Fürstenried:Bedrohliche Ballung

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Die künftige Flüchtlingsunterkunft an der Forstenrieder Allee beunruhigt so manchen Anwohner wie auch Lokalpolitiker

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Fragen über Fragen. Was bedeutet die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Forstenrieder Allee für die Schulen und Kindergärten der Umgebung, für die Sicherheit im U-Bahnhof, für den Wert von Immobilien? Gibt die Schießanlage in Hörweite traumatisierten Menschen den Rest? Und wie löst man Sprachprobleme in der medizinischen Betreuung? Wird es bald möglich sein, eine Putzfrau aus dem Orient anzuheuern? Bei einer Info-Veranstaltung des Sozialreferats im fast voll besetzten Fürstenrieder Bürgersaal finden auch Aspekte der Unterbringung von Asylbewerbern Erwähnung, auf die man erst mal kommen muss. Rudolf Stummvoll, Leiter des Amtes für Wohnen und Migration der Stadt München, hakt sie am Mikrofon mit der stoischen Gelassenheit eines Experten ab, der laufend in seiner Mission unterwegs ist. Zugleich macht er deutlich, dass die Forstenrieder 200-Leute-Herberge in Holzständerbauweise, die von August an für die Dauer von fünf Jahren in Betrieb geht und von der Caritas-Alveni betreut wird, noch ein geringeres Problem seiner Behörde darstellt. Eher schon versteht er, dass die Ballung von Flüchtlingsheimen im östlichen Obersendling Nachdenklichkeit erzeugt. Dies war unter anderem am Vorabend der Info-Runde der Fall, als am selben Ort der Bezirksausschuss (BA) 19 tagte. Und wo Reinhold Wirthl (CSU), Sprecher der größten Fraktion im BA, vor einer "kurz bevorstehenden Ghettobildung" warnte.

Etwa 2000 der 15 000 Flüchtlinge, die 2015 in München gelandet sind, dürften spätestens in ein paar Monaten in Obersendling wohnen. Hunderte von ihnen kommen allein in ehemaligen Büroriegeln an Hofmann- und Schertlinstraße unter, wenn auch nur für eine Übergangszeit. Diese Entwicklung sei mit den Zielen einer innerstädtischen Verteilungsgerechtigkeit und der Verträglichkeit fürs Stadtviertel kaum vereinbar, meint die CSU-Fraktion im BA. Schon jetzt sei zu beobachten, dass viele Leute "massiv Angst" hätten, abends in die U-Bahn zu steigen, sagte Wirthl.

Vor allem eine neu geplante Unterkunft an der Hofmannstraße 51 - dort sollen Ende Mai/Anfang Juni 500 Personen für drei Jahre einziehen - wirft auch nach Ansicht von Michael Kollatz (SPD) Probleme auf. "Es gibt kaum Freiflächen mit Aufenthaltsqualität", sagte er. Ob sich dieser Mangel, wie vom Sozialreferat vorgesehen, tatsächlich durch großzügige Gemeinschaftsräume kompensieren lässt, sei ebenso fraglich wie die Verträglichkeit mit dem gewerblichen Umfeld und die Möglichkeit einer ausreichenden Zufahrt über die Gmunder Straße. Nachdrücklich forderte Kollatz eine verlässliche Befristung der Lösung an der Hofmannstraße 51. Mehrfach wurde im BA ferner eine Prüfung der Auswirkungen des Heimbetriebs auf Schulen und Kindertagesstätten verlangt. Der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) fasste einen Zwischenstand der Diskussion so zusammen: "In der Summe könnte es in Obersendling krachen, wenn zu viele Probleme auf einmal auftreten." Tatsächlich wurden angesichts der vielen offenen Fragen der Vorwurf erhoben, die Stadt gehe bei der Unterbringung von Flüchtlingen in wenigen Straßenzügen "verantwortungslos" vor.

In Forstenried bereitet sich unterdessen ein Helferkreis unter Leitung des BA-Mitglieds Rosmarie Rampp (CSU) darauf vor, die Caritas in der künftigen Flüchtlingsunterkunft an der Forstenrieder Allee zu unterstützen. "Wir sind gefordert, spontan und flexibel zu reagieren. Uns geht es nicht um Politik, sondern um ein gutes Miteinander", sagte Rampp, die bereits 45 Interessenten um sich schart. Rudolf Stummvoll verbreitete vorab schon mal Zuversicht: "Sie werden sehen, das Flüchtlingsheim wird ein ganz normaler Teil ihres Wohnviertels und wertet es nicht ab." Als obendrein Vertreter der Polizei versicherten, die Bewohner des Stadtbezirks dürften sich sicher fühlen und auf wache Präsenz der Ordnungshüter zählen, nahm die Versammlung ein deutlich ruhigeres Ende als vielfach befürchtet.

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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