Dachau/München:"Pumuckelhafte Sachen"

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Psychisch kranker Mann fühlt sich verfolgt und terrorisiert Nachbarn. Jetzt steht er vor Gericht

Helmut W. gehörten einmal drei Sportwagen. Bereits mit Mitte 20 verdiente er sehr viel Geld. 4000 Mark netto im Monat. Das war in den 80er und 90er Jahren. Dann wurde der Dachauer psychisch krank und er schloss einen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber. Im Jahr 2000 kaufte er sich eine Eigentumswohnung, verlor aber den Kontakt zu seinen Mitmenschen. W. begann Drogen zu inhalieren und immer mehr Alkohol zu trinken. So schilderte es die Verteidigerin des 51-Jährigen, Rechtsanwältin Berna Behmoaram, vor dem Landgericht München II. Helmut W. wird vorgeworfen, er habe von Ende 2013 bis zu seiner einstweiligen Unterbringung im Isar-Amper-Klinikum in München-Haar im Herbst vergangenen Jahres fortwährend seine Nachbarn terrorisiert oder ihnen nachgestellt.

Ärzte haben bei Helmut W. eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Für einen Teil der Vorwürfe kann er deshalb strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Etwa für die Schläge mit einer Axt gegen die Tür eines Nachtclubs. Zum Zeitpunkt der übrigen Taten war W. in seiner Schuldfähigkeit vermutlich vermindert. Die Staatsanwaltschaft fordert jedenfalls die Unterbringung des 51-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Über seine Verteidigerin räumte Helmut W. die meisten Vorfälle ein. Vieles von dem, was ihr Mandant gemacht habe, seien "pumuckelhafte Sachen" gewesen, sagte Rechtsanwältin Behmoaram. Nach den Anschlägen in New York vom 11. September 2001 fühlte sich der 51-Jährige durch "die Amerikaner" verfolgt. Er bildete sich ein, sie machten ihn für die Terroranschläge verantwortlich. Er tauschte das Namenschild an seiner Tür aus und nannte sich "Osama im Laden". Seit Osama bin Laden tot ist, fühlt W. sich nun aber von seinen Nachbarn verfolgt. Besonders übel nimmt er ihnen, dass sie angeblich alles dafür tun, damit er dauerhaft in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wird. Um sich zu rächen, schüttete der 51-Jährige etwa einem Nachbarn seinen Urin in dessen Mineralwasserflaschen. Der Kasten stand frei zugänglich in der Tiefgarage der Wohnanlage. Ein andermal heftete er ein pornografisches Foto an die Tür einer Nachbarin, ließ Luft aus den Reifen der Autos seiner Nachbarn, beleidigte und bedrohte sie mit dem Tod und griff sie tätlich an. Andere terrorisierte er am Telefon oder setzte grundlos Notrufe im Namen eines Nachbarn ab. Dieser Nachbar vertritt unter anderem die Wohnungseigentümer vor Gericht gegen den 51-jährigen Mann aus Dachau. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 04.05.2015 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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