Gedenken:21 Stolpersteine für die Opfer der Nationalsozialisten

Lagerstätte für Stolpersteine in München, 2015

245 Stolpersteine hat der Münchner Unterstützer-Verein in einem Keller gelagert. Auf Gehwegen dürfen sie in München nicht verlegt werden - nur auf Privatgrund wie Hofeinfahrten.

(Foto: Florian Peljak)
  • Der Verein "Stolpersteine für München" verlegt am Dienstag für 21 Opfer des Nationalsozialismus Gedenksteine - so viele wie noch nie.
  • Erlaubt ist das in München nur auf privatem Grund.
  • Die Stadt will dagegen mit Stelen, Wandtafeln und einem zentralen Mahnmal an die Ermordeten erinnern.

Von Wolfgang Görl

Sie wollen der Opfer des Nationalsozialismus an ihren einstigen Wohnorten namentlich gedenken, doch dabei gehen Stadt und private Akteure sehr unterschiedlich vor - und auch unterschiedlich schnell. An diesem Dienstag verlegt der Verein "Stolpersteine für München" insgesamt 21 Gedenksteine, weitere sollen noch in diesem Jahr folgen. Wie immer auf privatem Grund, weil die Stadt sich gegen diese Form des Erinnerns auf öffentlichem Grund nicht zuletzt wegen des Widerstands der Israelitischen Kultusgemeinde sperrt.

Das städtische Alternativprojekt, mit Stelen, Wandtafeln und einem zentralen Mahnmal an die Ermordeten zu erinnern, ist insofern vorwärts gekommen, als eine Wettbewerbsjury die Sieger gekürt hat. Während des Sommers aber wird sich erst einmal nichts tun, im September geht der Entscheidungsprozess im Stadtrat weiter. Bis dahin soll geheim bleiben, welche Entwürfe die Jury favorisiert. Eines immerhin hat die Stadt bereits jetzt zu Wege gebracht: Das Denkmal für die von den Nazis verfolgten Schwulen und Lesben, ein Bodenmosaik am Oberanger, wird an diesem Dienstag von Oberbürgermeister Dieter Reiter seiner Bestimmung übergeben.

Wenn Terry Swartzberg, der Vorsitzende des Stolpersteine-Vereins, über die Resonanz auf das Projekt spricht, wird er geradezu euphorisch. "Wir haben mittlerweile das nette Problem, dass wir an die Kapazitäten von Gunter Demnig stoßen." Das ist insofern von Belang, als der Kölner Künstler Demnig derjenige ist, der sich die Stolpersteine ausgedacht hat - mit großem Erfolg, wie die mehr als 65 000 in vielen europäischen Ländern verlegten Steine zeigen.

Am Anfang, so erzählt Swartzberg, war es "sehr mühsam", Hausbesitzer zu überzeugen, ihr Anwesen dafür zur Verfügung zu stellen. "Inzwischen ist es sehr viel leichter geworden", weil, so vermutet Swartzberg, die Leute von den bisherigen Aktionen gelesen hätten und sie guthießen.

Insgesamt 31 Stolpersteine hat der Verein bislang in München verlegt, im Keller der Initiative liegen 245 weitere, bestellt von Angehörigen von Opfern sowie Privatleuten oder Organisationen. In allen Fällen galt es, die Eigentümer der Häuser, in denen die von den Nazis verfolgten Menschen gelebt hatten, ausfindig zu machen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Diese verlaufe zunehmend erfolgreich, berichtet Swartzberg: "Wir haben bewiesen, dass die Stolpersteine in München angekommen sind."

Verlegt werden die 21 Steine an der Ickstatt- und der Römerstraße sowie an der Herzog-Heinrich-Straße. Einer derjenigen, die dabei eine Ansprache halten, ist der Drehbuchautor Peter Probst. Seine Tante und Großtante, Erna und Rosa Mittereder, wohnten von 1930 an in der Römerstraße 7. Rosa Mittereder, geborene Loewi, stammte aus einer jüdischen Familie. Ihr Mann, der Münchner Rechtsanwalt Franz Mittereder, starb ein Jahr nach der Geburt der Tochter Erna.

Emotionale Debatte über Stolpersteine

Im November 1941 erhielt die Witwe den Befehl, sich mit 50 Kilo Gepäck bereitzuhalten, weil sie zum "Arbeitseinsatz im Osten" verschickt werde. Von seinem Vater hat Probst erfahren, dass die 16-jährige Tochter gemäß den Rassegesetzen der Nazis als "Halbjüdin" galt und vorerst verschont bleiben sollte. Erna aber klammerte sich solange an ihre Mutter, bis die Gestapo-Leute die Geduld verloren und das Mädchen mit den Worten "Dann kommst du halt auch mit, du Judenfratz" mitnahmen. Rosa und Erna Mittereder starben am 25. November 1941 bei einer Massenexekution in Kaunas in Litauen.

Auch Amelie Fried, die Ehefrau Probsts, hat Vorfahren, die von den Nazis ermordet wurden. Die Publizistin hat sich bemüht, für Max und Lilli Fried, die in Auschwitz starben, Stolpersteine verlegen zu lassen. Sie hatten in einem Haus im Färbergraben gewohnt. Der heutige Besitzer, erzählt Probst, habe auf die Anfrage mit einer "mehr als unfreundlichen Absage" reagiert. In seiner Ansprache wird Probst sagen: "Das ist die brutale Folge des städtischen Verbots. Angehörige, die nichts anderes wollen, als auf eine Art zu gedenken, die in über 1000 deutschen Städten möglich ist, werden erneut gedemütigt."

Bekanntlich hat die Stadt andere Pläne. Vor zwei Jahren hat der Stadtrat beschlossen, ein Konzept für Stelen, Wandtafeln und ein zentrales Mahnmal erstellen zu lassen. Zumindest die Künstlerwettbewerbe sind abgeschlossen. Marian Offmann, CSU-Stadtrat und Vorstandsmitglied der Kultusgemeinde, sagt nur so viel: "Es gibt ein Ergebnis hinsichtlich der Stelen, hinsichtlich der Wandtafeln und hinsichtlich des Namensdenkmals." Welche Entwürfe die Jury, der auch Offmann angehört, auserkoren hat, will er nicht verraten. Ehe das Geheimnis gelüftet wird, sollen sich die Stadträte mit der Sache beschäftigen.

Mit den Siegerentwürfen ist Offmann "sehr zufrieden", optisch seien sie "genauso gut wie die Stolpersteine, wenn nicht besser". Und sie hätten den Vorteil, dass sie auf Augenhöhe des Betrachters seien, im Gegensatz zu den Stolpersteinen", auf die man "treten und den Straßenschmutz abstreifen" könne. Dennoch ist Offmann nicht grundsätzlich gegen die Steine: "Wenn Angehörige der Ermordeten Stolpersteine wollen, dann würde ich das tolerieren."

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