Konzert:Süßer die Dudelsäcke nie klingen

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Alle Generationen, alle Stile: Das "Grafinger Jugendorchester" hält nicht von engen Grenzen - und bringt so die Kirche zum Strahlen. (Foto: Christian Endt)

Das "Jugendorchester Grafing" erzeugt beim traditionellen Adventskonzert in der Ägidiuskirche mit klassischer Musik, Liedern und Popballaden festliche Weihnachtsstimmung

Von Rita Baedeker, Grafing

Im Weihnachtsgedicht von Joseph von Eichendorff heißt es: "Markt und Straßen steh'n verlassen. Still erleuchtet jedes Haus". Am Sonntag gilt jedoch in Grafing mehr die Botschaft der zweiten Strophe: "Tausend Kindlein steh'n und schauen, sind so wunderstill beglückt." Denn die Stadt hat sich in ein Weihnachtsdorf verwandelt. Auf dem Christkindlmarkt "schwebt" Bürgermeisterin Angelika Obermeier als Engel mit goldenen Flügeln durch die Budengassen. Bläserweisen erschallen vor der Dreifaltigkeitskirche am Marktplatz; musikalisch gefeiert wird der dritte Advent auch im Museum sowie in den beiden Gotteshäusern. Vor der Pfarrkirche Sankt Ägidius bereiten Ministranten schon mal den Punsch zu, der dort nach dem traditionellen Konzert des Grafinger Jugendorchesters ausgeschenkt werden wird. Und die Schneeflöckchen, gegen Ende der schönen Aufführung enthusiastisch besungen von Kindern einer dritten Klasse der Grundschule, fallen pünktlich und in großer Zahl aus den Wolken.

Wieder einmal ist die Pfarrkirche so voll, dass zahlreiche Besucher stehen müssen; wieder einmal erhält Orchesterleiterin und -gründerin Hedi Gruber den verdienten Applaus für eine Aufführung, die - mit Eichendorffs Gedicht als Vorwort im Programmheft - eine berührende Mischung aus barocken Klassikern, aus Liedern und Arien, aus Instrumentalstücken und Popballaden bietet. An Weihnachten, so viel ist klar, darf mal so richtig auf die Tränendrüsen gedrückt werden, das befreit und beglückt. Lyrik und Prosa von Eichendorff, Marie Luise Kaschnitz und Dominique Marchand, gelesen von Albert Berger und Marie Hacker, laden zudem ein, sich ein paar Gedanken zu machen zu Krippe, Stern und dem Zauber der Heiligen Nacht. Sogar die Säulenheiligen im Altarraum, die seit geraumer Zeit auf ihre Restaurierung warten, glänzen im Schein der Kerzen und Strahler als sei das Gold ihrer Gewänder so gut wie neu.

Das Orchester wird begleitet von Solisten wie dem Grafinger Adam Ambarzumjan, der das beglückende Thema im zweiten Satz von Mozarts Klarinettenkonzert träumerisch durch den Raum schweben lässt; von Franz Mlnarschik, der die schwungvolle Ankunft der "Königin von Saba" aus Händels Oratorium "Salomon" an der Orgel intoniert; und von der jungen Sopranistin Laura Hemingway, die zwei Arien von Händel singt, "Ombra mai fu" aus der Oper "Xerxes" und "Lascia ch'io pianga", das herzergreifende Klagelied aus der Oper "Rinaldo". Ihre Stimme entfaltet mehr und mehr Strahlkraft und lyrische Farbigkeit.

Ein Weihnachtskonzert ohne Bachs Choral "Ich steh an deiner Krippen hier" - das wäre undenkbar. In Sankt Aegidius erklingt das Lied als Orchesterfassung mit einleitendem Bläsersatz und mehreren Variationen. Die Musiker spielen andächtig, mit Tiefe und Inbrunst. Der Zauber der stillen Nacht, er entfaltet sich zudem bei "Air on G String" (Air für die G-Saite) aus Bachs dritter Orchestersuite.

Schmachtpotenzial besitzt auch der Song "You Raise me up" des Norwegers Rolf Løvland, der unüberhörbar an den ebenso anrührenden irischen Klassiker "Danny Boy" erinnert. Geseufzt werden darf auch bei Popballaden wie "All of Me" von John Legend oder "Say Something" von Christina Aguilera. Denn es ist erklärtes Ziel des Grafinger Jugendorchesters, keinen Musikstil auszugrenzen: Schön ist, was gefällt, und was Musikern und Publikum Freude macht. Nur: Eingebettet in Klangschöpfungen von Bach und Mozart, klingen diese Pop-Hits einigermaßen einfallslos. Daran ändert leider auch die Tatsache nichts, dass Teresa Gruber, Hannah Kreck, Amelie Jost und Seppi Neuhäusler schön und ausdrucksvoll singen können. Viel überzeugender fügt sich da Leonard Cohens "Halleluja" als Vokalsatz in die Weihnachtsmusik.

Die Dudelsackmelodie "Highland Cathedral" (hier ohne Dudelsack) entlässt die wunderstill-beglückten Besucher ins Schneetreiben - zum Finale der Blechbläser des Jugendorchesters und zum wärmenden Glas Punsch ins verschneite weihnachtliche Grafing, wo Markt und Straßen noch längst nicht verlassen da steh'n.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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