Filmemacherin aus Dachau:Regie ist alles

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Die 32-jährige Filmemacherin Anca Miruna Lazarescu aus Dachau managt Beruf und Familie erfolgreich. Sie nahm sogar schon an der Berlinale teil.

Daniela Gorgs

Rumänien 1986, Ceausescu regiert. Zwei Männer wollen aus dem Land fliehen, schwimmend durch die Donau. Als entgegen der Vereinbarung eine dritte Person mitkommen soll, eine schwangere Frau, entbrennt ein Konflikt.

Anca Miruna Lazarescu, Regisseurin aus Dachau, zeigte ihren Kurzfilm "Silent River" bei der Berlinale. (Foto: Toni Heigl)

Es war im Sommer vergangenen Jahres, als die Regisseurin Anca Miruna Lazarescu den Kurzfilm "Silent River" ("Apele Tac" auf Rumänisch) nach dieser wahren Geschichte drehte. Damals war sie selbst hochschwanger. Stand im übergroßen Neoprenanzug für Männer nachts im kalten Donauwasser, um mit der Handkamera ganz nah bei den Charakteren zu bleiben.

Wenn sie jetzt auf die Screenshots ihres Filmes sieht, erinnert sie sich an den Stress. Eineinhalb Jahre Zeit, vom ersten Buchstaben des Drehbuchs bis zur ersten Aufführung. Und nur 100 000 Euro Budget.

Lazarescu - das ist der Mädchenname unter dem die 32-jährige Drehbuchautorin und Regisseurin ihre Filme veröffentlicht. Sie trägt den Namen ihres Mannes und heißt Dunga. Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem Mann Florin und der damals einjährigen Tochter Lavinia "aus der Stadt raus" nach Dachau gezogen. Und hat hier "eine Heimat" gefunden, wie sie selbst sagt. Ihre zweite Tochter Emilia ist sieben Monate alt.

Es ist ein täglicher Spagat, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, Ruhe zu finden, filmreife Geschichten aufs Papier zu bringen, als freischaffende Künstlerin am Ball zu bleiben, auf sich aufmerksam zu machen. Und überhaupt erst mal einen Film zu drehen. Das gelingt wohl nur, wenn man temperamentvoll und entschlossen ist wie Anca Miruna Lazarescu.

Mit großen, hellwachen Augen berichtet sie über die Suche nach "geeigneten Locations" für ihre Drehorte, und wie sie ihre Filme auf Festivals, wenn sie im Rampenlicht steht, präsentiert. "Man muss immer pitchen." Es ist ein kurzweiliges Vergnügen, ihr zuzuhören. Man erfährt, dass sie während des Filmschneidens ihr Baby gestillt hat, ihr der Dachauer Künstler Florian Marschall den Rohfilm begutachtet und wertvolle Tipps gegeben hat.

Oder dass sie bei einem Familienurlaub vor dem Drehbeginn in ihrer Heimat Rumänien nach geeigneten Orten, die mit wenig Kosten verbunden sind, gesucht hat. Und dann warnt sie: "Bitte schreiben Sie nicht, dass ich ein Flüchtlingskind bin."

Anca Miruna Lazarescu, geboren in Temeswar/Rumänien, war zehn Jahre alt, als ihre Eltern nach Ceausescus Sturz mit ihr nach Deutschland auswanderten. Dafür ist sie heute noch dankbar. "Ich wäre sonst keine Filmemacherin geworden." Die 32-Jährige, die am gestrigen Freitag Geburtstag feierte, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film München unter anderem zusammen mit Marcus Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot").

Anca Miruna Lazarescu hat mit ihren bisherigen Kurz- und Dokumentarfilmen bereits international auf sich aufmerksam gemacht. "Das Geheimnis von Deva", im Jahr 2007 als bester deutscher Nachwuchsfilm gekürt, wurde in zehn Länder verkauft.

In diesem Februar nahm sie an der Berlinale teil mit ihrem Abschlussfilm "Silent River". Das Rennen um den Goldenen Bären gewann sie nicht. Doch Berlin wird die Dachauerin schon im Dezember wiedersehen, zur Preisverleihung des Europäischen Filmpreises. Ja, Anca Miruna Lazarescu, klingt sehr stolz und freut sich riesig. "Silent River" wurde auf dem Festival Europeu de Curtmetratges de Reus/Spanien ausgezeichnet und vor zwei Wochen auf dem Tampere Film Festival in Finnland für den Short Film Award des Europäischen Films nominiert.

Am Mittwoch gewann Lazarescus Film auf der Regensburger Kurzfilmwoche den mit 1500 Euro dotierten Förderpreis des Film-Fernseh-Fonds Bayern. "Silent River hat uns zutiefst berührt und versteht es, in nur 30 Minuten eine dichte, komplexe Geschichte mit authentisch-berührenden Bildern zu erzählen", begründete die Jury ihre Entscheidung.

Und genau das ist das Ziel der Dachauer Filmregisseurin: Die Zuschauer mit subtilen Mitteln von Anfang bis Ende in Hochspannung zu versetzen. Mit einfachen Mitteln erzählt sie die Geschichte des besten Freundes ihres Vaters, der in den dunkelsten Jahren rumänischer Diktatur geflohen war. Angst und Schrecken musste Anca Miruna Lazarescu als Kind erleben.

Sie besuchte eine deutsche Schule, lauschte Geschichten über schlimme Dinge, die Familien passierten, die dem Regime entfliehen wollten. Später bei ihren Filmrecherchen fand sie heraus, dass die westliche Grenze Rumäniens die blutigste und brutalste war.

Das dunkle Kapitel Rumäniens wird auch in ihrem nächsten Film, an dessen Drehbuch sie gerade schreibt, arbeiten. Doch bevor Anca Miruna Lazarescu in Details geht, hakt sie nach, ob es nicht möglich wäre, den Bayerischen Rundfunk und Strada Film zu erwähnen und de FFF Bayern - wichtige Sponsoren. Die 32-Jährige steht selbstbewusst mitten in der Filmwelt.

© SZ vom 26.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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