Volle Wartezimmer:Mit Grippe in die Notaufnahme

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Auf dem Höhepunkt der Influenza-Welle im Landkreis müssen viele Patienten stundenlang beim Arzt warten, manche kommen gar nicht erst dran.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Mittagszeit im Medizinischen Versorgungszentrum Dachau (MVZ). Vor dem Empfang einer HNO-Praxis hat sich bis zur Eingangstür eine Schlange gebildet. Hoffnungslos überfüllte Wartezimmer zwingen die Patienten, im Stehen zu warten. Als wäre all das nicht genug, schickt die Arzthelferin voraus: "Im Moment haben wir viele Kranke. Sie müssen also viel Wartezeit mitbringen." Wenig später wird die freundliche Dame mit einer Pinzette Gummibärchen an die Patienten verteilen. Denn die warten bis zu zwei Stunden, bis der Arzt sie behandelt.

Laut dem Vorsitzenden des ärztlichen Kreisverbands Dachau, Hans-Ulrich Braun, ist das der ganz normale Wahnsinn, der sich derzeit in den Arztpraxen des Landkreises abspielt. Laut Braun wird die Region aktuell von einer beachtlichen Influenza-Welle heimgesucht, die gerade erst auf ihrem Höhepunkt angelangt ist. "Die Ärzte", sagt Braun, "sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt." Eine HNO-Praxis in der Münchner Straße muss an diesem Vormittag sogar Notfallpatienten abweisen. Laut Braun klagen vielerorts Kollegen, kaum noch hinterherzukommen ob des Ansturms auf ihre ausgelasteten Arztpraxen.

Gliederschmerzen, Schüttelfrost und hohes Fieber

Die Symptome, mit denen die Kranken vorstellig werden, seien dabei oftmals dieselben. Plötzliches Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen, Schüttelfrost, starke Abgeschlagenheit, mehr als 40 Grad Fieber, teilweise Durchfälle. Alles Symptome, die auf eine klassische Grippe hinweisen.

Die Kranken sind Ärztesprecher Braun zufolge überwiegend jüngere Personen und Menschen mittleren Alters. "Ältere sind oft geschützt, weil sie die Influenza schon hatten." Angesichts der Vielzahl an Krankheitsfällen rät Braun inzwischen auch jungen Menschen dazu, sich gegen die Influenza impfen zu lassen. Für unter 60-Jährige kostet eine solche Behandlung zwar 30 Euro. Gegen den "schwerwiegenden Verlauf", welchen die Influenza im Regelfall nehme, sei eine Impfung jedoch ein probates Mittel. "Gerade für Menschen, die im Alltag viel unter Leuten sind."

Der Grippe folgen oft Sekundärinfektionen

Dass neben den Hausärzten auch die HNO-Praxen im Landkreis alle Hände voll zu tun haben, vermag Braun nicht zu verwundern. "Durch die Schwächung des Immunsystems haben es die Bakterien leichter als sonst. Das führt zu Sekundärinfektionen wie Mittelohrentzündungen, bakterieller Bronchitis, Nasennebenhöhlenentzündungen, Lungenentzündungen und Mandelentzündungen."

Die Ursache für die Influenza-Welle sieht Braun in den starken Temperaturschwankungen der vergangenen Wochen. "Der ständige Wechsel von Wärme und Kälte ist schlecht für die Atemwege und Bronchien." Auch die Notaufnahme des Helios-Amperklinikums Dachau bekommt die Vielzahl der Krankheitsfälle zu spüren. "Wir verzeichneten im Januar und Februar einen Anstieg der stationären Fallzahlen als auch der ambulanten Notfallbehandlungen im Vergleich zum Vorjahr", sagt Klinik-Sprecherin Romana Bronner. Im Wissen um die verlängerten Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten erhofften die Kranken sich eine schnellere Behandlung in einer Notaufnahme. Außerdem erwarteten sie sich eine umfangreichere Diagnostik im Krankenhaus, "statt einzelne Facharzttermine an verschiedenen Tagen wahrzunehmen".

Eine allgemeine Unkenntnis darüber, was die Aufgaben einer Notaufnahme sind und welche Alternativen es für chronische oder akut einsetzende Erkrankungen gibt, trage ihr Übriges zum verstärkten Andrang auf die Notaufnahme bei. Nicht zu vergessen "die mangelnde Bereitschaft bei nicht-akuten oder chronischen Erkrankungen, vier Wochen lang auf entsprechende Facharzttermine zu warten".

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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