Dachau:Schule mit beschränktem Pausenhof

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Die Stadt Dachau schränkt die pädagogischen Räume des Greta-Fischer-Förderzentrums wegen des Volksfestes enorm ein.

Von Emily Holmes, Dachau

Im Gegensatz zu anderen Schulen kann die Greta-Fischer-Schule in Dachau keinen Pausenhof anbieten, der den pädagogischen Ansprüchen des Förderzentrums entspricht. Denn das fragliche Areal ist gleichzeitig Teil der Festwiese für das Dachauer Volksfest. Ein weiteres Pausenhofgrundstück benötigt die Stadt für die Wohnwägen der Schausteller. Deswegen hat sie untersagt, festes Spielgerät aufzubauen, wie etwa ein Klettergerüst, eine Rutsche oder Schaukeln. Außerdem ist fraglich, ob die Schule tatsächlich über Flächen für einen angemessenen Pausenhof verfügt. Denn einen Großteil hat die Stadt Dachau für das Volksfest mit Rollsplitt aufgeschüttet. Der Belag erhöht die Verletzungsgefahr für die Schüler.

Seit 1991 sehen sich Schulleitung, Pädagogen, Elternbeirat und Schüler des sonderpädagogischen Förderzentrums mit dem Problem konfrontiert. Bis jetzt. Denn als erster Oberbürgermeister seit 25 Jahren genehmigte Florian Hartmann (SPD) den Bau eines mobilen Balancierparcours. Rektorin Oswald-Kammerer registrierte erfreut: "Von allen Oberbürgermeistern kam bis jetzt immer wieder die Ansage: Nein, das geht nicht wegen der Schausteller. Selbst mobile Geräte durften wir nicht aufstellen." Nicht einmal Sitzgelegenheiten gab es. "Die Kinder mussten sich auf den Boden setzen, wir haben nicht mal Baumstämme zum Draufsetzen bekommen."

Der Rollsplitt als Belag ist für Schüler zu gefährlich. Deshalb fällt für das Greta-Fischer-Förderzentrum ein Großteil des Pausenhofgeländes weg. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Stadt will Fläche während des Volksfests "uneingeschränkt" nutzen können

Aber OB Hartmann lenkte ein: "So lange sich die Geräte während des Volksfests leicht wieder abbauen lassen, sind da von unserer Seite keine Grenzen gesetzt", verkündete er bei der Einweihung des Balanciergeräts vor einigen Wochen. Mobil müssen sie also sein, die Spielgeräte. Da bleiben Probleme, denn der Vorschlag schließt einiges aus, wie die Anschaffung von Klettergerüsten, Rutschen oder Schaukeln. Zwei Schaukeln und ein Kletternetz gibt es zwar auf dem Spielplatz neben der Turnhalle auf der Ludwig Thoma Wiese, das Angebot reicht aber nicht für gut 300 Schüler. "Wir haben das aufgeteilt, die Vorschulkinder und Schüler der ersten bist vierten Klasse gehen auf den Pausenhof hinter der Schule, die älteren dann auf den Spielplatz oder die Ludwig-Thoma-Wiese", erzählt die Schulleiterin.

Der wesentlich größere Platz wird aber kaum mehr genutzt in den Pausen. Denn die ehemals asphaltierte Festwiese wurde vor einigen Jahren mit Rollsplitt aufgeschüttet. "Wir haben da sündteure Spielsachen gekauft, Roller und Pedalos mit Gummireifen etwa. Dann wurde der Asphalt entfernt, und plötzlich konnte das alles nicht mehr richtig benutzt werden", sagt Oswald-Kammerer, "und die Kinder hatten ständig aufgeschlagene Knie, nach jeder Pause mussten wir ihnen mit der Pinzette die Steinchen aus den Wunden picken". Die Thoma-Wiese fällt als Pausenhof also weg. Es bleiben ein L-förmiges, nur eingeschränkt nutzbares Grundstück neben der Schule und das Sportgelände gegenüber mit Spielplatz. Der dortige Fußballplatz aber darf nur genutzt werden, wenn er nicht gerade von einer städtischen Schule für den Sportunterricht gebraucht wird.

Rektorin Gabriele Oswald-Kammerer (links) und Michaela Waigand vom Elternbeirat plädieren seit Jahren für einen pädagogisch wertvollen Schulhof. (Foto: Toni Heigl)

Zu wenig Bewegung

Trotz des Kompromisses mit dem Oberbürgermeister fehlen dem Schulgelände kindgerechte Bewegungsflächen. Das ist vor allem mit zunehmendem Ganztagsunterricht ein Problem. "Der Ganztagsunterricht wird die Zukunft sein", sagt Michaela Waigand, Mitglied des Elternbeirats und des Fördervereins, "da sind die Kinder fünf Tage die Woche bis zum späten Nachmittag in der Schule und haben nicht die Möglichkeit rauszugehen und sich im Grünen richtig auszutoben". Etwa 100 Schüler nutzen derzeit das Ganztagsangebot der Schule. "Es wird ständig beklagt, dass die Kinder immer dicker und motorisch ungeschickter werden und dann haben wir nicht die Möglichkeiten das zu ändern", erzählt Gabriele Oswald Kammerer. Waigand fügt hinzu: "Viele Eltern arbeiten Vollzeit und haben Abends keine Zeit mehr, mit ihren Kindern auf den Spielplatz zu gehen oder Sport zu treiben und bei den hohen Grundstückspreisen können sich auch viele kein Haus mit Garten mehr leisten." Die Schule läge eigentlich in der Verantwortung das sonstige Mangelangebot an Bewegung aufzufangen, sagt Rektorin Oswald-Kammerer.

Trotz der schwierigen Verhältnisse lässt sich die Schulgemeinschaft nicht unterkriegen. "Man versucht immer wieder was aus der Not zu machen", sagt die Rektorin. Gemeinsam mit dem Handwerker und Erzieher Stefan Asenbeck vom "Netzwerk Kreativo" haben drei Ganztagsklassen in einem Bereich hinter dem Schulgebäude den mobilen Balancierparcours gebaut. "Die Schule hat eine vollausgestattete Schreinerwerkstatt, so konnten die Schüler komplett miteinbezogen werden", sagt Asenbeck. Denn das ist Teil des Konzepts von "Kreativo", einem freiberuflichen Netzwerk von Handwerkern und Pädagogen. Die Schüler wurden aktiv in die Pausenhofgestaltung mit eingebunden, wodurch sie einen nachhaltigen Bezug zum Projekt entwickelten. "Wir merken das", sagt Oswald-Kammerer, "die Kinder wissen den Parcours zu schätzen, sie benutzen ihn gemeinsam, stellen sich in einer Reihe an, ohne dass man sie ermahnen muss".

Die Stadt sagt: Vorrang hat das Volksfest, das gerade neben dem Förderzentrum aufgebaut wird. (Foto: Toni Heigl)

Mit Kreativo wollen sie auch noch ein grünes Klassenzimmer gestalten, in dem bei warmen Wetter draußen gelernt werden kann. Auch ein lebensgroßes "Vier gewinnt" Spiel ist geplant. Vielleicht gibt es sogar ein Schachbrett für den Pausenhof und ein mobiles Fußballfeld. Aber: "Die mobilen Geräte sind natürlich sehr viel teurer als die fest installierten", sagt Oswald-Kammerer. Die Kinder wünschen sich außerdem auch Spielsachen, die man mobil nicht anschaffen kann. "Eine Rutsche mit Klettergerüst wäre toll", meint der neunjährige Niko. Auch Fußballtore oder Schaukeln wären sehr gefragt.

Elternbeirat schlägt MD-Gelände als Alternative vor

Noch scheint der Stadt die Flächennutzung für die Schausteller jedoch wichtiger zu sein, als ein pädagogisch wertvoller Pausenbetrieb. "Für die Stadt ist es sehr wichtig, die Fläche während des Volksfests uneingeschränkt nutzen zu können", sagt Josef Hermann, Leiter des Hauptamts der Stadt Dachau, "sowohl für die Schausteller, als auch als Rangierfläche. Das Volksfest wächst und wir sind bereits recht eingeschränkt. Eine Bebauung des Geländes würde uns noch mehr behindern".

Michaela Waigand vom Elternbeirat hätte da einen Kompromissvorschlag: "Warum bringt man die Schausteller und ihre Wohnwägen nicht auf dem ehemaligen MD-Gelände unter?" Es sei den Schaustellern eigentlich zumutbar, 200 Meter bis zur Arbeitsstelle laufen zu müssen. Und der Pausenhof könnte nach 25 Jahren endlich schattig, grün und pädagogisch wertvoll gestaltet werden.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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