Tüftler am ITG:"Die Ideen gehen nicht aus"

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Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums entwickeln eine Ballkanone - und überführen mit deren Hilfe Münchhausen als Lügenbaron.

Dario Wimmer

"Der Clou ist das Ventil", verrät Peter Sander, Physik- und Mathematiklehrer am Ignaz-Taschner-Gymnasium (ITG) in Dachau. Ein lauter dumpfer Knall ist zu hören, als ein kleiner Ball viele Meter in die Höhe schießt. Eine Wolke aus Spritzwasser hüllt die umstehenden Schüler ein, die die spektakuläre Demonstration ihrer Seminararbeit durchführen. Im Rahmen eines Praxis-Seminars im Fach Physik hat Peter Sander mit 15 Schülern des Gymnasiums in den vergangenen Monaten eine mit Druckluft betriebene Ballkanone entwickelt, die kürzlich in Erlangen beim Landesfinale des Vision-Ing21-Wettbewerbs, einem ingenieurwissenschaftlichen Schülerwettstreit, den ersten Platz belegte.

Abschussgeschwindigkeiten von bis zu 70 Meter pro Sekunde sind mit der Ballkanone möglich, die das P-Seminar Physik des Ignaz-Taschner-Gymnasiums gemeinsam mit dem Autozulieferer Autoliv entwickelt hat. (Foto: © joergensen.com)

Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Zusammenarbeit der Schule mit einem Unternehmen aus der Region. In enger Kooperation mit der Firma Autoliv aus Dachau, einem Hersteller automobiler Sicherheitssysteme, haben die Schüler das eindrucksvolle Projekt realisiert. So stammt die grundsätzliche Idee der Kanone vom Autoliv-Entwicklungsingenieur Thomas Reiter. Schon in der Vergangenheit hat diese Kollektivarbeit großen Erfolg erzielt. Bereits vergangenes Jahr gewannen Taschner-Schüler den Vision-Ing21-Wettbewerb mit einer selbst entwickelten Nebelkammer. Auch beim Regionalwettbewerb "Jugend forscht" konnten sie vor einigen Monaten den zweite Platz erringen.

"Die Leistung der Schüler ist mehr als durchschnittlich", lobt auch Thomas Reiter. Das Ziel der Firma bestehe darin, Schüler für ein Ingenieurstudium zu begeistern. Der Vision-Ing21-Wettbewerb biete die Möglichkeit, eine Idee in Teamarbeit umzusetzen. "Für die Schüler ist das eine schöne Erfahrung neben der Theorie, wir haben einen gewissen Spagat zwischen ,Action' und theoretischer Physik ermöglicht." Seit Monaten tüftelten sie herum, um dann im November eine Ideenskizze einzureichen. Dabei experimentierten die Schüler, um die physikalischen Grundgesetze zu erproben. Anfangs habe die Kanone Schwachstellen aufgewiesen, verrät der Elftklässler Thomas Hagl: "Die Gummimembran des Ventils war zu dünn." Die entwickelte Ballkanone ist schließlich das Resultat langer und intensiver Arbeit. Schlagartig kann sich das entwickelte Ventil öffnen - in der Zeit einer Millisekunde. Die ingenieurwissenschaftliche Umsetzung erfolgte dann jedoch unter der Leitung von Autoliv. "Das Ergebnis ist auch für uns überraschend", sagt Reiter. Durch das sehr dynamische Ventil seien Abschussgeschwindigkeiten von bis zu 70 Meter pro Sekunde möglich - je nachdem, mit welchem Speicherdruck geschossen werde.

Der Gymnasiallehrer Peter Sander stellte sich nun die Frage, wie er die Kanone in den Unterricht einbringen könne. Im Physikunterricht wurden hin und wieder auch Spielfilme auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht - Sander hatte einen Einfall. "Da ist der Weg zu den Münchhausenfilmen doch nicht mehr weit", erklärt er. So wurde mithilfe der Ballkanone auch Münchhausens berühmter Flug auf der Kanonenkugel physikalisch überprüft. "Dabei lässt sich wunderbar Physik betreiben." Beim Wettkampf in Erlangen glänzte das Dachauer Team dann mit einer gelungenen Präsentation ihrer Arbeit. Der Schüler Matthias Langer verkleidete sich als Münchhausen - und wurde von seinen Kollegen, wissenschaftlich begründet, als Lügenbaron entlarvt. Der Ritt auf der Kanonenkugel ist so nicht möglich. Der große Erfolg beim Wettbewerb ermöglichte den Schülern, die Ballkanone als Gebrauchsmuster beim Patentamt in München anzumelden. Das Unternehmen Autoliv kommt so seiner Zielstellung, junge Menschen für den Nachwuchs zu gewinnen, sehr nahe. "Die Ergebnisse stimmen sehr optimistisch", so Reiter. Einige ehemalige Schüler sind bereits als Werkstudenten in der Firma tätig. Für die Zukunft zeigt sich auch Sander zuversichtlich: "Die Ideen gehen nicht aus." Schon jetzt ist ein weiteres Projekt geplant. Viel wird aber noch nicht verraten. In den Weltraum soll es gehen, weit hinauf in die Stratosphäre. "ITG goes to Space", heißt das Motto der nächsten Herausforderung. Nach dem Ritt auf der Kanonenkugel begibt sich das Gymnasium also auf eine Reise ins All.

© SZ vom 14.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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