Zeugnisse:"Mit einer Drei kann man zufrieden sein"

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Endlich Sommerferien: Die Schüler in Bayern haben ihre Jahreszeugnisse bekommen. (Foto: dpa)

Eva Bönig ist Vorsitzende des Kinderschutzbundes und findet, dass man zu einer realistischeren Einschätzung der Noten zurückkehren sollte. Überraschungen dürfte es ihrer Ansicht nach am Zeugnistag nicht geben.

Interview von Florian Beck

FreisingAn diesem Freitag starten die Kinder und Jugendlichen aus Freisings Schulen in die Sommerferien. Doch so mancher von ihnen sieht diesem Tag womöglich mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn vor den Ferien werden die Jahresabschlusszeugnisse verteilt. Der "Deutsche Kinderschutzbund" (DKSB) bietet ratlosen Schülern, aber auch überforderten Eltern Hilfe und Unterstützung an, falls das Zeugnis schlecht ausfallen sollte. Die SZ hat mit Eva Bönig, der Vorsitzenden des Kinderschutzbundes in Freising, über schlechte Noten, die Angebote des DKSB und den Leistungsdruck in Schulen gesprochen.

SZ: Wie können sich Eltern verhalten, deren Kinder mit schlechteren Noten als erwartet nach Hause kommen?

Eva Bönig: Wichtig ist es, zu hinterfragen: "Wo hat's gehakt?" Wenn es nicht nachzuvollziehen ist, kann es durchaus helfen, auch in der Schule nachzufragen. Aber Eltern, die sich immer informieren, zum Beispiel bei Elternsprechtagen, die wissen auch so ungefähr, wie die Noten ausschauen werden. Wenn es trotzdem unerwartet sehr schlecht ist, dann, wie gesagt, nachfragen.

Was können Schüler tun, um ihren Eltern einen Schock am Jahresende zu ersparen?

Ein Schock am Jahresende mit einem Zeugnis bedeutet, dass woanders grundsätzlich ein Problem besteht. Ein Schock am Jahresende über Noten kann eigentlich nicht vorkommen, wenn immer alle miteinander vertrauensvollen Kontakt pflegen. Dann kennt man ja schließlich die Schularbeitennoten, die Kurzarbeitennoten und die mündlichen Noten. Und wenn es den Schock dann trotzdem geben sollte, ist es sinnvoll, mit den Eltern gemeinsam eine Begründung zu suchen. Aber, wie gesagt, den Schock kann es eigentlich nicht geben, wenn immer alle vertrauensvoll an den schulischen Leistungen, überhaupt an dem, was in der Schule passiert, arbeiten.

Was halten Sie davon, wenn Schüler, die im vergangenen Schuljahr nicht so gut abgeschnitten haben, in den Sommerferien Stoff nachholen?

Wenn es ausschließlich daran liegt, dass man einmal ein Leistungstief hatte, aus welchen Gründen auch immer, sei es die Pubertät oder seien es andere Ereignisse wie beispielsweise der Tod im nahen Umfeld, dann ist es sicher sinnvoll, den Stoff nachzuarbeiten. Aber bitte nicht die ganzen Ferien dazu nutzen, das können nur temporäre Lösungen sein.

S ie bieten ja den Service der "Nummer gegen Kummer" an, bei dem sich verzweifelte Kinder oder Eltern von ehrenamtlichen Beratern helfen lassen können. Wer ruft da öfter an, Eltern oder Kinder?

In Freising ist es so, dass Eltern, wenn sie anrufen, direkt über die Nummer vom Kinderschutzbund Freising (0 81 61/9 29 55) anrufen. Ich weiß von Münchner Kollegen, dass da durchaus auch Kinder und Jugendliche anrufen, Kinder sind jetzt bei uns aber selten, weil die oft noch eine Vertrauensperson, zum Beispiel einen Schulsozialarbeiter, haben. Aber Jugendliche rufen schon mal an. Wie gesagt, Schuld ist nicht nur das Zeugnis, es steckt dann etwas anderes mit dahinter.

Wie würden Sie den Leistungsdruck an den Schulen hier beurteilen? Ist der in den vergangenen Jahren eher gestiegen?

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Von Melanie Staudinger

Für die Gymnasiasten ist durch das G 8 der Leistungsdruck sicher gestiegen. Darum haben ja auch viele stattdessen den Weg über Realschule und FOS gewählt. Ansonsten würde ich sagen, dass der Leistungsdruck nicht nur von der Schule erzeugt wird. Nehmen Sie zum Beispiel den Übertritt nach der vierten Klasse, da wird Leistungsdruck auch oft von den Eltern erzeugt. Die Kinder erzeugen sich manchmal auch selber Druck, weil sie meinen, sie seien nicht gut genug. Der Leistungsdruck auf die Kinder von Seiten der Schule hat sich, denke ich, nicht vermehrt, er kommt eher von außen.

Es gibt seit zwei Jahren das Modell, dass es an bayerischen Grundschulen in den ersten drei Schuljahren nicht mehr zwingend nötig ist, Noten zu vergeben und herkömmliche Zeugnisse auszuteilen. Was halten Sie davon?

Bei den Grundschulen ist es ja jetzt so, dass man die Schüler bewertet, quasi mit "Wortzeugnissen". Ich finde das für die ersten Stufen ganz positiv, der Übergang zur vierten Klasse erfolgt dann aber etwas zu plötzlich. Der Lehrer hat in diesen Gutachten die Möglichkeit, die Stärken der Kinder besser hervorzuheben. Leider ist es ja vielerorts in unserer Gesellschaft noch nicht angekommen, dass zum Beispiel eine Stärke in mathematischen Bereichen genau so viel wert ist wie eine Stärke bei der Sozialkompetenz. Der Lehrer kann in diesen Gutachten aber auch zeigen, wo man noch etwas gemeinsam nacharbeiten muss.

Was ist Ihnen persönlich im Umgang mit Schulnoten wichtig?

Ich finde, dass wir mal wieder zu einer realistischeren Noteneinschätzung zurückkommen sollten. Eine drei heißt nicht umsonst befriedigend - damit kann man zufrieden sein. Wenn sich jetzt einer aus Faulheit oder weil er denkt "Ah, der Dreier reicht mir doch", nicht mehr anstrengt, obwohl er in der Lage wäre, eine bessere Leistung zu bringen, dann kann man das ja zusammen mit dem Schüler erarbeiten.

Und auch, wenn es mal nicht so läuft, dann muss man - und das ist uns als Kinderschutzbund natürlich wichtig - immer signalisieren: "Du bist mein Kind, ich liebe dich und zwar unabhängig von dem, was du jetzt gerade in deinem Zeugnis stehen hast!" Denn Angst vor schlechten Noten lähmt gleichzeitig auch oft, deswegen ist es wichtig, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, ihnen zu zeigen, was sie gut können.

Die "Nummer gegen Kummer" vom Kinderschutzbund gibt es für Kinder (11 61 11) und auch für die Eltern (08 00-1 11 05 50).

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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