Urteil gegen Pommes-Diebe:Wie im Selbstbedienungsladen

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Das Landgericht München korrigiert die Schadenssumme nach unten und verurteilt die Gröbenzeller Pommes-Diebe sowie eine Imbiss-Besitzerin zu Bewährungsstrafen.

Andreas Salch

Der Prozess ist vorbei. Nun sitzt die Staatsanwaltschaft München II auf säckeweise sichergestellten Pommes Frites. Sie stammen aus der Beute, die die Ermittler bei vier Männern sicherstellten, die für einen großen Gröbenzeller Lebensmittellieferanten gearbeitet haben und sich von Frühjahr 2010 bis zu ihrer Festnahme im März vorigen Jahres nach Gusto aus dessen Sortiment nahmen, was sie brauchten. Am Mittwoch verurteilte die 2. Strafkammer am Landgericht München II die Angeklagten zu Bewährungsstrafen.

Selbst der Hauptangeklagte, der als Disponent bei dem Lebensmittellieferanten angestellt war, und elf Monate in Untersuchungshaft saß, erhielt eine Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Inhaberin eines Imbiss, die mit auf der Anklagebank saß, wurde wegen gewerbsmäßiger und schwerer Bandenhehlerei zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Sie hatte von den Angeklagten vor allem Pommes Frites und Öl für ihren Imbiss bekommen. Im Gegenzug durften die Männer bei ihr "umsonst zechen", wie der Vorsitzende Richter Oliver Ottmann bei der Urteilsbegründung sagte.

Rechtsanwalt Albrecht Heyng, der den Disponenten vertrat, kritisierte in seinem Plädoyer die Staatsanwaltschaft wegen deren Ermittlungen. Die Behörde habe so getan, als handle es sich bei seinem Mandanten und den anderen Angeklagten um Schwerkriminelle. Wenn die Ermittler den Fall "richtig eingeordnet" hätten, hätte man die Sache vor dem Amtsgericht verhandeln können und nicht wie geschehen, vor einer großen Strafkammer an einem Landgericht.

Ein Argument, das nicht leicht von der Hand zu weisen ist: Denn der Schaden, der dem Lebensmittellieferanten entstanden ist, liegt, nachdem ein Teil der Anklage eingestellt worden war, nicht mehr bei 6000 Euro, sondern nur noch bei etwa 2000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte sich bei ihren Ermittlungen auf die Angaben des Unternehmens gestützt. Dies hatte eine Schadenssumme von rund 200 000 Euro angegeben, wie ein Fahnder der Fürstenfeldbrucker Kripo sagte.

Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft räumte am Ende ein, dass der entstandene Schaden "nicht so hoch" sei. In der Gröbenzeller Firma muss es zugegangen sein wie in einem "Selbstbedienungsladen", befand Rechtsanwalt Peter Hückmann, der einen Lkw-Fahrer aus dem Unternehmen verteidigte. "Selbst einer der Mitinhaber hat sich bedient", sagte der Verteidiger. Richter Oliver Ottmann stellte bei der Urteilsbegründung fest, dass diese Form von "Unternehmenskultur" natürlich die Hemmschwelle bei den Angeklagten gesenkt habe, sich aus dem Sortiment zu bedienen.

Der angeklagte Disponent hatte, ehe er selbst Packzettel fälschte und so Ware abzweigte, den Geschäftsführer sogar darauf aufmerksam gemacht, dass gestohlen werde. "Das hat aber niemand interessiert", sagte der Vorsitzende Richter. Der Geschäftsführer bestritt dies, als ihn das Gericht mit der Aussage des Disponenten konfrontierte und sagte, er habe keine Diebstähle geduldet.

Den Eindruck, dass die Kontrollen jedoch ziemlich lasch gehandhabt wurden, konnte er bei den Richtern nicht ausräumen. Am Ende seiner Aussage räumte der mitteilsame Geschäftsführer ungefragt auch noch ein, bei der Hinterziehung von Steuern womöglich einen gewissen Beitrag geleistet zu haben. Die Staatsanwältin horchte auf. Der Vorsitzende Richter riet dem Geschäftsführer: "Sie sollten sich einen Strafverteidiger nehmen."

© SZ vom 21.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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