Gesellschaftsunterricht für Flüchtlinge:"Ich hatte das Gefühl, das kannten sie schon"

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Tobias Vorburg merkt, wenn ihm der Job zu viel wird: "Ich schlafe schlechter, bin grantiger." Dann ist es Zeit für ein paar Urlaubstage. (Foto: Christian Endt)

Der Markt Schwabener Aktivkreis Flüchtlinge um Leiter Tobias Vorburg hat auf Ängste aus der Bevölkerung reagiert und mit Asylbewerbern über die Rolle der Frau gesprochen. Nun soll der Unterricht ausgebaut werden.

Von Isabel Meixner

Muss sie jetzt Angst um ihre 16-jährige Tochter haben? Fragen wie diese einer Mutter Anfang Oktober, als Asylbewerber in die Dreifachturnhalle des Franz-Marc-Gymnasiums einquartiert wurden, gibt es nicht nur in der Markt Schwabener Bevölkerung immer wieder. Der Aktivkreis Flüchtlinge um Tobias Vorburg (Foto: Endt), der gemeinsam mit Joachim Weikel den ehrenamtlichen Helferkreis leitet, hat auch aus diesem Grund einen Gesellschaftsunterricht für Flüchtlinge abgehalten. Inhaltlich ging es darum, anhand wichtiger Artikel im Grundgesetz zu verdeutlichen, nach welchen Gepflogenheiten, Werten und Normen das Zusammenleben in Deutschland geregelt ist.

SZ: Sie haben einigen Flüchtlingen eine Art "Gesellschaftsunterricht" gegeben. Aus einem gewissen Anlass heraus?

Tobias Vorburg: Nein, überhaupt nicht aufgrund von irgendwelchen Vorkommnissen. Die Idee ist im Aktivkreis entstanden, weil wir den Flüchtlingen etwas an die Hand geben wollten, das ihnen den Start hier erleichtert und ihre Integration hier fördert. Auch gab es, etwa bei der Infoveranstaltung im Gymnasium, kritische Stimmen aus der Bürgerschaft. Die wollten wir ernst nehmen.

Was haben Sie den Flüchtlingen denn erzählt?

Inhaltlich ging es darum, anhand des Grundgesetzes zu zeigen, welche Werte und Normen in Deutschland gelten. Auch die Stellung der Frau in der Gesellschaft war Thema. Wir haben erklärt, dass die Frau in Deutschland die gleichen Rechte hat wie ein Mann, dass Frauen alleine ausgehen dürfen, ihren Beruf frei wählen können und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. Und auch, dass ein Lächeln nicht als einladende Geste interpretiert werden darf.

Wie haben die Männer darauf reagiert?

Ich hatte das Gefühl, das kannten sie schon. Sie haben nicht groß erstaunt reagiert, einer hat sogar gesagt: "Bei uns in Eritrea ist das auch so."

Unbekannter dürfte ihnen das Thema Meinungsfreiheit vorkommen . . .

Absolut. Ein Syrer hat gesagt: "Wenn ich mich gegen Assad stelle, werde ich getötet." Die Freiheit, ihre Meinung zu sagen und sogar die Politik aktiv mitzugestalten, kennen viele nicht. "Wir haben eine Partei und die regiert, ob wir es wollen oder nicht", hat zum Beispiel ein Syrer erzählt.

War der Unterricht für die Asylbewerber verpflichtend?

Nein, das können wir gar nicht, da würden wir unsere Kompetenzen überschreiten. Wir haben den Kurs dieses Mal im Deutschunterricht abgehalten, wollen ihn inhaltlich aber weiter ausbauen, denn es gab viele Rückfragen von den Flüchtlingen.

Zum Beispiel?

Wie viele Parteien es in Deutschland gibt, wie das mit dem Wählen funktioniert und so. Wir möchten noch mehr Informationen über die Bundesrepublik vermitteln, aber auch über Bayern und Markt Schwaben. Uns ist es auch gelungen, den Vortrag nicht nur in Englisch, sondern auch in Dari, die Landessprache von Afghanistan, übersetzt zu bekommen. Es ist toll zu sehen, was sich da für ein Netzwerk entwickelt!

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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