Flüchtlinge und ihr Alltag:"Die Würde des Menschen ist unantastbar - das gilt nicht nur für Deutsche"

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Klaus Reichel, ein ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer, möchte mit seinen Fotos den Menschen hinter Begriffen wie Bleibeberecht und Fehlbeleger "ein Gesicht geben". (Foto: Marco Einfeldt)

Klaus Reichel hat Asylbewerber in ihrem Alltag fotografiert - um sie als Menschen zu zeigen.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Es gibt wohl kaum etwas, das hierzulande in der Öffentlichkeit, der Politik und den Medien in jüngster Vergangenheit so oft rauf und runterdiskutiert worden ist wie das Thema Asyl. Und dabei sei, nicht zuletzt seitens staatlicher Behörden, "immer von Begriffen die Rede wie Bleiberecht, Migration, Fehlbeleger, Asylrecht", sagt Klaus Reichel: "Aber so gut wie nie geht es um die Menschen."

Und genau daran wollte der Moosburger, der seit eineinhalb Jahren im örtlichen Helferkreis Asyl ehrenamtlich tätig ist, etwas ändern. "Ich wollte diese Menschen aus ihrer Anonymität herausholen", sagt er. Deshalb begann er zu Beginn dieses Jahres damit, Fotos von in Moosburg lebenden Asylbewerbern zu machen. In der Begegnungsstätte des sozialen Tante-Emma-Ladens an der Bahnhofstraße 6, dessen Stellvertretender Vorsitzender Reichel ist, waren diese Bilder bis zum 10.Dezember in einer Ausstellung zu sehen, zu der auch die Flüchtlingshelferin Susanne Carus einige Porträts beigesteuert hat.

Motiviert hat Klaus Reichel zu seinem Engagement die Leitidee von Reinhard Kastorff. Der war im Landkreis der Vorreiter in Sachen Flüchtlingsarbeit und ist bis heute so etwas wie der "Godfather" der regionalen Asylhelfer-Szene. Von Kastorff stammt der Satz: "Wir haben sie nicht geholt. Aber jetzt, wo sie da sind, wollen wir sie menschenwürdig behandeln." Und genau darum geht es auch Klaus Reichel, der sich dabei auf den Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes beruft. "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und das gilt nicht nur für Deutsche", sagt er.

Das Landratsamt, rät keine zu große Nähe entstehen zu lassen

Bei der Arbeit mit Flüchtlingen "rät das Landratsamt, keine zu große Nähe entstehen zu lassen", sagt der ehrenamtlicher Asylhelfer. Aber: "Das geht nicht." Schon beim ersten Kontakt sehe man "zu allererst den Menschen mit all seinen traumatischen Fluchterfahrungen, den Anfangskrankheiten und der Perspektivlosigkeit", berichtet er aus seiner eigenen Erfahrung aus der Flüchtlingsarbeit. "Helfen ohne Empathie", davon ist Klaus Reichel überzeugt, "das geht nicht".

Beim Kochen, Ratschen oder Waschen - Klaus Reichel hat den Alltag der Asylbewerber festgehalten. Susanne Carus hat Porträtfotos beigesteuert. (Foto: Marco Einfeldt)

Hinter all den teilweise tragischen Schicksalen stecken "in erster Linie Menschen wie Du und ich, mit allen Charaktereigenschaften, die Menschen so haben", betont Reichel. Mit seinen Bildern möchte der Moosburger Flüchtlingshelfer das noch mal ins Bewusstsein der Leute rücken.

Angefangen hat alles mit einer Neujahrsfeier von afghanischen Asylbewerbern

So habe er irgendwann damit begonnen, Fotos von den Asylbewerbern zu machen. "Natürlich mit Einwilligung der Betroffenen", sagt er. Die Bilder sollen die Flüchtlinge bei dem zeigen, was sie im Alltag so machen. Die Motive "sind aus dem Leben gegriffen". Angefangen hat etwa alles mit einer Neujahrsfeier von afghanischen Asylbewerbern in dem Gasthaus Schnaitl in Wang. Dort machte Reichel seine ersten Fotos. Es folgten viele weitere. Sie zeigen die Flüchtlinge etwa beim Deutschunterricht, Radfahren oder Verrichten von Reparaturarbeiten. Insgesamt 95 Bilder kamen so zusammen, die Reichel dann zu einer Ausstellung zusammenfasste. "Dazwischen sind auch ein Paar sehr schöne Porträts von Susanne Carus", sagt der Flüchtlingshelfer. Aber egal ob "Actionbild" oder Porträtfoto. Sie alle haben das eine Ziel, sie wollen "den Menschen ein Gesicht geben".

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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