SZ-Adventskalender:Gemeinschaft barrierefrei erleben

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Wie die Dachauer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Handicap in der Freizeit Integration unterstützt

Von Petra Schafflik, Dachau

"Gemeinsam Sport treiben und sich bewegen, das ist wirklich wichtig für Körper und Geist." Auch wenn Charly Schiele auf den Rollstuhl angewiesen ist - das wöchentliche Training lässt er nur ungern ausfallen. Sobald er gemeinsam mit seinen Mitspielern im Rollstuhl-Basketball-Team voll konzentriert dem Ball nachjagt, "vergisst man Ärger und Stress. Dann geht es nur darum, dass der Ball in den Korb rein muss". Auch die Fitness profitiert, ist Schiele überzeugt, der seit 20 Jahren dabei ist bei den Sitting Bulls, dem Team der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Handicap (SHG). Der Behinderten- und Rehabilitationssport ist eine der drei Säulen der Vereinsarbeit, sagt SHG-Vorstand Michael Reindl. Neben dem Sport fördert die SHG als integratives Musikprojekt die Band "Das grüne Klapprad". Organisiert werden auch Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten unter dem Motto: "Gemeinschaft barrierefrei erleben".

Sportlicher Ehrgeiz

Sport treiben, Musik machen oder mal gemeinsam wegfahren: Unspektakuläre Aktivitäten, für die aber behinderte Menschen viele Hürden zu überwinden haben. Wer nicht mit einem Handicap zurechtkommen muss, kann kaum ermessen, wo überall sich Schwierigkeiten auftun oder eben auch Extrakosten entstehen. Beispiel Sitting Bulls: In dem Rollstuhl-Basketball-Team, das Charly Schiele als Sportwart auch betreut, sind ein Dutzend Männer und Frauen aktiv. Neben behinderten Spielern machen auch "Fußgänger", also Sportler ohne Handicap mit. Mit einer speziellen Punktewertung, die den Grad der Behinderung abbildet, wird sichergestellt, dass keine Mannschaft bevorzugt wird. Das SHG-Basketballteam trainiert nicht nur wegen der Fitness, sondern mit sportlichem Ehrgeiz. Turniere mit internationaler Beteiligung werden ausgerichtet, Punktspiele in der Landesliga Bayern absolviert. "Derzeit sind wir aber verletzungsgeschwächt und müssen sehen, dass wir diese Saison irgendwie durchkommen", bedauert Charly Schiele.

"Dann geht es nur darum, dass der Ball in den Korb rein muss": Charly Schiele baut beim Basketball Stress ab. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die erste barrierefreie Halle

Die SHG unterstützt, damit der Trainings- und Spielbetrieb läuft, Übungsleiter bereitstehen und bei Bedarf ein Fahrdienst organisiert wird. Trainiert wird in barrierefreien Hallen. Auch in Erdweg, wo vor 20 Jahren der heutige Vereinsvorsitzende Michael Reindl als damaliger Bürgermeister der Gemeinde den behindertengerechten Umbau initiierte. Das war damals ein Novum, "die erste barrierefreie Halle im Landkreis und eine wichtige Voraussetzung für die sportlichen Aktivitäten der SHG". Der Selbsthilfegruppe fühlt sich Reindl seitdem verbunden, so dass er im vorigen Jahr gerne die Leitung des Vereins übernahm, als die Organisation nach dem Tod des langjährigen Vorstands Franz Rumpf verwaist war. Als neuer Vorsitzender will Reindl auch die gesellschaftspolitische Interessensvertretung für Menschen mit Handicap verstärken und ausbauen. Vor allem aber die bewährten Vorhaben mit Engagement weiterführen.

Das grüne Klapprad

Dazu zählt neben dem Rollstuhl-Basketball auch das integrative Musikprojekt "Das grüne Klapprad". Die Band mit überwiegend behinderten Musikern leitet seit deren Gründung der Hebertshausener Florian Fischer. "Die Freude an der Musik steht im Vordergrund", sagt der SHG-Vorsitzende und berichtet begeistert von überzeugenden Auftritten und enorm engagierten Musikern. Aktuell plant die Band eine eigene CD, die SHG finanziert die notwendige technische Ausstattung.

Neben den beiden thematischen Projekten kümmert sich die SHG mit ihren 149 Mitgliedern auch um ein Freizeitprogramm. Die Basketballer haben ihren Stammtisch, man trifft sich zu Festen und organisiert Ausflüge. Erst im Herbst reisten 28 Teilnehmer für eine Woche zum Gardasee. "Ein schönes Gemeinschaftserlebnis für alle", sagt Reindl, der selbst als Reiseleiter dabei war. Aber aufwendig zu organisieren. Es braucht ein barrierefreies Hotel, einen Bus mit Hebebühne für Rollstuhlfahrer und ein behindertengerechtes Besichtigungsprogramm. Extras, die mehr kosten, als Menschen mit Handicap aus eigener Tasche finanzieren können. Damit unabhängig vom Geldbeutel alle Interessierten mitfahren können, braucht es freigebige Menschen. "Ohne Spenden und Sponsoren geht es nicht", sagt der Vorstand. Der SZ-Adventskalender will unterstützen, damit auch im kommenden Jahr wieder integrative Fahrten möglich werden.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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