Jazz:Vokale Juwelen

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Von Knef bis Brahms: Sängerin Cecile Verny präsentiert in ihrem neuen, erstmals deutschsprachigen Programm mit Gitarrist Johannes Maikranz lauter Lieblingsstücke - und begeistert mit ihrer Stimme. (Foto: Christian Endt)

Die Sängerinnen Cecile Verny und Karolina Trybala bescheren der Jazzreihe auf Gut Sonnenhausen einen würdigen Saisonabschluss

Von Rita Baedeker, Glonn

Einen passenderen Ort für das musikalische Projekt "In your wild garden" als Sonnenhausen bei Glonn hätte das Duo Karasol nicht finden können. Zwar hat der Regen an diesem Abend das Grünen und Blühen rund um die gutsherrliche Einöde in herbstliche Frische verwandelt; und man muss aufpassen. Aber mit der "Voice & Guitar Night" zum Saisonausklang am Sonntag hat Stefanie Boltz, die künstlerische Leiterin der Reihe, den Sommer ins Haus geholt. Auch dieses Mal hat sie Ausnahmekünstler engagiert, die bei allen stilistischen Unterschieden einige Dinge gemeinsam haben: eine unverwechselbare musikalische Sprache, Mut zur künstlerischen Grenzüberschreitung, höchste Qualität und Humor, der beim Jazz nicht immer dazu gehört.

Von hinten nähert sich ein feines Schnarren, Karolina Trybala, aus dem Glatzer Bergland in Polen stammende Sängerin, Pädagogin und Weltenbummlerin, läuft singend in Richtung Bühne und spielt die "Shrutibox", ein indisches Instrument, das aussieht wie ein Buch mit Blasebalg. Auf der Bühne wartet schon ihr Partner, der Gitarrist Silvio Schneider. Nach dem poetischen Titelsong beschwört die Sängerin eine Wüstennacht in polnischer Sprache - ihre facettenreiche Interpretation des Klassikers "Caravan" von Duke Ellington.

Die märchenhafte Klangkarawane dringt weiter vor in die Tiefen Afrikas mit einem Appell zu Frieden und Freundschaft zwischen Schwarzen und Weißen: "Amaramalaya" heißt das eindringliche Lied, begleitet vom Spiel mit der Rahmentrommel. Trybala besitzt eine überragende Stimme mit Kraft, Glanz und Tiefe, mal rau, mal sanft. Ihr Scatten, jenes improvisatorische Spiel mit rhythmisch aneinandergereihten Silbenfolgen, ist atemraubend. Sie zischt, schnalzt, schmeichelt, erzeugt überraschende instrumentale Effekte. Sogar den Sound eines "besoffenen Trompeters" bringt sie vokal zustande.

Trybala kann aber auch einfach schön singen. Im Stil eines Cantautore interpretiert sie Claudio Monteverdis zarte Renaissance-Ballade "Si dolce e il tormento". Doch schon bald wird das Publikum zurückgeholt auf den Boden der Realität, mit einem polnischen Lied über ein Mädchen, das den falschen Mann liebt. "Oi, oi, oi", singen da die Frauen des Dorfes ein ums andere Mal. Den Part des klagenden Chors darf das Publikum übernehmen.

Begonnen hatte der Abend indes mit einer Weltpremiere: Die in Freiburg lebende Jazzsängerin Cecile Verny und Gitarrist Johannes Maikranz präsentieren einen Herzenswunsch von Verny - ein deutschsprachiges Liedprogramm, in dem die Französin "Merci" sagen will für all das "Gute, was sie in Deutschland erfahren hat". Und so wählte sie lauter Lieblingsstücke: Perlen aus Uropas Musiktruhe, vergessene Schlager, klassische Lieder, ein paar Takte Operette und Chanson. Eine wilde Mischung aus Hildegard Knefs "Für mich solls rote Rosen regnen", Zarah Leanders "La Habanera" und Lonny Kellners "Du, du, du, lass mein kleines Herz in Ruh". An die Sängerin, die mit Peter Frankenfeld verheiratet war, werden sich wohl nur ältere Semester erinnern. Schuberts "Du bist die Ruh" gehört ebenso zum Repertoire wie Trude Herrs sinnfreier Song "Morgens, wenn der Wecker rasselt", ein Spaßlied, in dem Verny ihr komisches Talent entfaltet. Dazu spielt Maikranz unaufdringliche Jazz-Rhythmen, Vernys spielerisches Scatten bringt die "ollen Kamellen" richtig auf Touren. Eine musikalische Einordnung des Ganzen? Braucht kein Mensch.

Dem deutschen Schlager wurde und wird ja oft zu Recht inhaltslose Wortdrechselei vorgeworfen. Spannend zu erleben ist nun, was Cecile Verny daraus macht. Sie, eine bekannte Interpretin von Billie Holiday, zelebriert jedes einzelne Wort, gleich ob Schwachsinn oder Lyrik. Sie schleift die Sätze zu Diamanten, entdeckt in banalen Herzschmerz-Wendungen echtes Gefühl. Und siehe da! Aus einem schnoddrigen Knef-Sprechgesang, der natürlich auch seine Qualitäten hatte, wird ein Geständnis von berührender Intensität. Lyrisch, fröhlich und weich kann sie klingen, die deutsche Sprache, wenn eine so facettenreiche und sinnliche Sängerin wie Cecile Verny sich ihrer bemächtigt und dazu einen einfühlsam improvisierenden und auch solistisch brillierenden Begleiter wie Maikranz hat. Schuberts herrliches Lied "Du bist die Ruh, die Sehnsucht mild..." würde man zwar lieber in der klassischen Version hören, aber das ist zugegebenermaßen Geschmacksache. Mit ihrer Zugabe "Guten Abend, gut Nacht" von Johannes Brahms erobert Verny erneut die Herzen des Publikums. Weltpremiere gelungen. Bitte wiederkommen!

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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