Gerichtsurteil:Haftstrafe für Wiesn-Diebe wegen "Oktoberfest-Rechtssprechung"

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  • Ein in Italien lebender Venezolaner und ein Student aus Kolumbien hatten auf dem Münchner Oktoberfest mehrere Gäste beklaut.
  • Sie wurden zu Haftstrafen von einem Jahr und zwei Monaten, beziehungsweise einem Jahr und fünf Monaten verurteilt.
  • Wegen der "Münchner Linie" kam eine Bewährungsstrafe für sie nicht in Betracht.

Von Susi Wimmer

Wie sich das Duo fand, das blieb in der Sitzung vor dem Amtsgericht München ungeklärt: ein 27-jähriger, in Italien lebender Venezolaner und ein 24 Jahre alter Touristik-Student aus Kolumbien. Richter Sebastian Schmitt sah es jedenfalls am Ende so, dass sich die beiden zusammengetan hatten und extra nach München gereist waren, um auf dem Oktoberfest Gäste auszunehmen. Während einer das Geschehen verdeckte, zog der andere Geld und Handys aus den Trachtentaschen der hauptsächlich weiblichen Feiernden. Dafür werden die Taschendiebe nun ein Jahr und zwei Monate, beziehungsweise ein Jahr und fünf Monate, die Gastfreundschaft einer deutschen Justizvollzugsanstalt genießen. "In diesen klassischen Fällen haben wir eine Münchner Linie", sagte der Richter. Eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht.

"Das ist die Oktoberfest-Rechtssprechung", kommentierte Rechtsanwalt Hannes Liedl das Urteil. Wenn Täter extra nach München reisen, um etwa beim Oktoberfest oder auch beim Christkindlmarkt Gäste zu bestehlen, da kenne die Justiz kein Pardon. Sein Mandant, Luis B. aus Bogotá, hatte zudem an besagtem Abend ein Klappmesser in der Hosentasche, was juristisch als Diebstahl mit Waffen gewertet und härter bestraft wird. Das Duo hatte sich am Italiener-Wochenende in einem Münchner Hotel eingemietet und zog im Wiesn-Event-Outfit mit Maßkrug-Hut und blinkender Riesenbrille gen Theresienwiese. Als sie später am Abend festgenommen wurden, hatte der ältere Hector R. 1,6 Promille Alkohol intus, Luis B. 1,0 Promille.

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Das führte vor Gericht zu mehreren Deutungsmöglichkeiten. Anwalt Liedl sprach seinem Mandanten jegliche Professionalität ab. "Die wollten da auf der Wiesn Spaß haben", sagte er und zitierte den böhmischen Trickbetrüger Victor Lustig, der sich 1925 als Generaldirektor des Postministeriums ausgab und den Eiffelturm verkaufte: "Wenn ihr gute Diebe und Betrüger sein wollt, trinkt niemals Alkohol." Die Taschendieb-Fahnder der Polizei, die am Abend es 24. September im Winzerer Fähndl auf die Männer aufmerksam wurden, sahen das wieder anders. "Ja", erklärte ein Berliner Polizist, das gebe es schon, dass die Diebe unter Alkohol oder Drogen stünden.

Die Augen des Berliner Polizisten waren an Luis B. und Hector R. hängen geblieben. Zwar sahen sie aus wie übliche Touristen, doch sie feierten nicht. Sie suchten nach passenden Opfern und verständigten sich mit einem Kopfnicken. Luis B. hatte eine Fototasche an die Schulter gehängt und über dem Arm trug er seine Jacke. Er stellte sich neben eine Feiernde, drehte ihr den Rücken zu, Hector R. schirmte mit seinem Körper das Geschehen ab. Dann griff B. unter der Jacke nach hinten und tastete nach dem Reißverschluss der Damentasche. Ein Wiesngast zog jetzt aber die Frau zum Tanzen auf die Bierbank, die Langfinger gingen leer aus.

Während eine Polizistin aus Frankfurt am Main das Duo beobachtete, versuchten sie den nächsten Trick: Rempeln im Gang. Wieder war eine Frau das Opfer, Luis B. öffnete geschickt den Knopf ihrer Umhängetasche, Hector R. täuschte eine Drängelei vor. Doch die Frau drehte sich zufällig weg, so dass Luis B. nicht an ihre Tasche kam. Auch der Versuch, einem Mann das Handy aus der Hose herauszuziehen, scheiterte, zumal das Telefon in der Hosennaht hängen blieb. Bei einer Frau, die ihre Umhängetasche auf den Rücken gedreht hatte, waren sie schließlich erfolgreich. Luis B. zog das Handy, beide verschwanden in der Toilette, fummelten die rosa Hülle ab und wurden beim Verlassen des stillen Örtchens festgenommen.

"Das war dilettantisch", sagte Anwalt Hannes Liedl und verwies noch auf den vorhergehenden Wiesnsamstag, den 23. September: Da sei das Duo so blau gewesen, dass es einen Koffer mit drei gestohlenen Handys am Goetheplatz stehen ließ. Das Verfahren deshalb stellte das Gericht ein. Am Ende blieben zwei vollendete und vier versuchte Diebstähle. Trotz der Pannen stufte Staatsanwalt Vetter das Duo als geschickt und professionell ein: "Es soll ihnen eine Lehre sein, dass sie es in München in Zukunft gleich lassen können."

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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