Schönbrunn/Ismaning:Wunschbilder der Menschlichkeit

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Die Malwerkstatt Schönbrunn stellt im Ismaninger Schlosspavillon von Gisela Hesse aus

Von Wolfgang Eitler, Schönbrunn/Ismaning

Roxanne verdichtet den Serientrash von Netflix bis Fox und HBO zu mangaartigen Szenerien, die sie locker in Acryl auf die Leinwand wirft. Veronika sucht die spielerische Leichtigkeit in Collagen und Stillleben, in denen es ihr gelingt, einen ganz eigenen Kosmos der Gefühle auszubreiten. Andreas ist ein Punk mit dem Pinsel und dem Bleistift, weil er eine Unmittelbarkeit des Ausdrucks sucht und voller Lässigkeit findet. Helmut und Lisa sind Tiermaler, die Wölfe, Flamingos oder Delfine nicht darstellen, sondern feinfühlige psychologische Studien erzeugen. Es sind Wunschbilder der Menschlichkeit. Und dann ist da noch Josef Putz, der erst kürzlich für seine Werke vom Bezirk Oberbayern ausgezeichnet wurde. Er ist der Expressionist mit Traumlandschaften, die immer auch reale Ereignisse wie den Dachauer Fasching, das Volksfest oder einen Tanz vergegenwärtigen. Sie alle bilden die Malwerkstatt des Franziskuswerks Schönbrunn.

Die Mitglieder gelten zwar als geistig behindert oder autistisch. Aber vor allem repräsentieren sie eine Tradition eigentümlicher und eigenständiger Ausdruckskraft, welche die Kunst der Moderne enorm fasziniert. Die Beschäftigung mit den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten geistig behinderter Menschen oder auch psychisch Kranker prägt die Kunst des gesamten 20. Jahrhunderts. Maler wie der Österreicher Arnulf Rainer haben in Kliniken Kurse gegeben und sich mit der impulsiven Schaffenskraft der Teilnehmer befasst. Ohne diese Auseinandersetzung wäre beispielsweise das Werk der l'art brut von Jean Dubuffet oder die Streetart-Malerei eines Jean-Michael Basquiat in New York nicht denkbar und sicher nicht möglich gewesen.

Der Luchs von Helmut Rötzer stammt aus der Malwerkstatt Schönbrunn. (Foto: Sigrun Wedler/oh)

Die Besonderheit und auch die herausragende Anerkennung liegt darin, dass die Künstler der Moderne in diesen Werken eine Sprache der Unmittelbarkeit entdeckt haben, die sie nicht nur als gleichwertig, sondern auch als gleichrangig bewerteten. Inklusion spielt in der Kunst eine zentrale Rolle. Deswegen haben stets Künstler die Schönbrunner Malwerkstatt geleitet: Christoph Kern (er lebt in Berlin), Wolfgang Ellenrieder aus München und jetzt Jessica Appler aus Ismaning.

Sie ist sehr stolz darauf, dass es ihr gelungen ist, den Schlosspavillon der Gemeinde als eine richtige Galerie für die Ausstellung gewonnen zu haben: "Wunderbar." Die frühere Leiterin des Kallmannmuseums, Gisela Hesse, führt den Pavillon und kuratiert die Ausstellung der Malgruppe. Der Titel "Kunst - grenzenlos" hat in der mehr als 25-jährigen Geschichte der Malgruppe Tradition. So hieß schon im Jahr 1999 eine große Ausstellung in der Galerie der Künstlervereinigung Dachau, die engen Kontakt nach Schönbrunn hält.

Auch Kunst von Hand der Leiterin der Malwerkstatt, Jessica Appler, ist im Ismaninger Schlosspavillon zu sehen. (Foto: Sigrun Wedler/oh)

Der Titel ist mehrdeutig. Er will zu verstehen geben, dass die Gesellschaft sich für die Kunst von behinderten Menschen öffnen soll. Insofern sind solche Ausstellungen ein Beitrag zur Integration, also zu einer echten Beteiligung der Gesellschaft. Aus Schönbrunner Sicht kommt noch hinzu, dass das Dorf sich wandelt. Es ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts eines der großen, aber auch in sich geschlossenen Behindertenzentren in Bayern. Schönbrunn will zu einem Modelldorf der Inklusion werden. Die bildende Kunst ist dazu ein zentraler wie elementarer Beitrag. Denn in diesem Bereich erhellt sich die Idee der Inklusion als eine selbstverständliche Kommunikation und gegenseitige Anerkennung unter Künstlern. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Werkstattleiterin Jessica Appler in Ismaning auch eigene Arbeiten präsentiert.

"Kunst grenzenlos", Ausstellung der Malwerkstatt Schönbrunn, Schlosspavillon Ismaning, Vernissage, Freitag, 11. November, 19 Uhr. Bis Sonntag, 18. Dezember (14.30 bis 17 Uhr, außer montags).

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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