Dachau/Karlsfeld:Traglufthallen werden geräumt

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Im Winter sollen die provisorischen Massenunterkünfte für Flüchtlinge endgültig geschlossen werden.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau/Karlsfeld

Die Asylsuchenden aus der Traglufthalle im Gewerbegebiet Karlsfeld sollen in den kommenden Monaten in andere Landkreise in Oberbayern verlegt werden. Das hat die Bezirksregierung dem Landratsamt mitgeteilt. Konkretere Zeitangaben seien nicht gemacht worden, sagt Wolfgang Reichelt, Sprecher der Landkreisbehörde. Die Traglufthalle ist eine provisorische Unterkunft, sie sollte nur als Übergangslösung dienen. Noch sind dort 124 Menschen untergebracht. Im Winter läuft der Vertrag aus, Landrat Stefan Löwl (CSU) will ihn nicht verlängern. Eine neue, feste Unterkunft im Landkreis wird es aber bis dahin nicht geben. Mitarbeiter des Landratsamts haben den Karlsfelder Helferkreis über den anstehenden Umzug informiert. Die Ehrenamtlichen reagieren gefasst auf die Nachricht. Sie sind froh, dass die schwer auszuhaltenden Wohnbedingungen in der Traglufthalle damit beendet sind, bedauern aber, dass die Menschen aus ihrem vertraut gewordenen Umfeld gerissen werden.

Baustopp für neue Unterkünfte

Landratsämter und Regierung wollen nach und nach Massenunterkünfte in Turnhallen und Traglufthallen schließen. Sie wurden nur belegt, weil nicht schnell genug feste Unterkünfte gebaut werden konnten. Die beengte Unterbringung mit wenig Privatsphäre hat immer wieder zu Konflikten zwischen Bewohnern und Sicherheitspersonal geführt, auch in den beiden Traglufthallen in Karlsfeld und Bergkirchen. Die Asylsuchenden sollen sukzessive auf feste Unterkünfte verteilt werden. Im Frühjahr hat die Regierung von Oberbayern allerdings einen Baustopp für neue Unterkünfte verhängt, sie reagierte damit auf die gesunkene Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge. Seitdem genehmigt sie nur noch beschränkt neue Unterkünfte. Eine davon vor kurzem in Karlsfeld: Am sogenannten Spitz nahe des Sees entstehen Wohnungen in Holzmassivbauweise für 186 Menschen. Sie werden voraussichtlich erst im Frühjahr bezugsfertig sein, zu spät, als dass die Bewohner der Traglufthalle dort hin ziehen könnten. Der Helferkreis begrüßt die Entscheidung, die schwierige Unterkunftssituation der Traglufthalle zu beenden. Dass soziale Kontakte und erfolgreiche Schritte der Integration damit gebrochen würden, sei menschlich bedauerlich. Man sehe dies aber im Gesamtzusammenhang; an den neuen Orten würden sicherlich neue Kontakte entstehen. Der Helferkreis sei froh, sein Möglichstes für die Menschen getan zu haben und hoffe auf die gleiche Unterstützung durch Ehrenamtliche andernorts. "Die Traglufthalle war für alle eine Übergangslösung, und damit ist dieser Schritt keine Katastrophe."

Ob zumindest die Asylsuchenden aus der Traglufthalle im Bergkirchener Gewerbegebiet Gada in die neue Unterkunft in Karlsfeld ziehen können, weiß Landratsamtssprecher Reichelt noch nicht. Sie wurde im Januar belegt, und der Betrieb könnte möglicherweise um ein paar Monate verlängert werden. Dort leben 165 Menschen. Die meisten Asylsuchenden in den Traglufthallen stammen laut Reichelt aus Nigeria und Pakistan. Sie müssen oft länger auf den Abschluss ihrer Asylverfahren warten, weil die Anträge von Gruppen mit besseren Bleibechancen bevorzugt behandelt werden. Dem Landkreis wurden besonders viele Menschen aus diesen Ländern zugewiesen. Seit Anfang Mai ist die Zahl der Bewohner in beiden Hallen deutlich zurückgegangen, in Bergkirchen um 84, in Karlsfeld sogar um 106 Menschen.

82 Asylsuchende sind freiwillig ausgereist

Im Landratsamt führt man diese Entwicklung auf Abschiebungen, freiwillige Ausreisen und Anerkennungen zurück. Eine statistische Aufschlüsselung nur für die Traglufthallen macht die Behörde allerdings nicht. Nur für den gesamten Landkreis erhebt sie Daten: 82 Asylsuchende sind in diesem Jahr bisher freiwillig ausgereist, 2015 waren es 98. Sieben Personen wurden abgeschoben, im gesamten Vorjahr waren es doppelt so viele. Damals wurden 109 Menschen als Flüchtlinge anerkannt, 25 erhielten Abschiebeschutz, in diesem Jahr waren es bisher 177 und zwölf.

Dass die Traglufthallen sich geleert haben, hat aber noch einen anderen Grund. "Es gibt immer wieder Bewohner, die einfach gehen", sagt Behördensprecher Reichelt, "die sich aus dem Verfahren ausklinken, untertauchen." Auch in festen Unterkünften komme das immer wieder vor. Eine genaue Zahl kann Reichelt nicht nennen, spricht aber von "weit über 100 Personen". Dass ein Asylsuchender den Landkreis dauerhaft verlassen hat, merken meist die Helferkreise oder der Kümmerer des Landratsamts, die viel in den Unterkünften sind und Kontakt zu den Mitbewohnern haben. Manchmal falle das Fehlen auf, wenn ein Bewohner nicht zur Auszahlung des Monatsgeldes erscheint, sagt Reichelt. Den Bezirk Oberbayern dürfen die Asylsuchenden für die Dauer ihrer Verfahren nicht verlassen, ansonsten können sie kommen und gehen, wann sie wollen. "Sie sind freie Menschen", sagt Reichelt.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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