Tödliche Schüsse am Amtsgericht Dachau:Auch der Richter sollte sterben

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Der Todesschütze aus dem Amtsgericht Dachau wollte offenbar nicht nur den jungen Staatsanwalt Tilman T. töten, sondern auch den anwesenden Richter. Auch eine Szene, die sich vor der Verhandlung zutrug, legt den Verdacht nahe, dass Rudolf U. die Tat geplant hatte.

Susi Wimmer und Helmut Zeller

Der Todesschütze von Dachau hatte es nicht nur auf den Staatsanwalt abgesehen, er wollte auch Richter Lukas N. töten. Das hat die kriminaltechnische Untersuchung inzwischen ergeben, wie Kriminaloberrat Manfred Frei der Süddeutschen Zeitung sagte. Rudolf U., ein 54-jähriger Spediteur, hatte am Mittwoch während der Urteilsbegründung gegen ihn eine Pistole gezogen und fünf Schüsse auf Richter und Staatsanwalt abgegeben. Der 31 Jahre alte Ankläger Tilman T. wurde im Amtsgericht von zwei Kugeln getroffen und starb wenig später im Krankenhaus.

Am Dachauer Schloßplatz vor dem Amtsgericht: Der Todesschütze wollte offenbar auch den Richter töten. (Foto: npj)

Unter Umständen wird der Haftbefehl, der auf Mord und versuchten Mord lautet, auch noch ausgeweitet. Laut Kriminaloberrat Frei ermitteln die Beamten jetzt, ob der Todesschütze auch die beiden Zeugen töten wollte, die ihn überwältigt hatten. Die beiden Zollbeamten hatten als Zeugen gegen Rudolf U. ausgesagt. Der 54-Jährige war wegen Veruntreuung und Vorenthaltung von Arbeitsentgelt angeklagt und wurde zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei in dem Dachauer Mordfall konzentrieren sich jetzt auf die Schuldfähigkeit des Todesschützen. Rudolf U. hatte illegal eine Waffe, eine belgische Armeepistole, erworben. Die Frage ist nun, ob er diese Waffe ständig bei sich trug und vielleicht im Affekt getötet hat oder das Verbrechen plante.

Für einen Vorsatz spreche einiges, zum Beispiel ein Vorfall vor der Verhandlung im Schlosscafé. Dort hatte er mit seiner Anwältin auf seinen Prozess gewartet. Dabei hatte er lautstark auf Richter N. und die bayerische Justiz geschimpft, wie Augenzeugen berichten. Die Ermittler suchen nun Zeugen des Gesprächs: Die Anwältin macht dazu keine Angaben, weil sie sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht beruft.

Rudolf U. wird von Nachbarn und ehemaligen Angestellten seines Unternehmens als jähzorniger Mensch beschrieben. Seit seiner Firmenpleite 2009 und einem Schlaganfall im Jahr darauf ist Rudolf U. ein verbitterter und verzweifelter Mensch. Der 54-Jährige leidet unter anderem an Herzproblemen und Diabetes und ist auf Hartz IV angewiesen. Zeugenaussagen bestätigen, dass der Mann sich nach mehreren Zivilgerichtsprozessen von der Justiz benachteiligt gefühlt habe. Rudolf U. sitzt in Untersuchungshaft in Stadelheim und hat inzwischen den Münchner Anwalt Wilfried Eysell als Pflichtverteidiger gestellt bekommen. Er verweigert bisher jede Aussage.

Klaus-Jürgen Sonnabend, Direktor des Amtsgerichts Dachau, sagte in einem Interview mit der SZ, solche exzessiven Gewalttaten seien nicht zu verhindern - auch nicht durch scharfe Sicherheitsvorkehrungen. Für regelmäßige Personenkontrollen bräuchte es deutlich mehr Personal an allen bayerischen Gerichten. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) forderte am Freitag mehr Stellen für Wachtmeister an Gerichten. Sie hat Trauerbeflaggung an allen Justizgebäuden angeordnet. Diese solle am Montag beginnen. Ein Termin für die Trauerfeier steht nicht fest.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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