Reaktionen:Zu hohe Ansprüche

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Einige CSU-Kollegen empfinden Reischls Brief als zu emotional und überzogen

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Richard Reischls Brandbrief hat Aufsehen erregt unter Politikern im ganzen Landkreis und auch in Berlin. Katrin Staffler sitzt für die CSU im Bundestag. Sie kennt solche Kritikpunkte bereits, wie sie Reischl geäußert hat. Diese würden Bürger, aber auch CSU-Mitglieder aus dem Wahlkreis an sie herantragen, sagt Staffler. "Ich nehme diese Bedenken sehr ernst." Sie lasse diese Meinungen daher auch in die Diskussion innerhalb der CSU-Landesgruppe und Fraktion einfließen.

Staffler glaubt, die CSU habe es zugelassen, dass in den vergangenen Wochen und Monaten nur ein Thema in der Öffentlichkeit dominiert habe. "Was die Menschen zurecht umtreibt, ist aber viel mehr: Pflege, Bildung, Infrastruktur, bezahlbarer Wohnraum und so weiter", sagt sie. An diesen Bereichen würde man innerhalb der CSU intensiv arbeiten. Sie selbst merkt, dass sich hieraus eine positive Dynamik entwickele. Bis diese Dynamik aber für die Menschen spürbar sei, werde es noch dauern. Klar sei: "Wir müssen weiter intensiv an diesen Themen dran bleiben."

Staffler ist der Ansicht, dass der Streit zwischen CSU und CDU alles andere als förderlich war. "Was sich auch bei uns ändern muss, ist sicher an einigen Stellen die Tonlage, mit der wir berechtigte Anliegen und Botschaften nach außen tragen." Demokratie lebe zwar vom Streit um die besten Ideen und Lösungen. Man dürfe aber nicht zulassen, "dass es mehr um Personen als um diese Ideen geht".

Auch Landrat Stefan Löwl kann einige Punkte seines CSU-Kollegen aus Hebertshausen nachvollziehen, andere dagegen nicht. "Richard Reischl formuliert einen Frust, den auch ich ganz oft verspüre", sagt Löwl. Probleme der Vereine mit der Ehrenamtsausführung, Mangel an Fachkräften in Pflege, Verwaltung, Handwerk, die geringen Einflussmöglichkeiten etwa beim Wohnungs- oder Straßenbau und die Bürokratie im Allgemeinen - er gebe Reischl in diesen Punkten "vollkommen recht". Auch er müsse täglich diese "Herausforderungen und Frustrationen" stemmen. "Ich glaube, jeder Kommunalpolitiker kann hier Bände mit Beispielen füllen, wo die Bürokratie, fehlende Zuständigkeiten oder etwas anderes einen ausgebremst hat, beziehungsweise wichtige Dinge verlangsamt, behindert oder verteuert." Vor diesem Hintergrund würden viele klagen, sagt Löwl. "Richard Reischl hat es nun eben einmal sehr emotional und öffentlich getan."

Aber Löwl widerspricht dem Hebertshausener Bürgermeister auch. "Ich denke, dass dieser Anspruch, den er hier an die CSU in der Staatsregierung oder als Koalitionspartner auf Bundesebene stellt, einfach zu hoch ist." Die CSU sei nach wie vor "näher am Menschen", zumindest viel näher als alle anderen Parteien. Auch er könne zwar die Kritik an der Parteiführung zum Teil nachvollziehen. Seehofer und Söder würden aber wichtige Themen ansprechen und lägen vom Ziel her damit oft richtig. Über die Art und Weise könne man sicherlich streiten. "Ich pflege persönlich im Landkreis ja auch einen anderen Stil." Löwl hätte sich im Streit der vergangenen Wochen auch einmal einen Schritt der Kanzlerin erwartet, zu dem sie nicht nur aufgrund des Drucks der CSU - "und auch massiv aus der eigenen CDU" - genötigt worden sei, sagt er.

Auch der Pfaffenhofener Bürgermeister Helmut Zech hat Reischls Brief gelesen. Er kann nur wenige Punkte nachvollziehen und spricht "von einem emotionalen Ausbruch". Reischls Brief verkürze die Realität. "In der Politik gibt es nicht nur schwarz und weiß", sagt er. Wie Löwl meint Zech, Reischl erwarte zu viel. Doch die CSU sei eine offene Partei. Hier dürfe jeder seine Meinung sagen.

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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