Kritik:Ja Kreuzkruzifix!

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Nepo Fitz bei einem früheren Auftritt in der Vaterstettener "Landlust". (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Kabarettist Nepo Fitz zieht bei seinem Auftritt in der Poinger Einkehr ordentlich vom Leder.

Von Victor Sattler, Poing

Nepo Fitz streift seine Lederhose ab, er trägt ein knappes, rot glänzendes Lack-Höschen darunter. "Innen weich und außen hart" sei er, oder war es andersherum? Im Poinger Publikum holen einige kreischend die Kamerahandys raus. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass der Kabarettist und Sänger am Freitagabend in der Poinger Einkehr mit seinen Gegensätzen kokettiert. Schon auf dem Plakat zu seiner Show "Saumensch" ist er in der Mitte gespalten, "gut oder böse?", ein Gutmensch und Saumensch stecke in ihm, ein Jekyll und Hyde.

Schuld am Riss in der Persönlichkeit könnten die Eltern sein, denn Nepo Fitz ist zwar nach einem Heiligen benannt, stammt gleichzeitig aber von den Kabarettisten Lisa Fitz und Ali Khan ab, deren Ruf dem Sohn schneller vorauseilt als sein eigener, weil die beiden vor allem für ihre deftigen, bösen Pointen bekannt sind. Diesen großen Fußstapfen in der Kunst des Saumenschentums machte Nepo Fitz alle Ehre:

Er trug nicht bloß ein aufrecht zweibeinig gehendes Schwein auf dem T-Shirt, sondern glänzte innerhalb kürzester Zeit auch wie eine Speckschwarte, so fix und fertig ließ ihn seine abwechselnd schreiend und singende Kruzifix-Schimpftirade zurück, wo er außerdem Vegetarier und andere Sorten Gutmensch grillte. Die Anklage lautet: Heuchelei! Naivität! Verklemmtheit! Den Bio-Käufern gehe es doch gar nicht darum, was das Tier fressen musste, sondern nur darum, was sie selbst fressen müssen.

Gegen Political Correctness nennt Fitz zwei Waffen, "Warum eigentlich nicht?" und "Interessiert mich nicht". Ersteres spuckt er dem Kannibalismus-Verbot entgegen, letzteres poltert er zum Thema Kaffee, denn beim Kaffee hört die Scheinheiligkeit für ihn auf. Er will seinen unfair hergestellten, scheußlichen "Ali-Kaffee" nur von ausgehungerten Kolumbianern und von niemand anderem beziehen müssen.

Das Publikum hilft dem Kabarettisten, den Stromstecker zu finden

Das kommt in einem urkomischen Song zur Geltung, den er dirigiert und am Technik-Pult mischt, für den er das kooperative Publikum zwischen selbst interpretierte Moral-Hymnen wie Michael Jacksons "Earth Song" einreiht: Die anwesenden Frauen singen die Stanza "Magst noch an' Kaffee?" im Tonfall der eben noch nörgelnden, nun schon wieder beschwichtigenden Gattin, zu deren näselnder, rückgratloser Stimme es sich für Nepo Fitz am schönsten mit Po und Fersen wackelt. Und er grölt die Antwort darauf aus seiner Rockröhre. Überhaupt ist er ein Gummiskelett und ein solcher Zappelphilipp, dass er sicher auf fairen wie unfairen Kaffee getrost verzichten könnte.

Ein wenig Verständnis bringt er unterm Strich also auf, für diese Welle neuer Saumenschen: Für die Reichsbürger, Chemtrail-Beschwörer und Impfgegner. Immerhin fühlten sie alle sich "kontrolliert, manipuliert, von ihrer Frau epiliert" und flüchten sich folglich in "Privatwahrheiten". Eine schöne Symmetrie zur ersten Hälfte zeichnet Fitz damit. War da die Über-Informiertheit der Menschen das Problem, so sind es hier die "zirkelschlüssigen Quellensysteme" und "neu-fantasischen Ideologie-Pfade", deren blasenhafter Beschränktheit die Faschisten aller Art zum Opfer fallen würden. Die Gutmenschen liefern ihnen eine Steilvorlage: "Man derf ja nix mehr sagen." Doch Fitz hat seine eigene melodische Kampfparole als Antwort darauf mitgebracht: "Derfst es scho' sagen - aber es is' halt ein Schmarrn."

Ein Vorschlag zur Güte von Fitz wäre: Die sieben Jahre, die der Mensch im Schnitt "gut" ist, einfach am Stück hinter sich bringen, dann sei man mit 25 Jahren fertig und dürfe für den Rest seines Lebens alle beschimpfen. Das klang verlockend, denn er hatte es mit seinem Programm geschafft, der Ignoranz, selbst bei sensiblen Themen, wieder eine gewisse Coolness zu verleihen. Einen entsprechenden Disclaimer, "Bitte nicht zu Hause nachmachen", gab es dabei nicht. Die Poinger waren trotzdem nicht sofort seelisch korrumpiert von ihrem persönlichen Mephisto Nepo Fitz. Nein, am Ende siegte sogar das Gute im Menschen - gepaart mit ein wenig Eigennutz: Denn als Fitz den Stromstecker für eine dringend gewünschte Zugabe nicht mehr fand, den er eben voreilig ausgesteckt hatte, da gingen die Poinger ihm herzensgut und gerne zur Hand.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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