Feuer in der Dachauer Straße:Drei Tote, vier verschwundene Zeugen - und ein Verdacht

Lesezeit: 3 min

Drei Menschen kamen bei dem Brand in der Dachauer Straße ums Leben. (Foto: dpa)
  • Beim tödlichen Brand in der Dachauer Straße sollen vier Männer aus dem Haus gelaufen sein. Nun sucht die Münchner Polizei nach den vier Unbekannten.
  • Außerdem hat das Landeskriminalamt eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder zur Aufklärung des Falls führen.
  • Hinweise werden unter 089/2910-0 angenommen.

Von Martin Bernstein

Drei Menschen, ein 37-jähriger Familienvater aus Bulgarien und dessen 16 und neun Jahre alte Töchter, sind beim Brand eines fünfstöckigen Hauses am 2. November an der Dachauer Straße 24 ums Leben gekommen. Sie starben an Rauchvergiftungen und Hitzeeinwirkung, als sie aus ihrem Apartment im ausgebauten Dachgeschoss flüchten wollten.

Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass das tödliche Feuer das Werk eines oder mehrerer Brandstifter war. Das Landeskriminalamt hat eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder zur Aufklärung des Falls führen. Die Münchner Polizei sucht vier Männer, die sich zur Tatzeit am oder im Haus aufgehalten haben.

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Der Vermieter soll sie zur Aufhebung der Mietverträge gedrängt haben. Das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" bereitet eine Anzeige wegen Mietwuchers vor.

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Unmittelbarer nach ihrer Rettung hatten mehrere Bewohner berichtet, vier ihnen unbekannte Männer seien aus dem Haus gerannt. Einer von ihnen habe einen Koffer oder eine Tasche dabei gehabt. Tatsächlich liegt der Polizei die Aufnahme einer Überwachungskamera vor, die vier Männer auf dem Gehweg der Dachauer Straße zeigt. Die Aufnahme entstand zehn Minuten bevor das Feuer entdeckt wurde.

Die vier Männer, die derzeit als wichtige Zeugen gesucht werden, gingen in nördliche Richtung. Sie waren mit grauen oder dunklen Jacken bekleidet. Eine der Jacken hat einen hellen Querstreifen in Brusthöhe, eine andere einen auffälligen Kragen, möglicherweise einen Fellbesatz. Einer der Männer trug zwei große helle Tüten, ein weiterer hatte einen großen blauen Wäsche- oder Seesack über der Schulter. Die Ermittler vom Kommissariat 13 der Kriminalpolizei (Telefon 089/2910-0) haben außerdem Fahndungsplakate auf Deutsch, Türkisch und Bulgarisch veröffentlicht.

Das Feuer, das im Treppenhaus gelegt worden war, hatte den Dachstuhl bereits erreicht, als es der Feuerwehr in letzter Sekunde gelang, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Der Mann aus Bulgarien und seine beiden Töchter wurden offenbar von einer plötzlichen Ausbreitung der Flammen auf dem Flur überrascht, der die Apartments mit dem Treppenhaus verband. Brandherd war nach Erkenntnissen der Ermittlungsgruppe "Dachau" eine Matratze, deren metallene Sprungfedern die Brandfahnder im Treppenhaus fanden.

Hauseigentümer Johann Hölzl glaubt, diese Matratze sei absichtlich nach oben gezogen worden. Erst vom zweiten Stock an ist das Treppenhaus aus Holz. Hölzl zeigt sich ratlos. "Ich weiß keinen, der mir so etwas antun würde", sagt er. Die Kriminalpolizei ermittelt derzeit wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Einschlägig ist dafür Paragraf 306c des Strafgesetzbuchs. Dort heißt es: "Verursacht der Täter durch eine Brandstiftung ... wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren."

In dem Haus, in dem viele Arbeiter aus Bulgarien und Rumänien lebten, hatte es vor zwei und vor vier Jahren bereits zweimal gebrannt. Einmal brannte ein Zeitungsstapel. Das andere Mal eine Matratze. Florian Weinzierl, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, sagt, es werde "vollumfänglich ermittelt, ob ein strafbares Verhalten gegeben ist. Eine Beurteilung kann erst nach Abschluss der Ermittlungen erfolgen".

Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Das ist nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft München I noch offen. Ein technischer Defekt kann aber so gut wie sicher ausgeschlossen werden. Das Vordergebäude des Anwesens wurde vom zweiten Stock an durch die Flammen in Mitleidenschaft gezogen. Nach neuesten Erkenntnissen der Polizei hatten zur Brandzeit 44 Personen als Mieter oder Besucher einen erkennbaren Bezug zum Vorderhaus. 37 von ihnen hielten sich um 1.50 Uhr in dem Gebäude auf, darunter acht Kinder und Jugendliche im Alter zwischen drei und 16 Jahren.

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"Die Wohnverhältnisse dort sind sehr unübersichtlich", sagte Leitender Kriminaldirektor Frank Hellwig am Tag nach dem Brand. Nach Aussagen von Bewohnern und Nachbarn herrschte ein großes Kommen und Gehen. Nach Auskunft des Hauseigentümers gab es in dem Haus neben Zimmern auch mehrere Apartments und Wohnungen. Außerdem sind zwei Büros im ersten Stock untergebracht. Eines davon gehört der Bäckerei-Familie Hölzl, die im Jahr 1932 die zweite Filiale des Familienbetriebs in dem Gebäude eröffnet hatte, das andere beherbergt eine Anwaltskanzlei. Das ehemalige Café im Parterre ist seit einigen Jahren ein Army-Shop. Noch immer firmiert im Internet die Dachauer Straße 24 als Firmensitz der Bäckerei. Der erste Stock des Gebäudes ist weiterhin frei zugänglich.

Die Stockwerke darüber sind nach Hölzls Angaben durch die Lokalbaukommission gesperrt worden. Einsturzgefährdet sei das vom Brand beschädigte Vordergebäude aber nicht. Ein Statiker habe das Haus bereits untersucht, sein Gutachten stehe noch aus, sagt der Eigentümer: "Wir gehen da keinerlei Risiko ein." Ein- bis eineinhalb Jahre werde es dauern, sagt Hölzl, ehe das Vorderhaus wieder bewohnbar sei. Und in dieser Zeit könne "sich viel ändern". Er habe deshalb den Mietern Aufhebungsverträge angeboten. Insbesondere die Bewohner der Zimmer hätten das gewollt. Viele der Bewohner sprechen indes kaum deutsch.

Menschen, die sich um sie kümmern, berichten, Mieter hätten sich "gedrängt" gefühlt, zu unterschreiben, als ihnen bereits zwei Tage nach der Brandkatastrophe die Vereinbarungen vorgelegt worden seien. Mit ihrer Unterschrift bestätigen die Mieter, dass das Mietverhältnis "im gegenseitigen Einvernehmen" und "mit sofortiger Wirkung" beendet werden solle, weil das Vordergebäude unbewohnbar sei. Viele Mieter unterschrieben offenbar. Andere lassen sich inzwischen anwaltlich vertreten. Hölzl sagt dagegen: "Wir zwingen niemanden." Wer seinen Mietvertrag behalten wolle, könne das tun.

Am Montag soll Anzeige wegen Mietwuchers gestellt werden. Das kündigte Maximilian Heisler vom "Bündnis bezahlbares Wohnen" an. Bewohner berichten, dass sie für zwölf Quadratmeter große Zimmer bis zu 550 Euro bezahlen mussten. "Wir haben korrekt vermietet", sagt dagegen Hauseigentümer Hölzl.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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