Markt Schwaben:Notquartier auf unbestimmte Zeit

Markt Schwaben: Noch ist nur ein Teil der Turnhalle belegt. Das kann sich schnell ändern bei 41 Neuzugängen im Landkreis pro Woche.

Noch ist nur ein Teil der Turnhalle belegt. Das kann sich schnell ändern bei 41 Neuzugängen im Landkreis pro Woche.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie lange Asylbewerber in der Turnhalle des Markt Schwabener Gymnasiums untergebracht werden sollen, ist offen.

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

Die ersten Asylbewerber weilten schon in der Markt Schwabener Dreifachturnhalle, als ein paar Meter weiter eine Abordnung des Landratsamtes in Ebersberg im Franz-Marc-Gymnasium über die Notunterkunft informierte. Der andauernde Zustrom hat die Zahl der Flüchtlinge in der Gemeinde in kurzer Zeit von null auf mehr als hundert steigen lassen, in ein paar Wochen werden es voraussichtlich 250 sein. Das hat in der Bevölkerung einiges aufgeworfen hat, wie am Dienstagabend deutlich wurde - Fragen, Skepsis, Kritik am Krisenmanagement, in den meisten Fällen vor allem aber: Offenheit und Solidarität denjenigen gegenüber, die Schutz suchen.

41 Flüchtlinge muss der Kreis jede Woche unterbringen

Wie lange die Gymnasiumsturnhalle als Unterkunft dient, "auf diese Frage kann ich Ihnen seriöserweise keine Antwort geben", räumte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) gleich zu Beginn ein. Der Kreis muss derzeit 41 Asylbewerber pro Woche unterbringen, ein Ende ist nicht absehbar. "Wir tun unser Möglichstes, die Menschen auch menschenwürdig unterzubringen", sagte Niedergesäß. Der Landkreis suche händeringend leerstehende Immobilien, auch werden derzeit zwei Plätze im Landkreis - einer in Pliening, einer in Poing - als Standort für eine Traglufthalle geprüft. "Wenn es Alternativen gibt, gehen wir sofort aus den Hallen raus", versprach der Landrat.

Markt Schwaben: Im Küchencontainer wird auf mehreren haushaltsüblichen Herden gekocht.

Im Küchencontainer wird auf mehreren haushaltsüblichen Herden gekocht.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Dass der Sportunterricht momentan ausfallen muss, war an dem Abend kein Thema. Vielmehr drehten sich die Fragen der etwa 300 Zuhörer - unter ihnen auch viele Schüler - um die Betreuung der Flüchtlinge, die Integration und vor allem die Sicherheit. Ob sie Angst um ihre 16-jährige Tochter haben müsse, fragte eine besorgte Mutter, die in der Nähe der Dreifachturnhalle wohnt. Bisher sind ausschließlich Männer nach Markt Schwaben gekommen. Die Security wird - derzeit mit einer, bei Vollbelegung mit drei Personen - rund um die Uhr arbeiten, auch an Wochenenden und Feiertagen, 365 Tage pro Jahr, antwortete Landratsamtsmitarbeiter Jan Thoms. Auch kündigte der Helferkreis an, den Flüchtlingen "Gesellschaftsunterricht" zu geben, bei dem vor allem das Verhältnis Mann/Frau thematisiert werde.

Und Helmut Hintereder, Leiter der Polizeiinspektion Poing, betonte: Keine Statistik belegt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Asylbewerbern und einer Zunahme an Straftaten. Wenn die Polizei bisher gerufen wurde, sei es hauptsächlich um Streitigkeiten zwischen den Flüchtlingen gegangen. Asylbewerberunterkünfte würden mehrmals am Tag von Streifenpolizisten abgefahren, zum Schutz der Bewohner und auch, um diesen zu zeigen, dass die Polizei präsent ist, so Hintereder. Diese Aussagen nutzte der Schüler Tim Zeiff für einen Appell: "Wir dürfen auf keinen Fall generalisieren, dass alle Flüchtlinge Straftäter sind. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass - wenn überhaupt - wir die größere Gefahr für die Asylbewerber sind."

In der Turnhalle können bis zu 180 Asylbewerber unterkommen, weitere 60 leben in Containern gegenüber dem Feuerwehrhaus. Die Metallbetten in der Turnhalle stehen schon bereit, genutzt wird bisher jedoch nur ein Teil des Gebäudes. Aber das könne sich jeden Tag ändern, so Landrat Niedergesäß. Stefanie Geisler, Leiterin der Fachabteilung Soziales und Bildung, versprach, dass das Grundstück am Erlberg, auf dem die Container stehen, noch verschönert wird.

Markt Schwaben: Der Helferkreis will den Flüchtlingen auch "Gesellschaftsunterricht" geben, damit sie wissen, was in Deutschlan üblich ist und was gegen die Sitten verstößt.

Der Helferkreis will den Flüchtlingen auch "Gesellschaftsunterricht" geben, damit sie wissen, was in Deutschlan üblich ist und was gegen die Sitten verstößt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Landratsamt habe schnell handeln müssen, für eine Überdachung und Einzäunung sei keine Zeit gewesen. Das hatte Zuhörerin Ulla Baumhof kritisiert: "Die sitzen da wie auf dem Präsentierteller." Eine kleine Abhilfe ist inzwischen geleistet: Folien an den Containerfenstern sollen die Flüchtlinge vor neugierigen Blicken schützen, auch sind zwei Bauzäune aufgebaut worden. Dass es am Erlberg einen Gemeinschaftsraum für die Asylbewerber geben wird - momentan haben sie neben ihren Zimmern nur zwei Küchen -, darauf machte Geisler dem Helferkreis keine Hoffnung: "Container sind auf dem Markt derzeit nicht verfügbar."

Die Helfer klagen über massive Sprachprobleme

Heinz Eckstein vom Helferkreis berichtete von massiven Sprachproblemen: Kaum ein Flüchtling spreche Englisch oder Französisch, die Verständigung sei daher sehr mühsam. "Das Servus funktioniert, mehr nicht." Direktor Gerhard Dittmann gab außerdem ein Hilfsangebot aus seiner Schule weiter: Einige Lehrer hätten angeboten, Deutschunterricht geben zu wollen. "Die Bereitschaft zum Handeln ist da." Landrat Niedergesäß lobte die Reaktion in der Gemeinde, hielt aber auch fest: Einen Zustrom wie 2015 wolle er nicht weitere Jahre erleben. "Wir drehen jetzt schon am Rad", sagte er.

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