Streit um Filiale in Türkenfeld:Edeka inszeniert Bürgerentscheid

Lesezeit: 2 min

Edeka möchte in Türkenfeld eine Filiale eröffnen - doch die Vorbehalte im Ort sind groß. Mit einer Werbeaktion versucht die Supermarktkette nun, die Herzen der Einwohner zu gewinnen.

Peter Bierl

Edeka Südbayern macht Druck, um doch noch am Ortsrand von Türkenfeld eine Filiale bauen zu können. Das Unternehmen hat per Postwurfsendung eine "Bürgerbefragung" gestartet. Bis 2. August sollen die Einwohner eine "Abstimmungskarte" ausfüllen und mit vollem Namen und Adresse an einen von Edeka beauftragten Notar schicken. Die zweite Bürgermeisterin Claudia Glas (SPD) ärgert sich über diese Aufmachung: "Der Bürger denkt, das kommt von der Gemeinde."

"Wir lieben Türkenfeld . . . wenn sie es wollen", so wirbt Edeka für einen Lebensmittelmarkt am Ortsrand. (Foto: Stefan Salger)

So heißt es auf dem Briefumschlag des Edeka-Werbeschreibens: "Wichtige Informationen zur Bürgerbefragung in Türkenfeld." In dem Papier und auf der "Abstimmungskarte" ist jeweils vermerkt: "Abstimmen kann jeder Türkenfelder ab 18 Jahren." Pressesprecher Alexander Hippach erklärte der SZ, dass die Antworten von einem unabhängigen Anwalt ausgewertet würden.

In dem vierseitigen Hochglanzpapier mit dem Titel "Edeka News Türkenfeld" und dem Slogan "Wir lieben Türkenfeld" werden die Vorzüge eines Supermarktes beschrieben: Ein Sortiment von 15.000 Produkten auf einer Verkaufsfläche von 1250 Quadratmeter, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln "gut zu erreichen". Der Standort auf dem bislang unbebauten Moränenhügel nordöstlich des Ortes nahe der Schule wäre ideal und "der einzig sinnvolle".

Die Bürgermeister und die Interessengemeinschaft Dorfentwicklung sehen das anders. Die Interessengemeinschaft hat eine Dorferneuerung angestoßen, die nach Genehmigung durch das bayerische Landwirtschaftsministerium im Frühjahr 2011 starten soll. Die Gruppe will im Ortszentrum einen Dorfladen und einen Markt einrichten. "Ich persönlich bin dafür, die Ortsmitte zu beleben", sagte Bürgermeister Pius Keller (CSU) der SZ. Seine Stellvertreterin Glas meinte klipp und klar: "Dorferneuerung und ein Supermarkt auf der grünen Wiese, das würde nicht funktionieren."

"Frontalangriff auf die Dorferneuerung"

Auch Rainer Hegnauer von der Bürgerinitiative findet, dass sich Supermarkt auf der grünen Wiese und Dorferneuerung nicht vereinbaren lassen: "Der Dorfeingang soll nicht verschandelt werden." Hans Well von der Initiative wertet die Befragung als "Frontalangriff auf die Dorferneuerung". Edeka gehe es bloß um eine Verdrängung des im Gewerbegebiet vorhandenen Supermarktes, bestehende Geschäfte würden gefährdet und ein kleiner zusätzlicher Supermarkt in der Dorfmitte wäre damit nicht mehr realisierbar. Glas zeigt sich überrascht von der Aktion: "Für uns war der Bau eigentlich kein Thema mehr."

Aufgrund der Bürgerproteste hatte der Gemeinderat im Oktober das Genehmigungsverfahren zugunsten der Dorferneuerung gestoppt. Bürgermeister Keller sagte der SZ, auf dem Acker bestünde bislang kein Baurecht für Edeka. Keller will jetzt "abwarten, wie die Edeka-Befragung ausgeht", entscheiden müsse der Gemeinderat.

Eine Standortanalyse habe ergeben, dass Türkenfeld für Edeka lukrativ sei, sagt Pressesprecher Hippach. Bislang würde Kaufkraft von rund drei Millionen Euro im Jahr anderswo ausgegeben, heißt es in der Umfrage. Was passiert, wenn die Befragung negativ ausgeht, konnte Hippach "konkret nicht beantworten". Das Unternehmen wolle aber "nichts gegen die Bürgergemeinschaft tun". Einen Markt zu errichten, der abgelehnt werde, bringe nichts. Die Interessengemeinschaft will die Antworten selbst auswerten und ruft dazu auf, die Karten statt bei Edeka bei Hegnauer, Well oder Josef Bichlmaier abzuliefern.

© SZ vom 28.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: