Feiern in München:Die Bilanz eines Isar-Sommers

Lesezeit: 3 min

  • Erstmals legt die Stadt eine umfassende Bilanz darüber vor, was im Sommer an der Isar los ist.
  • Manche Beschwerden von Anwohnern werden darin jedoch deutlich relativiert - gegen zu viel Lärm und Rauch fehlt den Behörden die Handhabe.

Von Jakob Wetzel, München

Zu laut und zu dreckig, stinkende Rauchschwaden von den Grills sowie Drogen: Die Klagen der Isar-Anwohner sind laut. Von Jahr zu Jahr werde es schlimmer mit den Feiernden und Grillenden am Fluss, von "Ballermann-Verhältnissen" sprechen sie, und um diese abzuwehren, hat sich im vergangenen Jahr gar ein eigener Verein gegründet. Aber sind die Zustände tatsächlich derart verheerend? Das städtische Baureferat hat nun erstmals die Bilanz eines Isar-Sommers vorgelegt, so lassen sich die Probleme am Fluss zumindest teilweise in Zahlen fassen.

In manchen Punkten ist diese Bilanz, die die CSU beantragt hatte, durchaus alarmierend: So sind laut Stadt im Sommer insgesamt 150 Tonnen Müll am Isarufer liegen geblieben; ihn zu beseitigen, kostete 240 000 Euro. Pflanzen und Tiere leiden "selbstverständlich" unter den vielen Menschen. In den Sommermonaten seien einzelne Arten gefährdet.

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Manche Beschwerden dagegen spiegeln sich in der Bilanz nur eingeschränkt wider. Zwar scheine für die Anwohner die Situation "ein großes Problem darzustellen", schreibt das Kreisverwaltungsreferat (KVR). Anzeigen wegen Rauch, Müll oder Lärm seien im vergangenen Jahr aber "nur ganz vereinzelt" eingegangen. Das Baureferat wiederum listet 369 Verstöße gegen die Landschaftsschutzverordnung auf, die auch falsches Grillen und Lärm sanktioniert. Meist ging es dabei aber um Falschparker. So habe etwa alleine der von der Stadt engagierte private Wachdienst insgesamt 228 Verstöße gemeldet; fast immer waren Fahrzeuge verkehrt abgestellt worden, lediglich 22-mal ging es um Feuerstellen und Grillen an verbotenen Stellen, nur zweimal um Lärm. Künftig soll der Wachdienst noch häufiger an der Isar patrouillieren: nicht mehr nur bei schönem, sondern auch bei schlechtem Wetter, wie das Baureferat angeordnet hat. Denn da hätten sich zuletzt einige Griller unter die Brücken verzogen, was verboten ist.

Seit die Isar in der Stadt renaturiert wurde, ist sie als Ort für Partys spürbar populärer geworden. Doch die Zahl der Einsätze der Polizei steigt nicht unbedingt. Sie rückte von März bis einschließlich September 229-mal in den Isarauen aus - also trotz des heißen Sommers sogar geringfügig weniger oft als im Jahr zuvor (246). Dabei zählten die Beamten 128 Strafanzeigen (2014: 109 Anzeigen). In etwa einem Drittel der Fälle ging es um Körperverletzung. 37-mal klagte jemand, ihm sei beim Baden etwas aus der Kleidung gestohlen worden, in 24 Fällen gab es Anzeigen gegen Isar-Besucher wegen Drogen. Wegen Ruhestörung rückte die Polizei im Sommer 36-mal aus, um laute Musik etwa an der Reichenbachbrücke oder am Flaucher abzudrehen.

Das alles bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Klagen der Anwohner aus der Luft gegriffen sind. Vielmehr fehlt den Behörden bei Rauch- und Lärmbelästigung die Handhabe. So teilt die Polizei mit, Anwohner hätten sich zwar sehr wohl wegen "permanenter Rauchbelästigung" beschwert. Der Rauch sei aber fast ausschließlich von genehmigten Grillplätzen ausgegangen. Und ob er eine gesundheitliche Gefahr darstellt, kann das Referat für Gesundheit und Umwelt nicht sagen: Es lägen keine verlässlichen Zahlen vor, ob es an Tagen mit viel Grillfeuer vermehrt Atemwegsbeschwerden in der Umgebung gegeben habe. Und dafür, die Feinstaubbelastung fundiert beurteilen zu können, fehlten die nötigen Tages- und Jahresmittelwerte. Sie beschaffen will die Stadt indes nicht: Als Anwohner sie unlängst dazu aufforderten, die Feinstaubbelastung an der Isar zu messen, lehnte sie das ab mit dem Argument, das sei im Gesetz nicht vorgesehen.

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Schwer tut sich die Stadt auch mit den Klagen über Ruhestörung. Weil es um "verhaltensbezogenen Lärm" gehe, griffen die üblichen Schutzvorschriften nicht, erklärt das Umweltreferat. Man müsse jedes Mal ein eigenes Bußgeldverfahren vor Ort einleiten. Das sei angesichts der vielen, "die die Erholungsbereiche an der Isar nutzen, nicht praktikabel". Das KVR bekräftigt diese Einschätzung: Die Bußgeldstelle müssten jeweils die Personalien der Lärmverursacher aufnehmen, sie bräuchten die Tatzeit und den Ort, eine Beschreibung des Lärms sowie Zeugen. Aber: "Konkret wurden entsprechende Anzeigen bislang nie, sodass es diesbezüglich auch noch zu keinen Bußgeldverfahren gekommen ist."

Manches hat sich laut Bilanz auch zum Guten hin entwickelt: So registrierte die Polizei 2015 keinen Internet-Massenaufruf zu einer Isar-Feier mehr, anders als im Vorjahr. Und die Feiernden scheinen offener für die Nöte der Anwohner zu sein: Laut Polizei war die "Akzeptanz von polizeilichen Maßnahmen" in diesem Sommer "deutlich höher" als 2014. So habe es im vergangenen Jahr weniger Auseinandersetzungen zwischen Feiernden und Polizisten gegeben.

Und das erhöhte Brandrisiko, vor dem Rasem Baban, der Chef des Tierparks Hellabrunn, im Juli noch gewarnt hatte? Existiert laut KVR nicht. Es gebe keine Veranlassung, "aus brandschutztechnischen Gründen" an den ausgewiesenen Grillzonen etwas zu verändern.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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