SZ-Adventskalender:Opfer eines Bombenattentats

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Nach Anschlag ist der Fuß einer Somalierin verkrüppelt. Sie braucht orthopädische Schuhe

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Als Farah Abdullahijama zum Gesprächstermin ins Gemeindezentrum der evangelischen Zachäuskirche kommt, ist ihr anzusehen, wie schwer ihr das Gehen fällt und wie unwohl sie sich deshalb in ihrer Haut fühlt. Während sie am linken Fuß einen normalen Damenschuh trägt, steckt ihr rechter fast stark nach innen verdreht nur mit den Zehen im anderen Schuh, den sie deshalb fast verliert. Sie humpelt, weil ihr rechter Fuß verkrüppelt ist, über den sie wegen der Kälte eine Socke gezogen hat. Die 28 Jahre alte Asylbewerberin hat einen Klumpfuß, weil sie vor vier Jahren mit ihrem Mann Opfer eines Bombenanschlags von Rebellen in Somalia geworden war. Während ihr Mann bei dem Terrorakt starb, erlitt Farah Abdullahijama schwerste Verletzungen. Ihr rechter Fuß wurde zertrümmert und ihr rechtes Bein ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen wie ihr Unterleib.

Wie die junge Frau berichtet, war sie nach dem Attentat von fünf Männern entführt und sechs Monate lang in einem Haus eingesperrt worden. Einen Arzt, der ihre Wunden behandelt oder ihren gebrochenen Fuß geschient hätte, sah sie in der Zeit ihrer Gefangenschaft nicht. Die gebrochenen Knochen wuchsen einfach so in Fehlstellung wieder zusammen. Ein Nachbar verhalf ihr schließlich zur Flucht, die sie über die Türkei im Februar dieses Jahres nach Deutschland und dann im Frühjahr nach Gröbenzell führte. Zurück ließ sie neben einer Tochter im Alter von sechs Jahren ihre Familie. Um die Tochter kümmert sich eine ihrer vier Schwestern.

Die seelischen Wunden des Anschlags sind nicht verheilt, mit einem orthopädischen Schuh könnte Farah Abdullahijama wenigstens wieder laufen. (Foto: Günther Reger)

Bereits als die Somalierin mühsam beginnt, über den Anschlag in Mogadischu und ihre Leidenszeit danach zu sprechen, kommen ihr die Tränen. Die körperlichen Wunden mögen zumindest verheilt sein, die seelischen sind es offensichtlich nicht. Ihr Mann wurde Opfer der Rebellen, weil er in leitender Position für einen Sicherheitsdienst im Auftrag der Regierung von Somalia arbeitetet. Der erste Anschlag der Rebellen auf ihren Mann schlug noch fehl, der zweite, bei dem eine Bombe in einem Restaurant explodierte, nicht mehr.

Die 28-Jährige braucht dringend medizinisch angepasstes orthopädisches Schuhwerk, das ihr das Gehen sowohl ermöglicht, als auch erleichtert. Und zwar einen Schuh für den Außenbereich, der im Winter auch als Kälteschutz dient, und einen Hausschuh für die Flüchtlingsunterkunft an der Poststraße in Gröbenzell. Da sie fast nicht gehen kann, auch weil die Hüfte stark belastet wird und sie sich nur unter Anstrengung gerade halten kann, verlässt sie kaum das Haus. Zum Glück hat Farah Abdullahijama in Reyhan Omar Abdi aus Somalia eine Mitbewohnerin und Freundin gefunden, die Englisch spricht. Die Freundin ermöglicht die Verständigung und begleitet sie zudem sie überall hin.

Im Leistungskatalog des Asylbewerberleistungsgesetzes seien solche Schuhe nicht enthalten, wie sie Farah Abdullahijama benötigt, berichtet Lilo Nitz vom Gröbenzeller Asylhelferkreis. Der Adventskalender will die orthopädischen Schuhe finanzieren, um der Somalierin zu ermöglichen, wieder einigermaßen normal zu laufen. Für die 28-Jährige ist das eine große Erleichterung, auf die sie sich freut.

Die junge Frau hat drei Asylpaten. Einer von ihnen ist Werner Schwetlick, der Farah Abdullahijama als "sehr fröhlich, freundlich, offen und zupackend" beschreibt. Seit Oktober nimmt die Asylbewerberin an einem Nähkurs teil, um sich eine neue berufliche Zukunft als Änderungsschneiderin aufzubauen. Ihren Beruf als Hausmädchen kann sie wegen des Klumpfußes nicht mehr ausüben. Eine Schule besuchte die 28-Jährige vor ihrer Flucht nicht. Die Analphabetin hat erst in Gröbenzell bei einem Alphabetisierungskurs damit begonnen, das Schreiben und Lesen zu lernen.

Auf Deutsch zu sagen, an welchen Tagen sie Unterricht hat, fällt ihr trotz aller Hemmungen viel leichter, als in ihrer Muttersprache über den Bombenanschlag zu berichten.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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