Fasching:Hexen suchen Rathäuser heim

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In Markt Indersdorf derblecken sie Bürgermeister Franz Obesser, in Röhrmoos feiern sie ihr 25-Jähriges.

Von Benjamin Emonts, Markt Indersdorf/Röhrmoos

Das lodernde Feuer auf dem Indersdorfer Marktplatz verheißt bereits Unheimliches: Die Hexen sind da. Im Großen Sitzungssaal des Rathauses wird Bürgermeister Franz Obesser von Spitzhüten, schwarzen Röcken und Perücken tragenden, teils furchterregenden Weibern regelrecht umzingelt. Der Sekt fließt. Die Stimmung kocht. Obessers Krawatte ist fein säuberlich abgetrennt, sein Gesicht mit den Abdrücken zahlloser Kussmünder tätowiert. Mehr als 100 Schaulustige können es kaum erwarten, dass ihrem Bürgermeister endlich so richtig die Leviten gelesen werden. Willkommen im Hexenkessel, Herr Obesser.

Wie jedes Jahr am Unsinnigen Donnerstag haben die umtriebigen Indersdorfer Hexen nach ihrem Tanz im Freien das Rathaus geentert. Sie sitzen dort, wo sonst die Gemeinderäte tagen - und fordern ihren Bürgermeister auf, Rede und Antwort zu stehen. Obesser, "a Mischung aus Steckerlfuaß und großem Kopf", den sich die Hexen im vergangenen Jahr "zamghext" haben, ist ob des Trubels geschmeichelt - und peinlich berührt. Schließlich fordern die Hexen endlich eine Volksfesteinladung mit Vollverköstigung. "Je länger es dauert, desto teurer wird's."

"Wir waren noch niemals in New York"

Seit dem Amtsantritt des neuen Bürgermeisters ist den Hexen nichts entgangen. So soll Obesser das Licht seines Büros ununterbrochen brennen lassen - wohlgemerkt, um seinen Arbeitseifer vorzutäuschen. Doch warum zum Teufel steht auch seine Türe immer offen? "Weil er nie da ist." Sein Vorgänger, "Sparfuchs" Josef Kreitmeir, hätte eine derartige Stromverschwendung niemals zugelassen, da sind sich die Hexen sicher. Er hätte seinen Mitarbeitern ja sogar das Licht abgedreht, "obwohl sie noch im Zimmer gewesen sind". Aber Obesser denkt sich: "Ja mei, der Bürger, der zoids scho", spotten die Hexen, um anschließend Udo Jürgens "Wir waren noch niemals in New York" anzustimmen. War es doch Obesser, der kürzlich auf Kosten des Steuerzahlers nach New York zu einer Ausstellung über die Nachkriegszeit im Kloster Indersdorf geflogen war.

Das schadenfrohe Publikum kriegt sich ob der hintergründigen, mit Witz vorgetragenen Hinterfotzigkeiten kaum ein. Als die Hexen ihrem Bürgermeister vorwerfen, immer höhere Mauern um das Rathaus zu ziehen - eine Anspielung auf eine Lärmschutzwand gegenüber dem Rathaus - prasselt ein Orkan der Entrüstung auf Obesser ein. Die Hexen fordern Gleichberechtigung für alle: "Wir dürfen ja auch nicht so hoch fliegen, wie wir wollen."

Eine silberne Hexen-Hochzeit - das ist neu

Einen kurzen Besenritt entfernt, in Röhrmoos, sitzen die Hexen des Ortes in ihrem fahrbaren Wohnzimmer, das von einem Traktor gezogen wird. Die Aufregung ist groß - sie wird von Zeit zu Zeit mit einem Schluck Schnaps aus der Warze einer Busentasse runtergeschluckt. Die Röhrmooser Hexen mit ihren Plastiknasen - eine länger als die andere - feiern heute nicht nur ihren 25. Geburtstag - im Rathaus nebenan steht auch eine Vermählung an. Es heiraten: "Ophelia Britschnbichler, verwitwete Besenreiter, und Donatus Alise Soachrindl-Leitenscheisser vo Odlgruab". Bürgermeister Dieter Kugler trägt für diesen Anlass einen Frack und Zylinder, Gürtel und Fliege sind im Disco-Kugel-Glitter-Style gehalten. Ihm steht die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Dank ihm, dem Standesbeamten, dürfen neuerdings Eheschließungen in Röhrmoos anstatt in Markt Indersdorf vorgenommen werden. Aber eine silberne Hexen-Hochzeit? - Nein, das hat auch Kugler noch nicht erlebt.

Am Pult also stellt Kugler, der Inbegriff des Dorfbürgermeisters, seine gewissenhaft vorbereiteten Fragen an das Brautpaar: "Bist du bereit, die nächsten 25 Jahre den Besen deines holden Weibes abzustauben, zu waschen und zum Trocknen an den Haaren aufzuhängen und es mit der ehelichen Treue wengerl genauer zu nehmen?" Soachrindl-Leitenscheisser ringt sich nach hartem Kampf zu einem "Ja" durch. "Und Sie, liebreizende Silberbraut, ehrsame Woidhex, bist du bereit auch künftig, bis zum bitteren Ende, deinem Oidn das Bett vorzuwärmen und ihm in allen Lagen und Stellungen zur Verfügung zu stehen?" Die Britschenbichlerin antwortet: "I mog."

Eine bucklige Geschichte

Nachdem die Eheschließung der etwas derberen Art vollzogen ist, überreicht die mit Krapfen und Sekt verwöhnte Feiergesellschaft dem Brautpaar Geschenke. Mit dabei der von Bürgermeister als "Oberdompteur" vorgestellte Stefan Löwl. Kugler überreicht im Namen seiner Gemeinde zwei ultramoderne Besen, die aussehen, als stammten sie aus der Billig-Abteilung eines Baumarkts. Geradezu künstlerisch wertvoll wirkt dagegen ein Verkehrsschild, das Bauhofmitarbeiter Stefan Orthofer dem Brautpaar übergibt. Die rote Umrandung des dreieckigen Schildes, auf dem eine Hexe dem Mond davon fliegt, hat eine klare Botschaften: Vorsicht Hexen!

Dass die auch unangenehm werden können, bekommt Kugler beim anschließenden Derblecken auch gleich zu Spüren. "In Röhrmoos do is, biod gor nix mehr los, ja legt's ihr denn bloß, eire Händ in den Schoß", fragen die Hexen in Anspielung auf Röhrmoos, das im Begriff sei, zu einem "Schlafdorf" zu mutieren. Wenn es so weiter gehe, sei wohl bald Schönbrunn das neue Gemeindezentrum. Höchste Zeit also, um die Gestaltung der Ortsmitte in Röhrmoos endlich in "trockene Tücher" zu bringen. Als kleine Erinnerungsstütze überreichen die Hexen Kugler eine Windel. Apropos. Der Weg vom Rathaus zum Bahnhof, so finden die Hexen, schaut "gruslig aus - des is a Graus". Und damit nicht genug: "der Radlweg ins Dorf nei, is immer no a bucklige Gschicht, ja werd denn de Pistn gor nimma g'richt?"

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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