Flughafen München:Fliegende Fahnder

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Piloten der Hubschrauberstaffel am Airport starten im Jahr zu mehr als 2200 Aufträgen, oft von wilden Spekulationen in den sozialen Netzwerken begleitet. Dabei sind die meisten Einsätze Vermisstensuchen.

Von Tobias Weiskopf, Freising

"Besatzung der 'Edelweiß fünf' in die EZ! Dringend!", schallt es aus den Lautsprechern durch die Gänge und Büros der Polizeihubschrauberstaffel Bayern. Die Crew, bestehend aus Pilot, Flugtechniker und Operator, macht sich auf den Weg in die "EZ", die Einsatzzentrale. Im Vorbeigehen gibt es vom Kollegen, der an diesem Abend die Einsätze in Südbayern koordiniert, erste Informationen für die anstehende Fahndung. Details folgen später per Funk. In wenigen Minuten sind sie startklar, heben mit dem weiß-blauen Polizeihubschrauber, Funkruf "Edelweiß 5", vom Münchner Flughafen ab und fliegen mit 240 Kilometern pro Stunde auf direktem Wege in den Münchner Südosten.

Kaum sind sie in der Luft, wird in den sozialen Medien schon wild spekuliert, was passiert sein könnte. "Wenn der Polizeihubschrauber zu sehen oder zu hören ist, ist das kein Grund zur Sorge", beruhigt Flugtechniker Michael Mayer und warnt vor Panikmache. Auch über den "Fluglärm" wird häufig, insbesondere in der Nacht, geschimpft. "Wir können uns da was aus den USA abschauen. Dort wird das nicht als Lärm, sondern als 'Sound of rescue' gesehen", sagt Thomas Renner, Pilot und Flugbetriebsleiter. "Wir fliegen ja nicht zum Spaß, sondern nur, wenn es einen Grund gibt", stellt Hauptkommissar Mayer klar.

Flughafen München
:Mit Edelweiß 5 in der Luft

Die Piloten der Hubschrauberstaffel fliegen ihre Einsätze mit bis zu 240 Kilometern pro Stunde. Sie suchen nicht nur flüchtende Täter, sondern vor allem vermisste Personen.

Von Tobias Weiskopf

Aufmerksame Anwohner helfen den Piloten oft, den Täter zu finden

Zurück zum Einsatz. In der oberbayerischen Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn wurde eine Vergewaltigung gemeldet. Die Täter seien auf der Flucht, heißt es per Funk. Die Crew der Nachtschicht ist ein eingespieltes Team mit klarer Rollenverteilung. Der Pilot ist der verantwortliche Luftfahrzeugführer und steuert den Helikopter; die polizeilichen Aufgaben übernimmt der Flugtechniker und hält Funkkontakt mit der Einsatzzentrale und den Kollegen am Boden. Der Operator bedient die Wärmebildkamera, ein hilfreiches Instrument bei Vermisstensuchen und Fahndungen. Tatsächlich entdecken die fliegenden Beamten die Täter aus der Luft und leiten die Streifen am Boden zur Festnahme dort hin. "Anwohner, die rausschauen und helfen, die melden, wenn sich jemand verdächtigt verhält, bringen uns unglaublich weiter", lobt Staffelleiter Joachim Walzik, selbst ein erfahrener Pilot. Denn am Ende hatte ein mutiger Augenzeuge durch sein Dazwischengehen Schlimmeres verhindert, die aufmerksamen Anwohner hatten unmittelbar die Polizei alarmiert, und eine sofortige Großfahndung war erfolgreich.

Mehr als 2200 Einsätze habe die Staffel pro Jahr, erzählt Michael Mayer, das sind im Schnitt sechs pro Tag. Es gebe nur drei Gründe, dass eine Anfrage für einen Einsatz abgelehnt werden müsse, sagt Renner: "Wenn das Wetter zu schlecht ist, bei Nebel zum Beispiel, wird es schwierig, oder wenn die Hubschrauber defekt sind und natürlich, wenn wir schon in einem anderen Einsatz gebunden sind. Sonst fliegen wir immer!" Die häufigsten Einsätze seien Vermisstensuchen, erzählt Mayer, sie machen ein Drittel der Aufträge aus.

Mit Spezialbrillen, die das Restlicht auffangen, können die Piloten auch nachts fliegen

Möglich sind Nachteinsätze durch die BIV-Brillen, welche die Besatzung nachts auf ihren Helmen trägt und bei Bedarf vor die Augen klappen kann. Die Technologie fängt das Restlicht auf und verstärkt dieses, so dass der Flug bei Dunkelheit möglich ist. Zusätzlich sind die acht Mehrzweckhelikopter des Typs H 135 P3 mit jeder Menge Spezialausrüstung ausgestattet. Drei Einsatzhubschrauber mit unterschiedlichen Konfigurationen stehen an den Standorten bereit: Eine Einsatzmaschine mit Rettungswinde, eine mit Wärmebildkamera und Suchscheinwerfer sowie ein Transporthubschrauber mit Lasthaken und medizinischer Ausrüstung. So können die fliegenden Beamten das breite Einsatzspektrum abdecken.

Regelmäßig werden die Hubschrauber von den eigenen Technikern komplett auseinander gebaut und durchlaufen die Wartung. Auch das ist sicherlich ein Grund für die lange unfallfreie Zeit. "Über dreißig Jahre sind es jetzt", betont Thomas Renner stolz. Um auch in Zukunft immer wieder sicher zu landen, müssen die Beamten regelmäßig trainieren, üben Notverfahren im Flugsimulator und machen zusätzlich etwa 500 Aus- und Fortbildungsflüge pro Jahr. Da sei dann auch sicherlich die ein oder andere Übung dabei, die Anwohner störe, aber für Echteinsätze müsse in vergleichbarem Raum, auch in der Stadt oder bei Dunkelheit, trainiert werden, erklärt Polizeioberrat Renner. Proteste gebe es immer und überall, die Beschwerden hielten sich allerdings in Grenzen, berichtet Polizeidirektor Walzik und lobt weiter: "Wir haben grundsätzlich ein gutes Verhältnis mit den Bürgern in Bayern."

Besonders anspruchsvoll sind Nachtflüge im Gebirge

Zu den anspruchsvollsten und trainingsintensivsten Aufgaben gehören Flüge im Gebirge, auch in der Nacht. "Wir kooperieren bei der Bergrettung mit der Bergwacht und Alpingruppen der Polizei", erklärt Michael Mayer. Immer wieder müssten Wanderer, die sich verstiegen haben, mit der Winde geborgen werden. Auch für die Hubschrauberstaffel seien solche Einsätze, insbesondere in der Nacht, mit hohem Risiko verbunden, deshalb appelliere er an die Leute, sich nicht in Gefahr zu bringen und stets rechtzeitig den Rückweg anzutreten.

Besonders seien auch Einsätze bei Großlagen wie dem Amoklauf in München im Juli 2016, bei dem die fliegenden Polizisten mit den ersten Kräften vor Ort waren. In solchen Situationen arbeitet die Hubschrauberstaffel erfolgreich mit Spezialeinheiten der Polizei wie dem SEK zusammen, erklärt Mayer. Auch bei Hochwasser und Waldbränden kommt die Polizeihubschrauberstaffel zum Einsatz, dann meist mit der Feuerwehr und anderen Rettungskräften. Bei großen Ereignissen wie dem G -7-Gipfel in Elmau oder beim G 20 in Hamburg sind die bayerischen Flieger natürlich genauso vertreten.

Für die Zukunft wünschen sich Joachim Walzik, Thomas Renner und Michael Mayer, weiterhin auf der Höhe der Technik zu bleiben, immer sichere Starts und Landungen sowie genügend qualifizierten Nachwuchs. Denn die Hubschrauberstaffel hat mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. "Fliegen ist schön, aber man kriegt's nicht geschenkt", sagt Renner. Viele Bewerber seien durch das anspruchsvolle Auswahlverfahren ausgeschieden, bedauert Walzik.

Doch wer den harten Weg auf sich nimmt und die Hürden meistert, bekommt als Belohnung irgendwann aus dem Cockpit einen atemberaubenden Sonnenuntergang über den Berggipfeln und einen von Sternen hell erleuchteten Nachthimmel zu sehen. Für die Beamten der Hubschrauberstaffel ist das Fliegen der Traumberuf. Die schönsten Momente? Jeder erfolgreiche Einsatz, bei dem sie Mitmenschen helfen konnten.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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