Dachau:Kirchenchor brilliert mit Mozarts Waisenhaus-Messe

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Sopranistin Anna Maria Bogner verleiht dem Abend in der Pfarrkirche Heilig Kreuz den besonderen Glanz.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Die als Waisenhaus-Messe bekannte große Festmesse für Soli, Chor, Orchester und Orgel in c-Moll von Mozart ist ein Rätsel - oder ein Wunder. Der zwölfjährige Wolfgang Amadeus befand sich 1768 zusammen mit seinem Vater Leopold in Wien, wo seine Opera buffa "La finta semplice" uraufgeführt werden sollte. Diese Aufführung wurde aber hintertrieben, obwohl der Kaiser Interesse daran gezeigt hatte. Vielleicht als Entschädigung dafür erhielt der zwölfjährige Bub den Auftrag, für die Eröffnung der Kirche des neuen Wiener Waisenhauses eine Festmesse, ein Offertorium und ein Trompetenkonzert zu schreiben. Offertorium und Trompetenkonzert sind verloren; ob die Festmesse auch verloren ist oder ob es das jetzt als Waisenhaus-Messe bekannte Werk ist - darüber streiten sich die Mozart-Kenner.

Ritter Köchel, der Schöpfer des als Köchel-Verzeichnis bekannten Verzeichnisses der Werke Mozarts, glaubte noch, diese Messe sei 1772 geschrieben worden und gab ihr in seiner Auflistung die Nummer 139. In der 3. Auflage war sie unter der Nummer 114 a bei den Werken von 1771 zu finden, und jetzt wird sie unter der Nummer 47 a als die 1768 "vermutlich zur Einweihung der Waisenhauskirche am Rennweg zu Wien" geschriebene Messe geführt. Halten wir uns an den neuesten Stand, setzten wir uns über alle psychologischen und stilistischen Einwände hinweg und betrachten diese im neapolitanischen Opernstil voller Dramatik geschriebene Messe als ein Wunder des Wunderkindes Mozart.

Irmgard Reichl auf dem Dirigentenpult meistert den Abend mit Chor und Orchester. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Es ist kein Wunder, aber doch eine sehr bemerkenswerte Tatsache, dass der Kirchenchor der Dachauer Pfarrkirche Heilig Kreuz diese unerhört anspruchsvolle Festmesse in seinem Repertoire hat und auch immer wieder einmal zur Aufführung bringt. Jetzt war es wieder soweit, und der Beginn des Kyrie konnte in seiner c-Moll-Wucht erklingen. Was kann man nicht allein aus diesem Anfang heraushören, eine "Szene aus dem Inferno, den dreimaligen Schrei der ganzen Chormasse, dazwischen ein echt Mozartsches, schicksalsschwer im Dreiklang absteigendes Motiv in den beiden Geigen, dem ein dumpfes Schluchzen in den Posaunen und Bratschen antwortet; gleich darauf läuft ein Tremoloschauer durch das Orchester". Das hörte der Mozart-Biograf Hermann Abert aus der Partitur oder einer Aufführung heraus. Ganz so wild romantisch erklang Mozarts Musik in Heilig Kreuz nicht, aber Format hatte dieser von düsteren Posaunenklängen bestimmte Kyrie-Anfang und schließlich die ganze Aufführung der Messe.

Ein Viertel Männerstimmen

Von einer "Chormasse" kann man hier in Heilig Kreuz nicht sprechen, eher von einem stattlichen, leistungsfähigen Kirchenchor, wenn auch nur neun Männerstimmen dem etwa Dreifachen an Frauenstimmen gegenüberstehen. Der Chor ist für jede Aufführung sehr gut vorbereitet, was er zu singen hat, "sitzt", und das hört man auch immer deutlich heraus. Für kleinere Solopartien stehen aus dem Chor vier tüchtige Stimmen zur Verfügung, Rosa Obermaier (Sopran), Ursula Sandmann (Alt), Michael Fink (Tenor) und Martin Hubner (Bass), die große Solistin des Abends aber war Anna Maria Bogner. Ihre Stimme verlieh dem Abend Glanz, nicht nur bei Mozarts Waisenhaus-Messe, auch bei dem Mozart zugeschriebenen, sehr beliebten Offertorium "Sub tuum praesidium", das wohl ursprünglich ein Opernduett war, und vor allem beim "Jubilate Deo" für Solosopran, Solovioline, Chor und Orchester von Louis Spohr. Der Chor hat es bei diesem Stück textlich leicht, er muss nur immer wieder "Halleluja" singen. Alles andere besorgt der Solosopran im Wechsel mit der Solovioline. Anna Maria Bogner und der im Landkreis sehr gut bekannte Geiger Eugen Tluck musizierten hervorragend und ergänzten sich ideal. Eugen Tluck war auch der Konzertmeister des für diesen Abend zusammengestellten Orchesters, das engagiert und sauber musizierte.

Josef Reichl sitzt währenddessen an der Orgel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Zu Beginn des Konzerts blieb der Chorraum der Kirche leer. Der Kirchenchor hatte noch frei, und das Orchester versammelte sich auf der Orgelempore, um zusammen mit Josef Reichl an der Orgel das erste Orgelkonzert von Josef Rheinberger zu spielen. Dieses Werk ist formal kein Konzert im üblichen Sinn mit stetem Wechsel zwischen Solopassagen und Orchesterritornellen. Rheinberger wollte, dass die Orgel mit dem Orchester klanglich verschmelze. Das gelang nur bedingt, denn die Orgel war klanglich derart dominant, dass sie das Orchester eher verschluckte. Trotzdem war es eine Freude, die sehr schöne romantische Musik von Rheinberger zu hören. Zu bewundern war Josef Reichl als Solist, noch mehr aber seine Frau Irmgard Reichl als die musikalische Leiterin des Abends, die es versteht, mit Musikern und Sängern so gut umzugehen, dass alle bei ihren Aufführungen gern mitmachen.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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