Glockenbachwerkstatt:Gar nicht so gefährlich

Lesezeit: 3 min

Bei der Open Mic Session in der Glockenbachwerkstatt stellen Jugendliche ihr Rap-Talent unter Beweis und widerlegen dabei so einige Klischees.

Rebecca Brielbeck

Es ist dunkel. Junge Männer in weiten Baggyhosen und Kapuzenpullis und Mädchen mit engen Jeans und großen Creolen in den Ohren stehen in Grüppchen zusammen. Vier Jungs sind auf der Bühne und streiten sich.

"Wir sind nicht hier um zu zeigen, wie gefährlich wir sind, sondern um gute Musik zu machen", Philipp (rechts) und Simon treten fast jede Woche in der "Glocke" auf. (Foto: Foto: Rebecca Brielbeck)

So wirkt es zumindest auf den ersten Blick. Sieht, beziehungsweise hört man an diesem Abend in der Glockenbachwerkstatt genauer hin, erkennt man, dass sie sich nicht wirklich in den Haaren liegen, sondern sich lediglich "batteln". Dabei versuchen die Rapper, ihre Kontrahenten mit Worten auszustechen und so die Gunst des Publikums oder, wenn vorhanden, einer Jury zu erlangen.

Immer Dienstags haben Rapper oder solche, die es werden wollen, die Möglichkeit, ihr Können auf der Open Mic Session in der "Glocke", wie die Glockenbachwerkstatt liebevoll genannt wird, unter Beweis zu stellen und herrschende Klischees zu widerlegen. Denn Vorurteile wie kriminell, ordinär und ohnehin "dumm wie Bohnenstroh" sind in der Bevölkerung gegenüber den Protagonisten dieses Genres weit verbreitet. Dabei hat Deutsch-Rap viel mehr zu bieten, als dem Publikum auf MTV und VIVA suggeriert wird. Viele Künstler setzen sich mit anspruchsvolleren Themen auseinander als Drogendealen und Geschlechtsverkehr.

Ein DJ, Turntables und Mikrofone

So auch auf der Open Mic Session in der Glockenbachwerkstatt. Open Mic ist eine spezielle Form des Auftritts beim Hip Hop. Jeder, der möchte, kann sich auf die Bühne stellen und etwas zum Besten geben. Dabei ist es üblich, dass die Künstler keine vorab geschriebenen Texte vortragen, sondern freestylen, also aus dem Stegreif rappen. Entweder sie erzählen dabei eine Geschichte oder sie batteln sich, wie die vier Jugendlichen in der "Glocke". Sich bei so einem Event auf die Bühne zu stellen, erfordert allerdings schon ein bisschen Mut, denn nicht jeder ist von Haus aus eloquent genug, um hier eine gute Figur abzugeben.

Aber natürlich kann man so etwas üben und dafür ist die Bühne in der Glockenbachwerkstatt genau das Richtige. "Wir stellen den Leuten alles zur Verfügung", sagt Andreas Alt, Sozialpädagoge und Veranstalter der Open Mic Sessions.

"Es gibt einen DJ, Turntables und Mikrofone. Man braucht sich nur noch auf die Bühne zu stellen und loslegen." Und nicht nur die MCs, also die Rapper, haben hier eine Plattform, auch DJs dürfen auflegen, wenn sie Lust dazu haben. Schließlich besteht Hip Hop nicht nur aus Sprechgesang, sondern auch aus den passenden Beats.

"In Deutschland gibt es sowieso keine Gangster"

Seit mittlerweile drei Jahren findet die Veranstaltung jede Woche in der "Glocke" statt. "Wir wollten etwas machen, was den Jugendlichen gefällt und das ist nun mal Hip Hop", erklärt Alt. Der Erfolg gibt den Verantwortlichen Recht: Viele Große und Kleine aus der Münchner Rapszene kommen jede Woche, um hier aufzutreten. So auch Philipp und Simon, aka MC D-Fekt und MC Sime, beide 21 Jahre alt. "Es ist toll, dass es hier eine Möglichkeit gibt zu rappen", sagt Philipp. "Man kann üben, nette Leute kennen lernen und einfach Spaß haben."

Die beiden betonen, dass es im Rap nicht nur darum geht, Gangstertum zu zelebrieren: "In Deutschland gibt es sowieso keine Gangster", sagt Philipp. Simon, der gerade sein Fachabitur macht und anschließend Tourismusmanagement studieren möchte, fügt hinzu: "Wir sind nicht hier um zu zeigen, wie gefährlich wir sind, sondern um gute Musik zu machen."

Und das tun sie auch. Fast den ganzen Abend stehen sie auf der Bühne und rappen. Die Freude dabei ist ihnen anzusehen. Genau wie den anderen Jugendlichen, die hier auftreten und zum Teil auch auf Englisch und Spanisch freestylen. Alle wirken gelöst und ungezwungen.

"Wir wollten etwas machen, was den Jugendlichen gefällt und das ist nun mal Hip Hop", sagt Andreas Alt, Veranstalter der Hip Hop Open Mic Session. (Foto: Foto: Rebecca Brielbeck)

"Wir sind hier wie eine große Familie"

Simon und Philipp machen auch außerhalb der Glockenbachwerkstatt Musik. Simon hat eine eigene Crew, mit der er im April kommenden Jahres seine Lieder veröffentlichen möchte. Philipp hat sich mit jemandem zusammen getan und plant, in zwei Monaten ein Album herauszubringen. "Gerade mit den Leuten in der Glocke kann man kreativ sein und viele musikalische Projekte starten", sagt der MC. "Wir sind hier wie eine große Familie."

Familiär ist die Atmosphäre in der Glockenbachwerkstatt in der Tat: Alle scheinen sich zu kennen und zu mögen. Das Vorurteil, zwischen Rappern würden ständig Rivalitäten mit wilden Schlägereien entbrennen, kann hier wirklich nicht bestätigt werden. So auch Andreas Alt: "Wir hatten insgesamt vielleicht dreimal Ärger hier, seit wir das machen. Wenn die Stimmung zu aggressiv wird, drehen wir einfach kurz die Regler runter und warten, bis sich die Leute wieder beruhigt haben." Meist sei das aber gar nicht nötig. Sowohl die Zuschauer als auch die Rapper hätten einfach keine Lust auf irgendwelchen Ärger, sondern würden sich lieber auf die Musik konzentrieren.

HipHop Open Mic Session, jeden Dienstag von 19 bis 23 Uhr in der Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7. Eintritt frei.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: