Eklat in einem Dachauer Bordell:Schmerzhafter Besuch im Freudenhaus

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Den Bordellbesuch wird ein 35-Jähriger nicht vergessen: Er wurde vom Besitzer verprügelt. Dieser erhielt nun eine Bewährungsstrafe.

Daniela Gorgs

Die Geschichte ist dem Opfer derart peinlich, dass es sich von einem Rechtsberater in den Zeugenstand begleiten lässt. Der 35-jährige Handwerker will sich gegen unangenehme Fragen wappnen. Verlegen dreht er an seinem Ehering, die Worte wählt er vorsichtig: "Ich hatte einen relativ guten Rausch."

Das Amtsgericht Dachau verurteilte einen Bordellbesitzer zu einer Bewährungsstrafe, weil er einen renitenten Gast verprügelte. (Foto: dpa)

Der Man hatte schon knapp zehn halbe Bier getrunken, bevor er an einem Wochentag im Juli vergangenen Jahres mit einem Bekannten in einem Bordell in Dachau gelandet war. In dem Etablissement verhielt er sich ungebührlich. Er bestellte Champagner, den er nicht zahlen wollte, und fing an, die Bardame anzupöbeln. Der Bordellbesitzer, der im Nebenraum gedöst hatte, wachte von dem Streit auf und fackelte nicht lange. Er ging in die Bar, schrie den unflätigen Freier an und drosch auf ihn ein.

Dieser Vorfall ist laut Polizeisprecher Michael Richter im Landkreis bislang einzigartig. "Körperverletzung im Rotlichtmilieu kommt ganz selten vor." Jetzt befasst sich das Schöffengericht mit dem Fall. Die Staatsanwaltschaft hält dem 43-jährigen Bordellbesitzer gefährliche Körperverletzung und Bedrohung vor. Laut Anklage soll der 43-Jährige den betrunkenen Kunden mit einer etwa fünf Zentimeter starken Eisenstange mehrfach malträtiert haben. Ohne Vorwarnung soll er die Stange viermal auf den Kopf seines Opfers geschlagen haben und zweimal auf den Oberkörper. Mit schweren Verletzungen wurde der Handwerker in ein Krankenhaus gebracht.

Auf der Anklagebank sitzt der 43-Jährige in kariertem Hemd und Boots. Der 100-Kilo-Mann hört sich die Vorwürfe an, ohne seine Miene zu verziehen. Dann streitet er alles ab und erzählt seine Version. Er sei am Nachmittag in den Club gefahren, um eine defekte Lüftungsanlage zu reparieren. Während der Instandsetzung habe er eine halbe Flasche Wodka getrunken und sich dann im Vorstellungszimmer hingelegt. Vom Krach und Geschrei sei er aufgewacht. Weil ihn die Bardame angerufen und um Hilfe gebeten habe, sei er ins Lokal hinübergegangen. Dort habe er die beiden Männer, die am Tresen saßen, angeschrien. Der eine sei aufgesprungen und mit einem Aschenbecher bewaffnet drohend auf ihn zugeschritten. Der Mann habe ihm den Aschenbecher ins Gesicht geschlagen. Um sich zu wehren, habe er sich einen gläsernen Teelichthalter geschnappt und ebenfalls zugehauen. Man habe sich ein paar Minuten lang gerauft, "ein Schlag folgte auf den anderen".

Es ist ein langer Prozess. Siebeneinhalb Stunden hört sich das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichterin Petra Nolte am Mittwoch acht Zeugen an, die unterschiedlicher nicht aussagen könnten. Mehrfach werden die Bardame und eine Prostituierte vor den Konsequenzen einer möglichen Falschaussage gewarnt. Auch der Bekannte des Opfers, der anfänglich nur herumdruckst, wird daraufhin gewiesen, "alles sagen zu müssen". Doch erst nach mehrfachem Drohen verrät er, dass der 35-Jährige sich an dem Abend "wenig charmant" benommen habe. Er habe "böse Wörter" gesagt. Auf Drängen des Staatsanwaltes erfährt das Gericht, dass er die Bardame als "Schlampe" tituliert habe. Für den Bekannten ist der Auftritt vor Gericht fast noch unangenehmer als für das Opfer. Er betont, dass er nur als "Aufpasser" in das Etablissement mitgegangen sei. Damit der Kollege, der häufiger in dem Bordell verkehrt, keinen "Blödsinn macht".

Der 34-jährige Bekannte, der an dem Abend nüchtern war, bestätigt, dass es wegen der Zeche zu einem Streit gekommen sei. Als sich die Situation beruhigt habe, sei der Angeklagte plötzlich im Raum gestanden, habe den Bekannten angeschrien und ihn sofort danach mit einer Eisenstange malträtiert. Er selbst sei dem Ganzen aus dem Weg gegangen. "Ich hatte mehr Schiss als Vaterlandsliebe." Die Bardame sei dazwischen gegangen und habe sich mit ausgebreiteten Armen vor den Angeklagten gestellt. Der 34-Jährige ist heute noch geschockt von dem Vorfall: "Er hätte uns ja rausschmeißen können, dann wäre nichts passiert."

Das Opfer hatte 1,9 Promille im Blut und kann sich nicht mal an den Widersacher erinnern. Wohl aber sei er nach dem ersten Schlag auf den Kopf kurzzeitig ernüchtert gewesen. "Es war ein kräftiger, ordentlicher Schlag." Er selbst habe nichts in der Hand gehabt, sich aber auch einmal mit den Fäusten zu wehren getraut - vergeblich. Nach dem Vorfall machten sich Opfer und Bekannter davon, riefen vor dem Eingang Krankenwagen und Polizei. Beide sprechen von einer Eisenstange, mit der der Angeklagte zugeschlagen haben soll. Die Bardame aber beteuert, es sei ein Teelichtkerzenhalter gewesen. Angefangen hätte zudem der garstige Kunde. Auch eine Prostituierte berichtet, sie habe Scherben eines zerschlagenen Aschenbechers und eines Kerzenständers gesehen. Mit keinem Wort hatten die Damen dies bei der ersten polizeilichen Vernehmung berichtet.

Laut dem Sachverständigen schlug der Angeklagte mit einer Eisenstange zu. Mit einem Kerzenständer hätte das Opfer nicht derart schwere Quetsch-Riss-Wunden davontragen können. Der Staatsanwalt sieht die Anklage bestätigt und fordert 30 Monate Bewährung. Der Verteidiger spricht von "unsauberen Ermittlungen" und fordert einen Freispruch für seinen Mandanten, der aus Notwehr gehandelt habe. Das Schöffengericht verurteilt den Bordellbesitzer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldauflage von 5000 Euro an den Weißen Ring, der sich Opfer von Straftaten kümmert. Der nüchterne Bekannte habe glaubwürdig ausgesagt, die anderen Zeugen hätten sich in Widersprüche verwickelt. Mit einer Eisenstange habe der Angeklagte sein Opfer mehrmals geschlagen und sich danach nicht um den extrem Blutenden gekümmert.

© SZ vom 06.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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