SZ-Adventskalender:Schlafplatz auf der Obstkiste

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Peter M. leidet an Depressionen und einer spastischen Behinderung. Als er ein neues Bett braucht, wird das Geld knapp

Von Carolin Schneider, Forstinning

Mit einer Krücke in der rechten Hand kommt Peter M. an die Tür seiner Einzimmerwohnung im Dachgeschoss gehumpelt. "Hab mir meinen Fuß verknackst", erklärt er und fügt dann hinzu: "Das passiert so Leuten wie mir leider oft." Leute wie er - damit meint Peter M., der eigentlich anders heißt, die Menschen die an Spastik leiden. Schon sein ganzes Leben lang muss er damit klarkommen, ein Sauerstoffmangel während der Geburt löste die Behinderung aus. Doch damit nicht genug: Dazu kamen psychische Probleme.

Peter M. studierte gerade an der Hochschule für Politik in München. "Ich war kein schlechter Student", so M., Politikwissenschaften hätten ihm viel Freude bereitet. Doch im vierten Semester war Schluss, mit 27 Jahren bekam Peter M. seine erste Depression. Er wusste nicht, was mit ihm passiert und wie er mit dieser Krankheit umgehen soll. Auf der Höhe der Depression schrieb der Student noch eine Klausur - "Ich habe zwar bestanden, aber das war meine schlechteste Klausur", sagt M. Dann ein Suizidversuch, der misslang. "Zum Glück", sagt M. heute. Das Studium musste er aufgeben, aber dank Medikamenten ging es ihm seither nie "gefährlich schlecht". Dennoch war er zweimal in der Psychiatrie. Das letzte Mal vor zehn Jahren. "Da habe ich mich selbst eingeliefert", sagt der Mann. "Ich wusste einfach, dass jemand auf mich aufpassen muss."

Schwer ist es ihm gefallen, zu akzeptieren, dass er kein Vollgas mehr geben kann. Der Forstinninger ist erst 50 Jahre alt, fühlt sich nach eigenen Angaben jedoch schon wie weit über 70. Auch die grauen Locken und das faltenüberzogene Gesicht scheinen von einem langen Leben zu zeugen. Peter M. lebt von der Erwerbsminderungsrente und bekommt zusätzlich Aufstockungen vom Landratsamt. Deshalb darf er nicht mehr als 1600 Euro Vermögen haben, sonst würden die Leistungen gekürzt. Das macht es aber schwer, für eine größere Anschaffung zu sparen.

Dies wurde zum Problem, als ein neues Bett hermusste. Immer wieder zögerte Peter M. es hinaus, ein neues Bett kaufen zu müssen. Mit Kabelbinder zerrte er den Rahmen zusammen, musste schließlich Obstkisten unterstellen, damit es nicht zusammenkracht. "Natürlich ist das irgendwann dann doch passiert - und zwar nachts um 3 Uhr", erzählt M. Alles basteln nützte nichts mehr: Ein neues Bett musste her. Glücklicherweise fand M. ein gebrauchtes, etwas anderes konnte er sich nicht leisten. Zufrieden ist er aber trotzdem: Immerhin seien alle Schrauben fest, die Gefahr eines nächtlichen Zusammenbruchs ist vorerst gebannt. Doch ob er die Rechnung für die zwei Männer, die das alte Bett entsorgten und das neue aufbauten, bezahlen kann? Peter M. ist sich nicht sicher, aber er hofft nun, dass er das irgendwie hinbekommt, spätestens wenn die Rechnung dann eintrudelt.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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