Flüchtlinge in Bayern:Im Notfall in die Turnhalle

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Im Gewerbegebiet Indersdorf dient Asylbewerbern eine stillgelegte Tennishalle als Unterkunft - ohne Privatsphäre. (Foto: DAH)

Die Zustände in der Bayernkaserne sind chaotisch. Weil die Erstaufnahmeeinrichtung in München überfüllt ist, wächst der Druck auf die Landkreise. Doch die tun sich schon jetzt schwer, ausreichend Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden. Das Problem wird sich jetzt drastisch verschärfen - ein Überblick.

Dachau

Etwa 500 Flüchtlinge sollen heuer noch im Landkreis unterkommen. Dabei ist die Lage schon jetzt prekär: In Markt Indersdorf hausen etwa 30 Asylbewerber unter unzumutbaren Bedingungen in einer Tennishalle, die zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert wurde. Im Sommer sollen sie in Wohnmodule oder Container umziehen, die am Rande des Gewerbegebiets aufgestellt werden. Insgesamt 300 Asylbewerber sind bereits im Landkreis untergebracht. Sie leben vorwiegend in Containern, vereinzelt auch in Immobilien, die Bürger dem Landkreis zur Verfügung gestellt haben. "Wir wollen so schnell wie möglich weitere Kapazitäten schaffen", kündigt Thomas Hillmeier an, der im Landratsamt für die Unterbringung der Asylbewerber zuständig ist. Der Landkreis setzt dabei weiterhin auf Containeranlagen. "Wir arbeiten fieberhaft an neuen Unterkünften", heißt es.

Fürstenfeldbruck

Alle zur Verfügung stehenden Quartiere für Flüchtlinge sind derzeit belegt, es steht kein einziges freies Bett mehr zur Verfügung. Wenn jetzt neue Flüchtlinge zugewiesen werden, sagt Landrat Thomas Karmasin (CSU), bleibe nichts anderes übrig, als Schulturnhallen zu belegen. Das hatte Karmasin bereits im Herbst angekündigt, falls der Zustrom von Flüchtlingen anhalten sollte. Die Zahl der Asylbewerber ist in diesem Frühjahr auf 381 gestiegen, das Landratsamt geht davon aus, dass der Landkreis bis Jahresende insgesamt 800 Flüchtlinge beherbergen muss. Langfristig könne die Zahl der Betten zwar erhöht werden, aber kurzfristig sei das nicht möglich. In Fürstenfeldbruck ist der Bau eines Flüchtlingsheimes in Planung, zudem hat der Landkreis zwei größere Anwesen gefunden, die in den nächsten Monaten um- oder ausgebaut werden müssen. Langfristig würde der Platz also für etwa 500 Flüchtlinge reichen. Auch die Nutzung freier Gebäude im Fliegerhorst war als Notquartier in Erwägung gezogen, aber wegen des Neins der Bundeswehr verworfen worden.

Wolfratshausen-Bad Tölz

In Wolfratshausen hat die Sozialhilfeverwaltung hat einen eigenen Fachbereich für die Betreuung der Asylsuchenden mit Genehmigung des Kreistags geschaffen. "Wir werden nicht drumrumkommen, weiter in diesen Bereich zu investieren", sagt Thomas Bigl von der Sozialhilfeverwaltung. "Das ist ironisch gesagt unser Wachstumsmarkt." 335 Asylbewerber leben im Landkreis, 500 sollen es bis Jahresende sein. Neben einer Großunterkunft in Geretsried sind die Flüchtlinge in 43 Wohnungen und Häusern untergebracht, bei dieser Mischform will das Landratsamt bleiben. In den Neunzigerjahren während des Jugoslawienkrieges musste der Landkreis übrigens noch größere Anstrengungen unternehmen, damals lebten dort knapp 1000 Asylsuchende.

Erding

Am schlechtesten haben es 40 Männer erwischt, die in vier alten Klassenzimmer-Containern hinter einem Erdinger Gymnasium hausen. Zehn Mann müssen in einem Raum schlafen, die Sanitäreinrichtungen und die kleine Küche sind erst nach einem Gang durchs Freie zu erreichen. Das Landratsamt tut sich ungemein schwer, überhaupt noch Unterkünfte für die rund 260 Flüchtlinge anzumieten. Aktuell wird eine Containerunterkunft in Dorfen geplant. Der Standort direkt neben Bundesstraße und Gleisen wird von vielen aber als unzumutbar kritisiert. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) sieht dennoch keine Alternative: Immerhin wird jetzt nachgebessert, die Flüchtlinge müssen nicht durch Regen oder Schnee zu den Toiletten gehen.

Asylbewerber in Bayern
:Herbergssuche 2014

Null freie Betten: Die Flüchtlingsunterkünfte in Bayern sind voll. Bis zu 30.000 Asylbewerber werden in diesem Jahr aber noch erwartet. Und täglich treffen mehr als 100 weitere Menschen ein.

Von Katja Auer

Landkreis München

Zelte will Landrat Christoph Göbel (CSU) im Landkreis München zwar nicht aufstellen, den Notfallplan für die Belegung von Turnhallen hat er aber in der Schublade. Bevor es so weit kommt, sollen in den 29 Kommunen jedoch alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Zimmer in Hotels und Gasthäusern angemietet werden. Denkbar seien auch weitere Containeranlagen. Fast 700 Asylbewerber leben derzeit im Landkreis, ein Großteil von ihnen ist dezentral untergebracht. Dem Verteilungsschlüssel nach müsste der Landkreis bis Ende 2014 noch Plätze für weitere 500 Asylbewerber schaffen. Kurzfristig noch mehr Flüchtlinge unterzubringen, sei zwar eine "gewaltige Herausforderung", sagt Göbel, es sei aber "keine Last, sondern eine Bürgerpflicht, die wir mit Optimismus angehen sollten". Schließlich seien die Asylbewerber trotz organisatorischer Herausforderungen "eine Bereicherung für den Landkreis". Die Regierung müsse sich aber dringend darüber Gedanken machen, wie beispielsweise die Gesundheitsuntersuchungen organisiert werden. Bisher habe der Landkreis dazu überhaupt keine Informationen erhalten, kritisiert er.

Freising

Seit mehr als zwei Jahren ist man im Landratsamt auf der Suche nach Unterkünften für die derzeit 421 Flüchtlinge, deren Zahl bis Ende des Jahres vermutlich auf bis zu 700 steigen wird. Größere Unterkünfte zu finden, ist schwierig, alle Versuche, Container aufzustellen, sind gescheitert. Moosburg bot dafür zunächst eine Fläche in ihrem Gewerbegebiet an, machte nach zahlreichen Protesten jedoch einen Rückzieher. Die Flüchtlinge sollten nicht an den Stadtrand abgeschoben werden, kritisierten die Gegner. Das Verwaltungsgericht München gab ihnen nachträglich recht - Lärm und Staub der Gewerbebetriebe seien nicht zumutbar. Einen Standort in Freising lehnte die Regierung ab, weil die Erschließung zu aufwendig wäre. In Neufahrn prüft ein Architekturbüro gerade ein Areal, auch dort gibt es bereits Bürgerproteste. Im Landratsamt liegt ein Notfallplan in der Schublade. Wenn es gar nicht mehr anders geht, müssen die Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden.

Ebersberg

Noch ist die Not nicht so groß wie vor gut zwei Jahren: Damals hatte das Rote Kreuz schon die Feldbetten vorbereitet, die für Asylbewerber in der Turnhalle der Ebersberger Realschule aufgestellt werden sollten. Im letzten Moment konnte damals diese Lösung abgewendet werden, und heute "können wir die Asylbewerber, die uns zugewiesen werden, gut unterbringen", sagt Norbert Neugebauer, Sprecher des Landratsamts. Weil in den vergangenen Monaten etliche neue Unterkünfte gefunden wurden, konnten sogar die Wohncontainer am Grafinger Gymnasium wieder abgebaut werden. Derzeit sind in den Asylbewerberunterkünften im Landkreis 266 Menschen untergebracht, 60 davon sind anerkannt oder geduldet - doch weil es für sie so immens schwierig ist, im Ballungsraum München günstige Wohnungen zu finden, können sie meist etwas länger in den Unterkünften bleiben.

Starnberg

Im Landkreis Starnberg sind aktuell 270 Asylbewerber untergebrach, das sind zirka 85 Prozent seines Solls. Bis Ende des Jahres muss das Fünfseenland Wohnraum für 510 Flüchtlinge zur Verfügung stellen - und steht somit mächtig unter Druck. Der Landkreis sucht deshalb ständig weiter nach leerstehenden Häusern und Wohnungen und steht mit allen Kommunen in Kontakt. "Bei uns im Landkreis wird die dezentrale Unterbringung favorisiert", sagt Stefan Diebl, Sprecher des Landratsamts. Das habe sich als positiv für die Integration der Asylsuchenden und ihrer Kinder erwiesen. Auch nach geeigneten Grundstücken hält das Team von der Kreisbehörde Ausschau, um notfalls mobile Lösungern anbieten zu können. Im Klartext bedeutet das: Es sollen dann Container aufgestellt werden, doch diesen Begriff will man nicht benützen. Er klingt zu negativ.

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