Komplett marode:TSV Dachau drängt auf Neubau der Sporthalle

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Ein Rundgang nach dem Schwelbrand am vergangenen Samstag zeigt: Das Gebäude ist nicht mehr zu retten.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Harald Franzkowiak ist nur noch zu bewundern. Seit 18 Jahren steigt der rüstige Rentner eine waghalsige Leiter hinauf in das Dach der Turnhalle des Sportvereins TSV Dachau 1865 und versucht, die ständigen Schäden an der asbesthaltigen Abdeckung zu beheben, die Wassereinbrüche einzudämmen, den Taubenkot zu beseitigen sowie die Stromleitungen und die komplett feuchte Isolierung aus Glasfasermatten so gut es nur geht zu erneuern. Spätestens seit dem Schwelbrand am vergangenen Samstag weiß er, dass er einen vergeblichen Kampf führt.

Ein Rundgang mit ihm und dem neuen Vereinsvorsitzenden Wolfgang Moll, dem parteilosen Stadtrat und früherem CSU-Mitglied, öffnet den Blick in einen Keller samt Umkleiden, wo die Feuchtigkeit den Salpeter austreiben lässt. Auf sämtlichen Ebenen reihen sich Wasserflecken über Wasserflecken. Überall bilden sich Rostflecken, die aus dem Beton hervorquellen. Vor einigen Jahren hat der Verein das Zusatzdach auf dem Trakt für die Fußballkabinen - der TSV spielt in der zweithöchsten Amateurliga - erneuern lassen. Das ging aus technischen Gründen nur provisorisch. Ein langes Rohr leitet Regenwasser ab, das bei heftigen Güssen den Vorraum zum Souterrain überflutet.

Ein Weiter-so geht nicht

Der Kabelbrand am vergangenen Samstag, der das Jubiläumsturnier der Bogenschützen zum 40-jährigen Bestehen beendete, setzt ein Signal. Eine defekte Beleuchtung löste ihn aus. Der Rundgang durch das Gebäude, vor allem unter dem Dach, verdeutlicht jedem Laien: Genau ein solcher Unfall kann jederzeit wieder passieren. Deshalb sagt Vorsitzender Moll: "Mit dieser Erkenntnis kann ich nicht mehr verantworten, die Angelegenheit so dahinlaufen zu lassen." Damit meint er die seit mehr als 15 Jahre dahin schwelenden Pläne, den TSV Dachau 1865 von der westlichen Seite der Theodor-Heuss-Straße auf die östliche auszulagern. Auf der freien Fläche im Stadtteil Augustenfeld könnte sich der Verein auf ungefähr 150 000 Quadratmetern ausbreiten und seine beiden Sportanlagen in Dachau-Ost und auf dem Stammgelände fusionieren. Die in Dachau-Ost hat er auf Drängen der Stadt vor ungefähr zehn Jahren vom insolventen SSV übernommen. Harald Franzkowiak, der Immobilienmanager des TSV, sagt: "Die Halle dort ist genau so marode wie die bei uns an der Jahnstraße."

Die Schäden an der Jahnhalle haben Ausmaße angenommen, die sich auf den Verein existenzgefährdend auswirken könnten. Moll und Franzkowiak fragen besorgt: "Wie lang können wir noch durchhalten?" Im "worst case", so Moll, bleibe dem Verein nichts anderes übrig, als dauerhaft Brandwachen zu engagieren, um den Sportbetrieb abzusichern. Deshalb drängt er auf eine schnelle Entscheidung des Stadtrats und auf einen zügigen Erwerb der Grundstücke durch die Stadt Dachau. Erst dann kann der TSV nach Molls Ansicht die Auslagerung definitiv planen.

Die Angelegenheit, wie Moll sagt, gestaltet sich folgendermaßen: Entweder gelingt der Neubau einer Anlage zeitnah oder die Jahnhalle wird komplett saniert und erweitert. Nun befindet sich der Sportverein in der grundsätzlich komfortablen Lage, dass ihm sein bestehendes Gelände selbst gehört. Dieser Vorteilt mutierte jedoch zum Nachteil. Denn die Vorstände der früheren Jahre wollten dazu auch die neuen Grundstücke erwerben. Die Stadt Dachau und der Bayerische Landessportverband sollten den Bau der Anlage mitfinanzieren. Aber die Verhandlungen kamen nicht richtig voran. Vielsagend erklärt Moll das Scheitern als ein Problem mit "Koppelungsgeschäften". So sollten die Verkäufer mit der Aussicht auf Baurecht durch die Stadt Dachau gelockt werden. Diese Transaktionen habe der neue Oberbürgermeister Florian Hartmann verständlicherweise abgelehnt, sagt Moll. Er habe sich mit Hartmann und dem Stadtrat auf eine Vorgehensweise geeinigt, die beim Bau staatlich und kommunal finanzierter Sportanlagen üblich ist. Die Kommune erwirbt die Grundstücke, der Sportverein baut und der Staat hilft mit Zuschüssen, die er über den Bayerischen Landessportverband übermittelt.

Verkauf? Ausgeschlossen

Seit dem Brand aber ist klar: Die Zeit drängt. Moll sagt: "Ich will keinen politischen Druck aufbauen. Aber wir müssen eine Entscheidung herbeiführen." Molls neue Strategie orientiert sich an diesen Vorgaben. So schließt er im Gespräch mit der SZ den kompletten Verkauf des vereinseigenen Geländes aus. Seine Losung lautet: "Mit der Wertschöpfung der Grundstücke werden wir in das neue Konzept einsteigen." Er will also nicht ein komplett neues Sportgelände schaffen, sondern Zug um Zug umsiedeln. Erst wäre die neue Turnhalle dran. Dafür würde der Verein einige Grundstücke veräußern. Seine Vorgänger hatten noch den großen Wurf mit Sporthalle und eigenem neuen Stadion geplant. Den Humor haben die TSV-Mitglieder trotz der Ungewissheiten anscheinend noch nicht verloren. Nach der Besichtigung gesellt sich ein älterer Herr zur Gruppe, und fragt: "Waren Sie auf dem Dach?" Er hält sich die Hand vor den Mund und kichert: "Wahnsinn, gell."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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