Beschluss des Bauausschusses war "ernstzunehmend, aber er ist unglücklich verlaufen", sagte Walter Frank (CSU) in der Gemeinderatssitzung. In der vergangenen Woche hatte die Verwaltung empfohlen, die Überschreitungen zu tolerieren. Die Fraktion der Bürgermeisterin Uta Wüst ( Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing/IGG) wie auch die Vertreter der Grünen/Unabhängige Liste lehnten dies jedoch ab. Da zum Abstimmungszeitpunkt Ralf Brandtner von der SPD-Fraktion, die den Abweichungen eigentlich zustimmt, nicht im Raum war und Marion Appelmann (CSU) nicht mitstimmen durfte, weil sie als Nachbarin des künftigen Neubaus als befangen gilt, ging die Abstimmung mit einem Patt aus. In der Folge galt der Verwaltungsvorschlag als abgelehnt.

Per Dringlichkeitsantrag hatten SPD, CSU und der Bürgerverein Gräfelfing-Lochham (BVGL) den Punkt am Dienstag doch erneut auf die Tagesordnung des Gemeinderats gehoben. Jetzt wurde den Abweichungen per Mehrheitsbeschluss zugestimmt - auch die Bürgermeisterin hob diesmal die Hand. Es gab in der Zwischenzeit ein Gespräch mit dem Architekten, aus dem deutlich wurde, dass an den Abweichungen kaum zu rütteln ist, sagte Wüst. An der einen Stelle ist die Abweichung dem Brandschutz geschuldet und die Überschreitung in der Höhe geht auf notwendige Technik und erforderliche Deckendämmungen zurück.

Wüst verteidigte die Ablehnung der Voranfrage vergangene Woche: "Es soll nicht der Eindruck entstehen, wir vergeben Baurecht mit Blick auf die Gewerbesteuer." Diese Ansicht teilten nicht alle Gemeinderäte. Günter Roll (BVGL) plädierte sogar dafür, an der Bussardstraße generell großzügigere Bauten zuzulassen. Peter Köstler (CSU) betonte, dass überprüft werden müsste, ob die Bebauungspläne noch auf dem aktuellen Stand seien. Aufgrund der Anforderungen an Dämmungen und eine energetische Bauweise seien bestimmte Bauvorgaben möglicherweise nicht mehr einzuhalten - das hatte auch die Bürgermeisterin in der Diskussion anklingen lassen.

"Wer Standortpolitik ernst nimmt, muss sich solchen Fragen offen stellen", sagte Köstler. Wolfgang Balk (IGG) konnte den Argumenten nicht folgen. Die Gemeinde sollte einem Bauherren "nicht die Tür einrennen". Er hätte es lieber gesehen, dass mit dem Architekten verhandelt wird und in der Folge am Ende weniger Baurecht herausgekommen wäre.

Der geplante Neubau der Dr. Schenk GmbH soll nach den vorliegenden Plänen aus drei Etagen und einem vierten Terrassengeschoss bestehen, in das der Firmen-Inhaber dann selbst einziehen möchte. Geplant ist eine Tiefgarage mit 41 Stellplätzen; weitere 40 Parkplätze kommen auf dem Gelände dazu.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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