Einschreibung:Wie sich Münchner Gymnasien auf das G 9 vorbereiten

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Im Luisengymnasium müssen Schüler von kommendem Schuljahr an keine schriftlichen Hausaufgaben mehr machen. (Foto: Florian Peljak)
  • In München ist die Zahl der Anmeldungen an Gymnasien deutlich gestiegen. 7,2 Prozent mehr Mädchen und Jungen haben sich für die fünften Klassen angemeldet als im Vorjahr.
  • Die größte Änderung ist die Rückkehr zum G 9, das bedeutet, dass sich der Unterricht entzerren wird und weniger Stunden am Nachmittag stattfinden.
  • An den städtischen Gymnasien will man dieses Potenzial aber nutzen und arbeitet zur Zeit Ganztagskonzepte aus, auch um Eltern Angebote zu machen.

Von Melanie Staudinger

Luitgard Vonbrunn verkündet die Sensation beinahe schon beiläufig. An sich, so sagt die Direktorin des Luisengymnasiums am Hauptbahnhof, ändere sich zum kommenden Schuljahr für ihre Schule nur wenig. Und fügt dann hinzu: "Es wird keine schriftlichen Hausaufgaben mehr geben." Wie gerne man diesen Satz doch als Schüler gehört hätte. Diese kleine Revolution ist zum einen möglich, weil das Luisengymnasium in den unteren Jahrgängen eine Ganztagsschule ist.

Montags, dienstags und donnerstags bleiben die Fünft- bis Siebtklässler bis 16.15 Uhr, am Mittwoch entscheiden sie selbst, wie lange sie an den Angeboten des Flexi-Nachmittags teilnehmen. Zum anderen aber feiert das neunjährige Gymnasium in diesem September offiziell seine Rückkehr. Es bringt weniger Nachmittagsunterricht mit sich. In Ganztagsschulen werden also Pflichtstunden frei, die anders gefüllt werden müssen.

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Am Luisengymnasium wird es in den fünften und sechsten Klassen eine Stunde Unterricht mehr pro Kernfach geben. "So können wir am Ende jeder Stunde zehn oder 15 Minuten Studierzeit einplanen", sagt Vonbrunn. Zeit, in der die Schüler Aufgaben lösen, die wiederum anschließend mit dem Lehrer besprochen werden. Hausaufgaben sind also Geschichte. Außer Vokabellernen oder Schulaufgabenvorbereitung erledigen die Kinder alles im Unterricht. Vor allem die Schüler, deren Eltern nicht helfen können, sollen profitieren. Ein Stück weit Bildungsgerechtigkeit.

Im kommenden Schuljahr kommt denn auch das G 9 zurück. Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) will die Umstellung nutzen. Schon Ende vergangenen Jahres kündigte sie eine Ganztagsoffensive an den 14 städtischen Gymnasien an. Während bayernweit die Zahl der Unterrichtsstunden am Nachmittag sinkt, sollen die kommunalen Schulen gerade mit Ganztagskonzepten bei den Eltern punkten. Offiziell beschlossen hat der Stadtrat das noch nicht. Die Schulleiter mussten aber in den vergangenen Wochen und Monaten eigene Ganztagskonzepte entwickeln und diese bei den Informationsabenden im Februar und März vorstellen.

Keine leichte Aufgabe: Denn auf der einen Seite sind viele Familien in der Stadt auf eine Betreuung nach dem regulären Unterricht angewiesen - weil die Mütter und Väter arbeiten und das Kind nicht alleine daheim sein soll. Bisher entschieden sie sich aber eher für den offenen Ganztag, also die klassische Halbtagsschule mit anschließender Betreuung. Die strikte Form der Ganztagsschule, in der die Schüler verpflichtend von Montag bis Donnerstag bis in den Nachmittag hinein in der Schule sind, mieden Eltern eher. Sie empfanden das Angebot als zu unflexibel, wenn das Kind auch noch Fußball spielen oder Klarinette lernen soll.

Teilgebundener Ganztag heißt die Zauberformel, die den Münchnern den rhythmisierten Ganztagsunterricht, bei dem sich Lern-, Erholungs- und Spielphasen abwechseln, schmackhaft machen sollen. In diesem System sind die Kinder an insgesamt zwei Nachmittagen verpflichtend in der Schule, die anderen Nachmittage können flexibel gebucht werden. Die Vorgabe aus dem Bildungsreferat hat nicht an allen Schulen Begeisterung ausgelöst. Denn nicht nur die Frage, ob sich genügend Kinder für ein solches Angebot finden, steht im Raum. Auch die Unterrichtsorganisation wird schwierig, wenn manche Schüler halbtags unterrichtet werden, andere wiederum im offenen Ganztag und wieder andere im teilgebundenen Ganztag. Und die G-8-Jahrgänge gibt es überdies noch.

Auch fehlen mancherorts Sport- und Freiflächen, um ausreichend Bewegungsangebote machen zu können. Und drittens ist die Finanzierung der zusätzlichen Lehrerstunden noch ungeklärt. Einen Teil der Mehrkosten muss die Stadt ohnehin selbst tragen, das hat der Stadtrat als "Münchner Weg" so beschlossen. Der sieht an städtischen Schulen extra Intensivierungsstunden vor, in der die Klasse geteilt wird, und Skill-Stunden, in der die Schüler das Lernen lernen. Darüber hinaus aber ist die Stadt sich mit dem Freistaat seit Jahren nicht einig, wer was bezahlen soll.

Immerhin: Die städtischen Gymnasien können ihre Ganztagskonzepte selbst gestalten und ihr Schulprofil besser herausarbeiten. Am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium in Milbertshofen zum Beispiel soll es "keine Zwei-Klassen-Gesellschaft" geben, wie Schulleiter Wolfgang Fladerer sagt. Daher werden alle Fünftklässler dienstags und donnerstags Nachmittagsunterricht bis 15.45 Uhr haben, davon an einem Tag Schwimmen oder Sport. Am Sophie-Scholl-Gymnasium am Luitpoldpark stehen vier Modelle zur Auswahl: Halbtagsschule, Pflichtunterricht plus Studierzeit, Pflichtunterricht plus Studierzeit und Nachmittagsbetreuung ohne Unterricht und neu jetzt der teilgebundene Ganztag.

Das Louise-Schroeder-Gymnasium in Untermenzing bietet am Nachmittag Studierzeiten und Neigungsgruppen an, für die, die den teilgebundenen Ganztag wählen. Im Bertolt-Brecht-Gymnasium für Mädchen in Pasing dürfen die Schülerinnen mitreden, was sie nachmittags machen. Es soll Deutsch-Förderung, Wahlunterricht und Übungsstunden geben. "Wenn Schülerinnen tun, was sie interessiert, ist die Motivation besser", sagt Direktorin Ingrid Warmbein.

Die 25 staatlichen Gymnasien in München setzen in der Mehrzahl weiter auf Pflichtunterricht mit einer anschließenden Betreuung, die in vielen Fällen von außerschulischen Partnern organisiert wird und von den Eltern tageweise gebucht werden kann. Das aber ist nicht überall so. Das Max-Planck-Gymnasium in Pasing zum Beispiel versucht in diesem Jahr erneut, eine Ganztagsklasse zu etablieren, was im laufenden Schuljahr mangels ausreichender Anmeldungen noch nicht gelungen ist.

München ist nicht nur in der Ganztagsbildung ein Sonderling im Freistaat. Hier rechnen Experten auch nicht damit, dass das G 9 den Andrang an die Gymnasien nennenswert erhöhen wird. Denn in München und dem Umland sind die Übertrittsquoten, anders als in ländlichen Gebieten, ohnehin schon hoch. Mehr als die Hälfte aller Viertklässler wechselt nach der Grundschule auf ein Gymnasium - recht viel mehr geht kaum mehr.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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