Dachau:35-Jährige soll versucht haben, Ehemann zu töten

Lesezeit: 3 min

  • In Dachau steht eine 35-Jährige vor Gericht, weil sie nach einem Streit versucht haben soll, ihren Mann zu töten.
  • Laut Staatsanwaltschaft stach sie mindestens sieben Mal zu. An die Tat kann sie sich nicht erinnern, sagt die Frau.
  • Der Ehemann war mehrfach ausgerastet. Sie schildert ihre Ehe als Martyrium mit Schlägen, Erniedrigungen und voller Angst.

Von Andreas Salch, Dachau / München

Sie wollte ihren Mann mit einem Küchenmesser töten, als er schlief. Julia S. ( Name geändert), Mutter zweier Kinder aus Dachau, stach in den frühen Morgenstunden des 3. August vorigen Jahres laut Staatsanwaltschaft mindestens sieben Mal zu. In den Oberkörper und einen Oberarm. Doch dann soll die 35-Jährige Mitleid mit ihrem ein Jahr älteren Mann bekommen haben. Er blutete sehr stark. Sie setzte einen Notruf ab. Ärzten gelang es, das Leben des Familienvaters zu retten.

Hätte Julia S., die sich seit diesem Mittwoch vor dem Landgericht München II verantworten muss, keine Hilfe geholt, wäre sie wohl wegen versuchten Mordes angeklagt worden. Doch so lautet die Anklage lediglich auf gefährliche Körperverletzung. Seit der Tat sitzt sie in Untersuchungshaft.

Ihr Mann sei ein Trinker, erniedrige, beleidige und schlage sie immer wieder

Es ist kurz nach 9.30 Uhr, als Julia S. von zwei Wachtmeisterinnen in den Gerichtssaal B 266 geführt wird. Sie ist mittelgroß, zierlich und fast ganz in Schwarz gekleidet. Ihr Gesicht ist fahl. In der rechten Hand hält sie einen weißen Rosenkranz. Am Mittelscheitel der 35-Jährigen sind ihre sonst schwarzen Haare bereits grau. Vor sich auf die Anklagebank legt Julia S. eine Packung Taschentücher.

Als sie zu erzählen beginnt, was in der Nacht auf den 3. August vorigen Jahres geschehen ist, spricht sie mit tränenerstickter Stimme. Ihre Ehe schildert sie als ein Martyrium. Ihr Mann erniedrige und beleidige sie. Er sei ein Trinker. Immer dann, wenn er mehr als genug hatte, soll der 36-Jährige seine Frau brutal geschlagen haben. Einmal, so berichtet die Angeklagte, habe er ihr das Nasenbein gebrochen. Während ihrer Vernehmung bricht die Dachauerin immer wieder in Tränen aus und schluchzt.

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Am Tag vor der Tat, einem Sonntag, soll ihr Mann schon morgens ausgerastet sein. "Er hatte eine Fahne", so die Angeklagte. Sie verließ mit den Kindern die Wohnung und fuhr mit ihrem Auto zu ihrer Schwester. In München trafen sie Verwandte. Doch ihr Ehemann habe darauf gedrängt, sie solle nach Hause kommen. "In zehn Minuten", habe er am Handy gedroht.

Die Polizei bat Julia S. an, den Ehemann mitzunehmen - sie lehnte ab

Als sie in ihre Wohnung zurückgekommen sei, habe ihr Mann sie gepackt und angeschrien, berichtete Julia S. Nachbarn hatten längst die Polizei alarmiert, da der 36-Jährige offenbar auch, als er noch alleine war, herumgebrüllt hatte. Auch die Polizeibeamten merkten, dass der Ehemann betrunken war. Sie sagten zu Julia S., sie könnten ihn mitnehmen.

Doch die 35-Jährige schlug das Angebot aus. Aus Angst, wie sie sagt. Ihr Mann habe ihr bereits früher gedroht, sollte sie nochmals die Polizei rufen, sei sie "schon längst tot, wenn sie kommen". Als die Polizisten weg waren, habe sie sich im Wohnzimmer auf einen Stuhl setzen müssen, so die Dachauerin.

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Ihr Mann habe geschrien, ihre Eltern sollten endlich aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Dann soll der 36-Jährige gegen die Mutter von Julia S. unsägliche Beleidigungen ausgesprochen haben. Ihre beiden Kinder hätten alles mitbekommen, so die Angeklagte. Als ihr Kleinster sich habe an sie schmiegen wollen, habe ihr Mann ihr mit der Faust auf die Nase geschlagen. Danach legte er sich hin.

"Ich dachte, ich explodiere"

Doch im Schlafzimmer sei es weitergegangen. "Du hast so ein Glück, dass wir hier in Deutschland sind, sonst würde ich deine Eltern töten und dir solange ins Gesicht treten, bis das Blut spritzt", soll der 36-Jährige sie angefahren haben. Der Mann stammt aus Bosnien. Dann habe er sie aus dem Schlafzimmer geworfen. Was dann geschah, daran, so Julia S., habe sie keine Erinnerung mehr. "Wie im Schnelldurchlauf" seien "Bilder aus der Vergangenheit" vor ihrem geistigen Auge abgelaufen. Bilder, auf denen sie tot in einem Bett liege. "Ich dachte, ich explodiere."

Das nächste, woran sie sich erinnern könne, sei ein Messer, das sie in der Hand gehalten habe. Sie habe es aus Angst weggeschmissen. Ihr Mann sei blutüberströmt im Flur gestanden. "Ich ahnte schon", sagt Julia S. und stockt. Dann fügte sie hinzu: "Ich habe wirklich Angst vor ihm gehabt." Der Prozess dauert an.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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