Ebersberg:Rocken im Sitzen

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Die "Roxaiten" aus Grafing haben ein Konzert gegeben - im Gefängnis. Klaus Beslmüller erzählt von Sicherheitsvorkehrungen und der ungewohnten Atmosphäre

Von Carolin Schneider

Höchste Geheimhaltungsstufe, etliche Sicherheitsauflagen, alles andere als ein Wohlfühlambiente, keine Scheinwerfer, keine Tanzfläche: Bei einem Auftritt in einem Gefängnis ist vieles ganz anders als gewohnt. Die Band Roxaiten aus Grafing hat nun in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ein Konzert gegeben. Die Combo spielt Rockmusik aus vergangenen Tagen - als Besonderheit werden Gitarre, Klavier und Schlagzeug von Geigen und Cello ergänzt. Bandleader Klaus Beslmüller, im echten Leben Grafinger Architekt, erklärt, was den Gig im Knast so besonders machte.

SZ: Herr Beslmüller, Sie haben mit ihrer Band, den Roxaiten, ein Konzert im Gefängnis gegeben. Wie war die Atmosphäre?

Klaus Beslmüller: Es war ungewohnt grell, weil der Saal nicht wie bei anderen Konzerten abgedunkelt wurde, sondern hell erleuchtet war. Das ist für uns als Band ungewohnt, da wir sonst das Publikum nie sehen. Die Insassen waren jedoch mit geradezu euphorischer Begeisterung dabei. Als wir die Bühne betreten haben, kam eine unglaubliche Lärmwand auf uns zu, die zehn Sekunden angedauert hat. Dann war Stille.

Was unterscheidet das Publikum in einem Gefängnis denn von dem bei anderen Konzerten?

Man hat gemerkt, dass die Insassen darauf gedrillt waren, das beigebrachte Benehmen zu zeigen. Sie mussten sitzen bleiben. Das ist natürlich bei Rockkonzerten normalerweise anders. Da sitzt niemand auf Stühlen. Es gab auch keine Pause, denn es darf ja niemand aufstehen und ein Gläschen Sekt trinken. Und nach eineinhalb Stunden hat man gemerkt: Die Zuhörer waren platt. Sie sind es nicht mehr gewohnt, sich so lange zu konzentrieren und haben dann angefangen, zu murmeln.

Klaus Beslmüller und die "Roxaiten" beim Konzert im Gefängnis. (Foto: oh)

War die Stimmung trotzdem gut?

Ja, auf jeden Fall. Besonders bei einem Song ist das Publikum richtig mitgegangen: Das war "Kashmir" von Led Zeppelin. Normalerweise kommt das Lied nicht so gut an, wir spielen das nur, weil es der Band so gut gefällt. Aber die Insassen hat das am meisten berührt. Sie haben geklatscht und gestampft. "Hotel California" von den Eagles kam auch gut an, aber das ist immer so.

Was waren das für Gefühle während des Konzerts?

Na ja, eine Wohlfühlatmosphäre ist das natürlich nicht. Ein Gefängnis ist ziemlich bedrückend...

Aber haben Sie sich unsicher gefühlt?

Nein, das nicht. Es waren ja acht Wachen da. Was mich gewundert hat: Zwischen Publikum und Bühne gab es keine Wachen, das hätte ich eigentlich erwartet. Meine Tochter spielt ja mit, da hat man als Vater dann schon ein bisschen Bedenken. Aber das Publikum wirkte nicht bedrohlich, sondern vor allem interessiert.

Was für Sicherheitsvorkehrungen gab es?

Ich musste Band und Crew - also alle Leute, die dabei waren - schon Wochen vor dem Konzert anmelden. Außerdem durfte auf den Gefängnishof nur ein Auto fahren. Wir haben also in Grafing einen Bus gemietet, unser Equipment und alle Leute eingepackt und sind damit in den Hof gefahren. Die Adresse habe ich nicht per E-Mail erfahren. Am Abend vor dem Konzert habe ich einen Anruf mit einer Wegbeschreibung bekommen, aber nie eine genaue Adresse. Im Innenhof wurde unser Auto dann untersucht, ob auch wirklich nichts dran ist, was nicht rein darf. Alle unsere Koffer wurden an der Sicherheitstür visuell gecheckt. Unsere Ausweise mussten wir abgeben.

Klaus Beslmüller hat selbst die Initiative ergriffen, um den Gig zu organisieren. Für ihn ist ein Gefängnisaufenthalt nicht nur Strafe, sondern auch Wiedereingliederung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und während des Konzerts? Gab es da auch Vorschriften für die Band?

Wir durften keine aufwiegelnden Aussagen machen. Allerdings haben wir auf Ansagen sowieso fast komplett verzichtet. 70 Prozent der Zuhörer verstanden kein Deutsch, da haben wir eher die Musik sprechen lassen. Die Songauswahl war gar nicht eingeschränkt. Wir haben extra nachgefragt, ob wir Lieder wie "Hotel California" spielen dürfen, weil in den Liedtexten oft die Wörter "Gefangener" und "Gefängnis" vorkommen. Das war kein Problem.

Wie kommt man eigentlich zu einem Gig im Gefängnis?

Ich hab mir irgendwann gedacht: Jetzt ruf ich einfach mal in einer JVA an und frage nach, ob wir so was machen könnten. So bin ich irgendwie an Stadelheim und das zuständige pädagogische Referat gekommen. So ein Konzert zu organisieren ist sehr aufwendig. Der Schul- und Betreuungsbeamte musste dann checken, ob das Budget da ist, denn wir haben eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen. Die Initiative ist also von mir ausgegangen.

Weshalb haben Sie sie ergriffen?

Wir dachten an den Dokumentarfilm "Johnny Cash at Folsom Prison" von 2008. Er zeigt den Auftritt von Cash in einem Gefängnis in den USA, während dem er auch sein Album "At Folsom Prison" aufgenommen hat. Im Film wird die frenetische Begeisterung des Publikums genau so dargestellt, wie wir sie dann auch erlebt haben.

Würden Sie so einen Gig denn mal wieder machen?

Auf jeden Fall! Die Leute dort erleben so etwas maximal viermal im Jahr. Es hat so einen Spaß gemacht, ihnen eine Freude zu machen.

War es für Sie und die Band in Ordnung, Leuten eine Freude zu machen, die höchstwahrscheinlich im Gefängnis sitzen, weil sie etwas Schlechtes getan haben?

So eine Diskussion habe ich in der Band, ehrlich gesagt, erwartet. Sie kam aber nicht, alle fanden die Idee sofort total cool. Man muss es ja auch so sehen: Ein Gefängnisaufenthalt ist nicht nur Strafe, sondern auch Wiedereingliederung. Wenn wir mit unserem Konzert dazu auch nur einen Minibeitrag geleistet haben, ist das doch gut.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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