Eon in München:Bye-bye, Bayern

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Die Unsicherheit ist groß: Was die Beschäftigten der Münchner Zentrale von Eon Energie von ihrer Konzernspitze zu hören bekamen, interpretieren sie als das Aus für den hiesigen Standort. Die Auswirkungen wären nicht nur für die etwa 400 betroffenen Mitarbeiter enorm.

Michael Tibudd

Der Termin war herbeigesehnt worden, entsprechend eng war es auf der Piazza, wie sie den lichtdurchfluteten Innenhof des Verwaltungsgebäudes an der Brienner Straße nennen. Seit bald zwei Wochen hatten die Mitarbeiter von Eon Energie in München auf Informationen von ihren obersten Chefs gewartet, an diesem Mittwochabend nun kam ein Großteil der 400 Beschäftigten zur Mitarbeiterversammlung zusammen.

Sie wollten hören, was Bernhard Reutersberg ihnen zu sagen hatte, der Mann aus dem Vorstand der Konzernzentrale, und die Arbeitsdirektorin Regine Stachelhaus, mit der er aus Düsseldorf angereist war. Von italienischem Flair war bald nichts mehr zu spüren auf der Piazza, als Reutersberg sprach. "Es herrschte eisiges Schweigen, totale Lähmung", so beschreibt Roman Braun die Stimmung.

Braun ist Vorsitzender des Betriebsrates der Eon Energie und somit erster Vertreter der Belegschaft. Und die musste aus den Worten von Reutersberg hören, dass die meisten sich demnächst einen neuen Job werden suchen müssen. Jedenfalls interpretiert das die Mehrheit genau so. "Das Deutschlandgeschäft muss nicht zwangsläufig in München laufen", sagte Reutersberg nach Darstellung von Betriebsrat Braun. Man könne dieses Geschäft "auch vom Großraum Düsseldorf aus machen".

Das ist keine völlig eindeutige Ansage, ebenso wie das, was tags drauf offiziell aus der Konzernzentrale zu erfahren ist: "Gegebenenfalls" könne es "zu einer räumlichen Verlagerung" kommen, was "den Standort München der Eon Energie in Frage stellen würde". Das allerdings seien nur Vorüberlegungen, "Entscheidungen hierzu sind nicht getroffen".

Reichlich verschwurbelte Aussagen also. Für die Mitarbeitervertreter aber Anlass genug, sich auf einen harten Kampf einzustellen. "Das wird auf unseren erbitterten Widerstand stoßen", kündigt jedenfalls Betriebsrat Braun an, der am heutigen Freitag nach Düsseldorf reist, wo sich der Konzernbetriebsrat zu einer außerordentlichen Sitzung trifft - schließlich wollen die Eon-Manager weltweit bis zu 11.000 Stellen streichen.

Die 400 Münchner müssten sich dabei eigentlich zumindest bis Ende 2012 sicher fühlen können, denn bis dahin gilt auf Basis eines Sozialtarifvertrags die Zusicherung, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. "Daran wollen sie sich aber offenbar nicht halten", sagt Betriebsrat Braun. Auch der zuständige Verdi-Sekretär Jürgen Feuchtmann befürchtet Kündigungen schon zuvor. Jedenfalls werde sich der Aufsichtsrat von Eon voraussichtlich im November mit der Angelegenheit befassen.

In München würde das Ende der Eon Energie aber nicht den völligen Rückzug des Konzerns aus der Landeshauptstadt bedeuten - dazu gibt es einfach zu viele Tochtergesellschaften des Konzerns, die an der Isar ihren Sitz haben oder zumindest einen Ableger betreiben. Letzteres gilt vor allem für Eon Bayern, deren Büros an der Arnulfstraße liegen. Die Firma mit Zentrale in Regensburg ist Betreiber des Eon-Stromnetzes im Freistaat und hat mit dem Kunden insofern zu tun, als ihre Mitarbeiter die Stromanschlüsse zu den Häusern legen und betreuen.

Größere Firmenkunden sind wiederum die Klientel von Eon Vertrieb Deutschland - deren rund 400 Mitarbeiter schließen von der Karlstraße aus tatsächlich Deals über Strommengen. An der Nymphenburger Straße sitzt Eon IT, der IT-Dienstleister des Konzerns. Die Tochter Climate & Renewables, die die Klimaschutzaktivitäten von Eon steuert, unterhält ebenfalls ein Büro in München.

Eine besondere Rolle spielt die Konzerntochter Eon Facility Management. Sie erledigt Servicedienstleistungen wie das Reinigen der Büroräume und Gebäude - und hat ihrerseits ein Tochterunternehmen, das in einem ganz anderen Geschäftsfeld aktiv ist: die Arena One GmbH, jene inzwischen sehr stattliche Gastronomiefirma, die 2005 zur Eröffnung der Allianz-Arena in Fröttmaning gegründet wurde, dort den Würstchen- und Getränkeverkauf übernahm und inzwischen einer der größten Caterer im Stadtgebiet ist. Arena One betreibt zum Beispiel auch das Drehrestaurant im Olympiaturm.

Eine reichlich komplizierte Struktur also, die auch jenseits der Münchner Stadtgrenzen nicht eben einfacher wird. Denn neben Eon Bayern gibt es im Freistaat als eigenständige Konzerntochter auch noch Eon Wasserkraft mit Sitz in Landshut. Die bayerischen Atomkraftwerke wiederum gehören zu Eon Kernkraft, diese Firma hat ihren Sitz in Hannover.

Akut bedroht von den insgesamt etwa 8000 Eon-Mitarbeitern in Bayern sind in der Tat vor allem jene 400 in München, die als Eon Energie AG vor nicht allzu langer Zeit noch das komplette Europageschäft strategisch steuerten und verwalten. Der Bedeutungsverlust begann vor knapp zwei Jahren, als zunehmend und scheibchenweise Aufgaben aus diesem Geschäft nach Düsseldorf verlagert wurden. Noch vor zwei Wochen hieß es, dass den Münchnern wenigstens das Deutschland-Geschäft erhalten bleiben solle - eine Aussicht, die nun sehr fraglich geworden ist.

Nicht nur, dass den Vorständen die Option Düsseldorf offensichtlich lieber ist. Bei der Mitarbeiterversammlung mussten sich die Beschäftigten auch anhören, dass sie, sollte es sie treffen, zum Wohl des Konzerns geopfert werden sollen. Jedenfalls sei von der "dramatischen Lage" des Gesamtunternehmens die Rede gewesen, berichtet der Betriebsrat. Ob es nun die Münchner treffe oder nicht: Man müsse "handeln, um andere zu retten".

Während sich Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) nicht einmischen will, drängt neben der SPD zumindest ein Münchner CSU-Bundestagsabgeordneter auf den Erhalt der Arbeitsplätze. "Der Eon-Standort München ist das energiepolitische Herz Bayerns, das nicht herausgerissen werden darf", sagt Johannes Singhammer. Er wolle das Gespräch sowohl mit dem Betriebsrat als auch mit der Unternehmensführung suchen. Auch die Stadt München will sich für den Erhalt der Arbeitsplätze stark machen, kündigte der stellvertretende Wirtschaftsreferent Kurt Kapp an.

© SZ vom 12.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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