Freiham/Aubing:Japanische Verhältnisse

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Endstation Laimer Platz: Aubinger Lokalpolitiker wollen jedoch, dass die U 5 bis Freiham verlängert wird, dem Ergebnis eines Gutachtens zum Trotz. (Foto: Robert Haas)

Für Aubinger Lokalpolitiker ist eine Bebauung Freihams ohne direkte Anbindung an die U-Bahn undenkbar

Von Ellen Draxel, Freiham/Aubing

Johann Sauerer kommt sich vor wie bei einem Déjà-vu. Vor 25 Jahren, erzählt der CSU-Stadtrat, habe man in München diskutiert, ob der Autobahnring A 99 im Westen ausgebaut werden soll oder ob doch vielleicht eine Bundesstraße ausreicht. "Wo wären wir heute, wenn es die Autobahn und den Aubinger Tunnel nicht gäbe?" Ähnlich erlebe er jetzt die Debatte um eine Verlängerung der U 5 bis Freiham. "Der Münchner Westen", betont der Lokalpolitiker aus dem Westkreuz, "ist eine der am stärksten wachsenden Regionen des Landes". Eine Bebauung Freihams ohne direkte Anbindung des neuen Stadtteils an eine U-Bahn - dieses Szenario ist für Aubings Bürgervertreter undenkbar.

Fraktionsübergreifend formiert sich deshalb gerade der Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied: Die Lokalpolitiker wollen die Verlängerung der U 5 bis Freiham, dem Ergebnis eines Gutachtens mit negativer Kostenbilanz zum Trotz. Um staatliche Fördermittel zur Erschließung Freihams zu generieren, haben das Planungsreferat und die Stadtwerke eine systemvergleichende Untersuchung von Tram und U-Bahn in Auftrag gegeben. Für die Tramstrecke zwischen Pasing und Freiham rechnen die Planer mit Investitionen in Höhe von rund 53 Millionen Euro. Die Kosten für die U-Bahn-Trasse liegen bei etwa 485 Millionen Euro. "Wirtschaftlich gesehen rechnet sich die U-Bahn also nicht", erklärte Georg Dunkel von der Verkehrsplanung im Planungsreferat jetzt den Mitgliedern der Unterausschüsse Verkehr und Planen im Stadtteilgremium in einer gemeinsamen Sitzung vor.

Zwar wäre eine U-Bahn "deutlich schneller" und würde im Durchschnitt etwa 28 600 Fahrgäste täglich befördern, fast doppelt so viele wie die Straßenbahn. Und auch die S-Bahnen wären dann spürbar entlastet. "Aber wir sind an den Kosten-Nutzen-Faktor gebunden und mussten dem Stadtrat daher empfehlen, den Bau der Tram weiterzuverfolgen."

Für die Lokalpolitiker ist die Frage U-Bahn versus Straßenbahn jedoch eine politische. "Dass die Tram viel günstiger ist, war von vornherein klar", meint Karin Binsteiner (Grüne). Entscheidend seien die unbestrittenen verkehrlichen Vorteile einer U-Bahn. Die S-Bahnen S 4 und S 8, die Gutachter Stefan Böttcher von Intraplan Consult in Kombination mit diversen Buslinien als nahezu ausreichende Basiserschließung wertet, seien bereits heute "proppenvoll", wenn sie im Viertel ankämen, sagt Sauerer. "Wir haben fast schon japanische Verhältnisse", bestätigt SPD-Sprecher Thomas Hampel. "Eine in Freiham bereitgestellte U-Bahn hingegen wäre komplett leer." Böttcher indes hat eine Auslastung von 65 Prozent bei der S 8 und von nur 60 Prozent bei der S 4 errechnet - zum Erstaunen der Stadtteilvertreter.

Dass die Studie, basierend auf Zahlen vom Sommer 2016, noch von rund 20 000 Bewohnern für Freiham ausgeht, ist aus Sicht der Lokalpolitiker ein weiteres, entscheidendes Manko. Mittlerweile sei bereits die Rede von bis zu 30 000 Menschen im neuen Stadtteil. Sabine Steger vom Planungsreferat relativiert diese Zahl zwar auf eher 25 000 Einwohner. "Aber natürlich", ergänzt sie, "hat Freiham auch Nachverdichtungspotenzial." Wichtig sei es daher, sich die Chance auf eine U-Bahn auf keinen Fall zu verbauen.

Für Verkehrsplaner Georg Dunkel hat vor einer Verlängerung der U 5 nach Freiham aber der Bau der U 9 Priorität. "Wir brauchen jede Verbesserung im öffentlichen Nahverkehr, das ist richtig. Aber die U-Bahn muss vor allem innerstädtisch optimiert werden." Eine Zusatzentlastung zur Nord-Süd-Linie U 3/U 6 sei deshalb unabdingbar. Zum Einwurf Karin Binsteiners, für die U 9 sei man bereit, 1,5 Milliarden Euro hinzublättern, aber die knapp 500 Millionen für die U 5 seien es nicht wert, ausgegeben zu werden, erklärt er: "Das System muss auch im Kern funktionieren, wollen wir keinen Kollaps." Im Übrigen stünden die Kosten für die U 9 noch nicht fest.

Der Bezirksausschuss, gibt Stadtrat Sauerer zu bedenken, habe wegen der kritischen Verkehrserschließung bereits beim ersten Realisierungsabschnitt von Freiham-Nord mit sich gerungen. Inzwischen sei es immerhin gelungen, die Bevölkerung positiv auf den neuen Stadtteil einzustimmen. "Wir werden uns aber sehr schwertun, den zweiten Realisierungsabschnitt zu unterstützen, wenn diese U-Bahn nicht kommt. Denn hier geht es um die Lebensqualität." Sauerers Vorschlag: zwei der drei Haltestellen der U 5, am Westkreuz und an der Riesenburgstraße, zu streichen. Diese Ecken seien gut mit Bussen erreichbar. Lediglich am Paul-Ottmann-Zentrum solle die U-Bahn zwischen Pasing und Freiham stoppen. "Mit zwei Bahnhöfen weniger wäre die U-Bahn dann auch billiger."

Die schriftliche Stellungnahme des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied zum Gutachten wird im August erwartet.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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