Dachau:Gestraft genug

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Ein 18-Jähriger hat einen Unfall verursacht, bei dem sein bester Freund starb. Obwohl er selbst bis heute an den Folgen leidet musste er sich vor dem Amtsgericht verantworten.

Walter Gierlich

Der Verteidiger drückte in seinem Plädoyer aus, was wohl alle Anwesenden im Gerichtssaal fühlten: "Egal zu welchem Ergebnis man kommt, es spielt keine Rolle im Vergleich zu dem, was dem Angeklagten schon passiert ist." Richterin Claudia Nolte sprach ihn zwar schuldig der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung, sah jedoch von einer Strafe ab, denn sie gab ihm lediglich auf, seine Psychotherapie und seine Rehabilitationsmaßnahmen bis 31. Januar 2012 fortzusetzen. "Das Fehlverhalten liegt im alleruntersten Bereich", sagte sie in ihrer Urteilsbegründung.

Auf der regennassen Fahrbahn geriet der 18-Jährige mit seinem Wagen in einer Kurve ins Schleudern und rammte einen VW-Bus. (Foto: CARO)

Der junge Mann hatte vor fast genau einem Jahr - sechs Tage nach seinem 18. Geburtstag - einen Unfall verursacht, bei dem sein bester Freund starb und der Fahrer des entgegenkommenden Wagens schwer verletzt wurde. Doch auch der Angeklagte aus dem Landkreis Dachau selbst wurde schwer verletzt, lag sieben Wochen im Koma, musste danach wieder lernen zu sprechen und zu gehen. Noch bis Januar 2012 ist er in einer Reha-Klinik untergebracht, wo er wegen seiner Schuldgefühle auch psychotherapeutisch behandelt wird. Seine Ausbildung musste er abbrechen, seinen Freundeskreis und seine soziales Umfeld verlor er ebenfalls. An das Unfallgeschehen auf der Straße zwischen Arnbach und Erdweg hat er bis heute keinerlei Erinnerung: "Das ist alles verschwommen, wie im Nebel", sagte er immer noch stockend und nach Worten suchend.

Der Unfallhergang war rasch und eindeutig geklärt: Am 7. September vergangenen Jahres verlor der 18-Jährige, der zuvor begleitetes Fahren mit 17 gemacht hatte, auf regennasser Straße in einer Kurve die Kontrolle über seinen Kleinwagen und schleuderte in einen entgegenkommenden VW-Bus. Der Beifahrer, der beste Freund des Angeklagten, war sofort tot und auch bei dem jungen Mann war den Helfern des Rettungsdienstes unklar, ob er überleben würde. Der Fahrer des entgegenkommenden Wagens hatte noch ein halbes Jahr nach dem Unfall Beschwerden. Keiner der Unfallbeteiligten wies auch nur die geringsten Spuren von Alkohol im Blut auf. Alle Zeugen sagten übereinstimmend, dass es sich um eine schwer zu nehmende Kurve handle. Der Polizeibeamte, der damals die Ermittlungen an der Unfallstelle durchgeführt hatte, berichtete zudem, dass sich nur eine Woche später an derselben Stelle erneut ein schwerer Unfall ereignet habe.

Der Sachverständige Erich Schöbel kam zu dem Ergebnis, dass letztlich eine Verkettung unglücklicher Umstände Ursache für das tragische Geschehen gewesen sei: Der junge Mann sei zwar höchstens mit 75 bis 81 Stundenkilometern in die Kurve gegangen, für einen Anfänger und auf nasser Fahrbahn sei das aber zu schnell gewesen. Dazu hätten eine Bodenwelle und eine gebrochene Feder an der Hinterachse, die der Autobesitzer nicht habe erkennen können, dazu beigetragen, dass er ins Schleudern gekommen sei. "Ein erfahrener Fahrer wäre von der Situation möglicherweise nicht überrascht worden", sagte der Gutachter.

Die Jugendgerichtshelferin bescheinigte dem Angeklagten, dass er sich um Wiedergutmachung bemühe, soweit das angesichts seines eigenen gesundheitlichen Zustands möglich sei. So habe er mit allen Beteiligten Kontakt aufgenommen, auch versucht, mit den Eltern seines verstorbenen Freundes zu reden. Sie schlug vor, eine symbolische Geldauflage zu verhängen, denn er brauche "die Möglichkeit, sich zu entschulden". Dem schloss sich die Staatsanwältin an, der Verteidiger plädierte auch angesichts der Folgen für seinen Mandanten auf Freispruch. Richterin Nolte verpflichtete den Angeklagten, seine Therapien nachweislich fortzusetzen und bürdete die Verfahrenskosten der Staatskasse auf.

© SZ vom 13.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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