Boardinghaus-Boom:Unsichtbare Ortsbewohner

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Platz für ein neues Boardinghaus an der Echinger Hauptstraße. (Foto: Marco Einfeldt)

In Freising und in den kleineren Landgemeinden entstehen immer mehr Boardinghäuser. Genutzt werden sie vor allem von Arbeitern, die nur kurz im Landkreis wohnen.

Von Katharina Aurich, Freising

Die Nachfrage nach Unterkünften auf Zeit im Landkreis Freising wächst. In der Folge entstehen aktuell nicht nur in der Stadt, sondern auch in kleineren Ortschaften Boarding- oder Appartementhäuser, welche die Vorteile eines halb-privaten Wohnraums mit einer flexiblen, bis zu sechsmonatigen Mietdauer vereinen. Die Gäste, die meist einige Woche bleiben, wohnen hier auf Dauer günstiger als im Hotel.

Ob am Freisinger Bahnhof oder im 600- Seelen-Ort Thalham: Ein Boardinghaus scheint überall zu laufen. Allerdings gefällt das nicht jedem, die Hoteliers im Landkreis beispielsweise fürchten um ihre Kundschaft. "Wir beobachten die Entwicklung mit Besorgnis", sagt die Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands im Landkreis Freising, Anna Elisabeth Hofmeier. Sie betreibt in dritter Generation ein 80-Betten-Hotel in Hetzenhausen, Gemeinde Neufahrn.

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Von 1992 bis heute wurden insgesamt 25 Boardinghäuser im Landkreis genehmigt. Allein seit 2012 seien 14 neue dazugekommen, vier davon im vergangenen Jahr, informiert Eva Dörpinghaus, Sprecherin des Freisinger Landratsamtes, das den Bau einer solchen Unterkunft genehmigt. Die kleinen Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen auf Zeit sind bei einer Mietdauer über mehrere Wochen deutlich günstiger als ein Hotel. Ein Doppelzimmer im Freisinger Boardinghaus kostet zum Beispiel für eine Nacht 82 Euro, bei einer Mietdauer von 30 Tagen reduziert sich der Preis auf 40 Euro. Zudem verfügen die Räume im Boardinghaus immer über eine kleine Küche zur Selbstversorgung. Ein Hotel dagegen betreibe in der Regel auch ein Restaurant, beschreibt Anna Hofmeier die Unterschiede. "Unsere Kunden wollen morgens mit einem guten Frühstück in den Tag starten", die oft langjährigen Gäste schätzten den persönlichen Kontakt, den es im anonymen Boardinghaus nicht gebe.

Frank-Ulrich John, Sprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands sieht die Entwicklung allerdings gelassen. Jede Beherbergungsform habe ihre Berechtigung, sagt er. Sowohl ein Hotel als auch ein Boardinghaus entrichteten sieben Prozent Umsatzsteuer, es würden steuerlich dieselben Regeln gelten, so John. Erst nach einer Mietdauer von sechs Monaten wandele sich die Beherbergung formal zu einem normalen Mietverhältnis.

Die Mieter werden im sozialen Leben der Gemeinde nicht sichtbar

Architekt Michael Wacker vom gleichnamigen Büro in Nandlstadt hat in Zolling neben der Tankstelle nur wenige Meter von der Bundesstraße entfernt ein Boardinghaus gebaut, das im April eröffnen wird. Für das Vorhaben hatte die Gemeinde extra ihren Flächennutzungsplan geändert, der das Grundstück jetzt als Mischgebiet ausweist. Das Gebäude verfügt über 23 Ein- und Zwei-Zimmer-Appartements, jeweils mit eigener Küche und Bad. Schon jetzt habe er Anfragen und er sei sicher, dass die Nachfrage nach den kleinen Wohnungen auf Zeit wachse, berichtet Wacker. Vor allem Flughafenmitarbeiter oder auch Spezialisten, die im Landkreis auf Baustellen tätig seien und deren Arbeitgeber eine solche Unterkunft finanzierten, sehe er als seine künftigen Mieter. Essen werde im Zollinger Boardinghaus nicht angeboten, aber an der Tankstelle gebe es Kaffee und belegte Semmeln, so Wacker. Die Anbindung mit dem Auto nach Freising und den Münchner Flughafen sei über die Bundesstraße und später über die Ortsumfahrung um Freising sehr gut, listet der Architekt einen weiteren Pluspunkt auf.

Auch in Thalham in der Gemeinde Attenkirchen können demnächst Firmenmitarbeiter auf Zeit wohnen. Denn der Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung dem Bauantrag für ein Boardinghaus mit 37 Appartements neben dem Thalhamer Hof zugestimmt. Das Haus werde komplett an ein Unternehmen für dessen Mitarbeiter vermietet, informiert Bauherr Walter Pletschacher. Nur nach einem Bewohnerwechsel würden die Appartements gereinigt, alles andere müssten die Mieter selbst übernehmen. Zum Einkaufen oder Frühstücken werden sie allerdings nach Zolling fahren müssen, denn weit und breit gibt es kein Geschäft oder Café. Die Mieter im Boardinghaus würden im sozialen Leben der Gemeinde nicht sichtbar, denkt auch Bürgermeister Martin Bormann. Sie kämen abends und würden morgens wieder wegfahren, am Wochenende seien sie vermutlich gar nicht da.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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