"Grappellissimo":Zauber der Improvisation

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Das Quartett "Grappellissimo" des Jazzgeigers Mic Oechsner erweist sich im Grafinger Kastenwirt als würdiger Erbe des legendären Stephane Grappelli.

Von Claus Regnault

Huldigung für Stephane Grappelli: Mic Oechsner, virtuoser Jazzgeiger, und seine Formation "Grappellissimo" bringen Erinnerungen an die Musik und die Atmosphäre des "Hot Club de France" in den Jazzkeller des Grafinger Kastenwirts. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Stephane Grappelli hatte ein langes Leben. Den Konzerttermin im Kastenwirt wahrzunehmen, war ihm, der 89 Jahre alt wurde, aber dennoch nicht vergönnt. Doch wurde er auf seinem Instrument, der Geige, von dem Ex-Grafinger Mic Oechsner würdig vertreten. Dieser hatte anstelle des früheren Partners von Grappelli, des großen Sinti-Gitarristen Django Reinhardt (1910 bis 1953) seinen Sohn, Gidon Oechsner, Sologitarre, mitgebracht und sein ehrenhalber Grappellissimo betiteltes Quartett mit dem Bassisten Daniel Schober und - als einzigem wahrhaftigen Sinti - den Part der Rhythmusgitarre mit Pizza Weiss, Spross der weit verzweigten Sinti-Familie Weiss, besetzt.

Was an diesem Abend trotz der damit verbundenen Nostalgie sehr lebendig herüber kam, war die Musiksprache des legendären, 1934 gegründeten, in wechselnder Besetzung erfolgreichen Quintetts des "Hot Club de France", des ersten nennenswerten europäischen Beitrags zur Geschichte des Jazz. Das hatte zur Folge, dass das zahlreich erschienene, überwiegend älter besetzte Publikum, sich auf einmal wieder ganz jung fühlen durfte. Es ist schon erstaunlich, dass die von Eltern und Großeltern auf Schellack gesammelten und uns damals Jungen lieb gewordenen Klänge sich an diesem Abend als völlig unverwelkt erwiesen.

Mic Oechnser hat seinen Grappelli meisterhaft verinnerlicht, hat dessen einfallsreiche und sehr bewegliche Improvisationssprache so könnerhaft in seinen eigenen Stil integriert, dass man, wenn man die Augen schloss, den unvergesslichen Stephane zu hören glaubte. Neben so zauberhaften und erinnerungsgeladenen Songs wie "I can't give you anything but love", "I see you in my dreams" und "Whispering" (Paul Whiteman) der 20er und 30er Jahre, die teilweise im fetzigen uptempo vorgetragen wurden, einem Reinhardt-Titel "Heavy artillerie", geschrieben als Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, brachten die Oechsners auch eigene Kompositionen ins Spiel.

Dazu zählte die aparte "Valse dimanche" des Gidon, den "Kleinen Csárdás" und den "Blues for Elias" des Papas, in welchem Oechsner sen. sogar einen Ausflug in den Scatgesang unternahm. Schließlich wurde aber auch Musik von noch lebenden Kollegen gespielt, so zum Beispiel das Stück "Sommerwind" eines Heinz Meier aus Nürnberg, in welchem Mic sein einfallsreichstes Solo improvisierte, und "Tsigane", ein mitreißendes Stück im Dreivierteltakt des deutschen Sinti Schnuckenack Reinhardt.

Diese Musik verwirklicht sich überwiegend in Improvisationen über das jeweilige Thema, denen aber nichts gedanklich Überfrachtetes anhaftet und in denen reine Spielfreude und die Lust an überraschenden Wendungen zum Ereignis wird. Mic Oechsner beherrscht diese Kunst meisterhaft und intonationssicher, sein Sohn Gidon spielt sich in seinen Improvisationen sehr nahe an Reinhardt heran, Schober steuert seine gesprächigen Variationen an mancher Intonationsklippe vorbei. Und Pizza Weiss hat die nicht gerade dankbare Aufgabe, auf seiner Rhythmusgitarre das fehlende Schlagzeug zu ersetzen, aber das macht ihn zum unentbehrlichen Verwalter des Beats. Belebt wurde dieser Abend auch durch die Freude des Grafingers Oechsner über die Begegnung mit alten Schulfreunden und einem jung gebliebenen Gymnasiallehrer.

© SZ vom 23.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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