Markt Indersdorf/München:Bewegende Porträts überlebender Kinder

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In einem Seminarprojekt zeigen Indersdorfer Gymnasiasten die Lebenswege von Menschen, die im Kinderzentrum Indersdorf waren.

Von Renate Zauscher, Markt Indersdorf/München

Über eine besondere Auszeichnung können sich fünfzehn Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs 2017 am Gymnasium Markt Indersdorf freuen: Ihr Seminarprojekt aus dem Bereich Geschichte wurde vom Bayerischen Kultusministerium als eine von drei preiswürdigen Arbeiten innerhalb des Schulbezirks Oberbayern West ausgewählt. Die Indersdorfer Schülergruppe kann jetzt am bayernweiten Wettbewerb der Seminar-Projekte teilnehmen. Dies teilte die Vertreterin des zuständigen Ministerialbeauftragten, Susanne Raab, zum Auftakt der Ausstellung mit, in der die Ergebnisse des Indersdorfer P-Seminars im Janusz-Korczak-Haus in München gezeigt werden.

"Leben nach dem Überleben" hatten die Indersdorfer Schülerinnen und Schüler ihr Projekt genannt. Sie befragten dabei Menschen, die als Kinder und Jugendliche die Verfolgung durch den NS-Staat überlebt hatten und sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Kinderzentrum Markt Indersdorf auf ein neues Leben vorbereiteten. Von insgesamt zwanzig Personen, die zum Großteil alle ihre Angehörigen verloren hatten, haben die Indersdorfer Jugendlichen Einzelporträts erstellt. Zusammen mit einem Kurzfilm sind diese noch bis zum 24. März in München zu sehen. Bei der Vernissage waren nicht nur die Schülerinnen und Schüler aus Markt Indersdorf und ihre Geschichtslehrerin Cornelia Treml anwesend, sondern auch Vertreter der Stadt München und der Israelitischen Kultusgemeinde, des Landkreises Dachau und der Marktgemeinde Indersdorf.

Durch den Krieg hatten sie ihre Eltern und ihre Heimat verloren. Im Kinderzentrum Markt Indersdorf fassten die Bewohner neuen Lebensmut. (Foto: Florian Peljak)

Ein historisches Thema mit hoher Aktualität

Bei der Begrüßung der rund fünfzig Vernissage-Besucher betonte die Präsidentin der Janusz-Korczak-Akademie, Eva Haller, wie wichtig es sei, die Erinnerungen der immer älter werdenden Zeitzeugen festzuhalten. Haller unterstrich dabei auch die Rolle, die Anna Andlauer bei der Realisierung des Projekts gespielt hatte: Sie sei "Motor, Herz und Seele dieser Ausstellung", sagte sie. Parallel zur Ausstellung der Einzelporträts wird ein Teil von Andlauers eigener, im Vorjahr im UN- Hauptquartier in New York präsentierten Ausstellung über das Kinderzentrum Indersdorf mit dem Titel "Zurück ins Leben" gezeigt.

Die Geschichte des vom UN-Flüchtlingshilfswerk 1945 in Markt Indersdorf ins Leben gerufenen Kinderzentrums und der nachfolgenden Phase, in der ausschließlich jüdische Kinder und Jugendliche der Kibbuz-Bewegung Dror von 1946 bis 1948 in Indersdorf lebten, umriss Anna Andlauer bei der Ausstellungseröffnung in einem kurzen Rückblick. Andlauer schlug dabei ebenso den Bogen von den damaligen Umständen und Notwendigkeiten zur heutigen Zeit wie Marian Offman, Mitglied im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde und der CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat. Angesichts der "displaced children" von damals denke er sofort an die unbegleiteten minderjährigen Flüchtling von heute, sagte Offman, und sprach sehr bewegend von einer Begegnung am Münchner Hauptbahnhof mit einem Elfjährigen und dessen sechsjährigem Begleiter aus Syrien, der auf seiner Flucht hatte zusehen müssen, wie seine Eltern ertranken.

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(Foto: Florian Peljak)

Die Zeitgeschichtsforscherin Anna Andlauer gab den entscheidenden Anstoß zur Ausstellung.

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(Foto: Florian Peljak)

Stadt- und Kreisrat Edgar Forster ermunterte bei der Eröffnung die jungen Leute, gegen das Unglück der Welt zu kämpfen.

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(Foto: Florian Peljak)

Eine Schülerin des P-Seminars aus dem Bereich Geschichte.

Eine überwältigende Erfahrung für die Schüler

Kontakt mit ihren jeweiligen Gesprächspartnern hatten die Jugendlichen aus Markt Indersdorf zum Teil bei persönlichen Begegnungen 2015 und 2016, teils auch über E-Mail oder über Anna Andlauer, die Fragen der Schüler mit nach Israel mitgenommen und die Antworten zurückgebracht hatte. Die Beschäftigung mit den einzelnen Lebenswegen hat die Indersdorfer Jugendlichen spürbar bewegt. Es sei für sie "überwältigend" gewesen zu sehen, dass man trotz schrecklicher Erlebnisse während der NS-Zeit noch den "Mut zum Weiterleben" aufgebracht habe, sagt etwa Miriam Rösch aus Glonn. Für Alexander Ulbrich aus Erdweg war das Thema des Kinderzentrums schon geografisch "so naheliegend", dass er es unbedingt wählen wollte. Die direkte Begegnung mit den Opfern der Verfolgung habe eine sehr viel intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema bewirkt als dies sonst möglich wäre, glaubt auch Geschichtslehrerin Cornelia Treml. In Zeiten wie den unseren, in der es "wieder populär ist, andere abzulehnen", sei die Aufarbeitung der deutschen Geschichte im Zusammenhang mit der Shoah unglaublich wichtig.

Dazu passt, was der Dachauer Kreis- und Stadtrat Edgar Forster als Vertreter des Landkreises den jungen Leuten mit auf den Weg gab: "Schauen Sie das Unglück der Welt an, arbeiten Sie dagegen, kämpfen Sie dagegen."

Die Ausstellung im Janusz-Korczak-Haus, Sonnenstraße 8 in München, ist noch bis zum 24. März zu sehen, und zwar jeweils Montag bis Donnerstag von 11 bis 16 Uhr. Anmeldungen unter info@ejka.org oder telefonisch unter 089-37946640.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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