Wenn sich die Nachverdichtung in Fürstenried-West schon nicht verhindern lässt, dann sollten wenigstens die soziale Infrastruktur angepasst, die Verkehrssituation verbessert, Abstandsflächen eingehalten, Einkaufsmöglichkeiten geschaffen und Grünflächen geschont werden. Dies ist die Botschaft, die von einem stark besuchten Bürger-Workshop in der Grundschule an der Berner Straße ausgeht. Um für ihr Vorhaben zu werben und die Stimmung im Viertel auszuloten, hatten die Bayerische Versorgungskammer als Investor, die Stadt München und der Bezirksausschuss die Bewohner und Nachbarn des Planungsgebietes an der Appenzeller Straße/Bellinzonastraße eingeladen, ihre Anregungen und Bedenken zu artikulieren.
Die Pinnwände zu den vier Unterthemen Freianlagen, Mobilität, Wohnen und Zusammenleben sowie Infrastruktur füllten sich so rasch wie die Diskussionsrunden an den Tischen. Auch Defizite traten zutage, mit denen das Quartier am südwestlichen Stadtrand zu kämpfen hat: temporäres Parkchaos, fehlende Läden, dürftiges Busnetz, Spielplatz-Mangel.
Um die Fürstenrieder für die "qualifizierte Weiterentwicklung" ihres Stadtteils zu gewinnen, ließen es die Vertreter der Bayerischen Versorgungskammer und des Planungsreferates an Verlockungen nicht fehlen. Daniel Just ist der Vorstandsvorsitzende der halböffentlichen Dachorganisation von zwölf Versorgungseinrichtungen mit 65 Milliarden Euro Kapitalanlagevermögen und 12 000 Wohnungen in ganz Deutschland. Er versprach, "langfristig in bezahlbaren Wohnraum zu investieren". Weitere vorteilhafte "Ergänzungen" im 13,5 Hektar großen Planungsgebiet, in dem die Versorgungskammer bereits über 1500 Wohnungen verfügt, listete Projektmanager Alexander Mauerer auf: besser vernetzte Grünanlagen, neue Stätten der Begegnung für Jung und Alt, drei neue Kindertagesstätten, gründliche Sanierung von Bestandswohnungen sowie "insgesamt eine Aufwertung des Quartiers".
Um Verständnis für die Wohnraumsorgen der Stadt warb die Leitende Baudirektorin Marion Wolfertshofer: Nachdem die kommunalen Grundstücke und Konversionsflächen "weitgehend verfrühstückt" seien, führe an Nachverdichtungen kein Weg mehr vorbei. Anina Bühler vom Planungsreferat sprach gar von "einer Verpflichtung, die Stadt weiterzuentwickeln". Man werde aber darauf achten, dass sich das Baugeschehen möglichst auf bereits versiegelten Flächen abspielt und der Gehölzgürtel am westlichen Ortsrand erhalten bleibt; besonders spreche für das Vorhaben in Fürstenried, dass 30 Prozent der angepeilten 600 neuen Wohnungen nach Fördermodellen entstehen.
Das heikle Thema Schulversorgung soll durch eine Erweiterung der Grundschule an der Walliser Straße nach Verlagerung der Mittelschule an die Königswieser Straße oder durch eine Erweiterung der Grundschule Königswieser Straße mit Neuordnung der Sprengel gelöst werden. Um den Bürgern die Ängste vor massiver Betonierung zu nehmen, betonten mehrere Sprecher, zusätzlichen Wohnraum vorrangig durch Aufstockungen um ein bis zwei Etagen sowie die Überbauung oberirdischer Parkplätze erreichen zu wollen; Fahrzeuge sollen in Tiefgaragen verschwinden.
Nach dem Stadtratsbeschluss und dem Bürger-Workshop folgt als nächstes ein Architekten- und landschaftsplanerischer Wettbewerb, der am 11. Oktober abgeschlossen wird; dann sollen die Bewohner des Viertels zu den favorisierten Entwürfen gehört werden. Baubeginn soll "frühestens 2019" sein. Für Christoph Söllner, Sprecher der Bürgerinitiative "Pro Fürstenried", bleibt vor allem eine Frage spannend: "Was können wir im weiteren Verlauf der Planung wirklich noch beeinflussen?" Einen Appell des Bezirksausschuss-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU) nahmen die Veranstalter des Hearings noch mit: "Achten sie darauf, dass die Infrastruktur nicht zu kurz kommt."