Asylbewerber:Zur Untätigkeit verdammt

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Flüchtlingen aus bestimmten Ländern verbietet der Freistaat zu arbeiten. Landrat Stefan Löwl will das konsequent befolgen. Der Asylhelferkreis protestiert: So seien seine Bemühungen "für die Katz'".

Von Benjamin Emonts, Dachau

Abdou Lahat Seck, 25, war lange Zeit schwer zu vermitteln. Als der Flüchtling im Juli 2013 in die Asylbewerberunterkunft in Hebertshausen kam, konnte er weder schreiben noch lesen - "er war schwer beschulbar", wie Peter Barth vom örtlichen Asylhelferkreis sagt. Trotzdem kümmerten sich ehrenamtliche Lehrer um den jungen Senegalesen und erteilten ihm über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren Hunderte von Deutschstunden. Peter Barth unternahm etliche Versuche, für den Flüchtling eine Anstellung zu finden - vergeblich. Am 16. April diesen Jahres dann die erlösende Nachricht: Eine Schneiderin wollte Abdou auf 450-Euro-Basis in ihrem Geschäft anstellen. Den erforderlichen Antrag auf Arbeitserlaubnis reichte Peter Barth wenige Tage später bei der Ausländerbehörde im Landratsamt ein. Diese allerdings lehnte den Antrag zu seinem Entsetzen ab - und verwies auf eine Anweisung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann.

Das Schreiben des Staatsministeriums vom 31. März 2015 liegt der Dachauer SZ vor. Demnach sind Flüchtlingen, deren Asylantrag abgelehnt wurde oder die aus einem als sicher eingestuften Herkunftsland stammen, "ab sofort grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse mehr zu erteilen oder zu verlängern". Das gilt auch für Personen, die im Freistaat bereits eine Beschäftigungserlaubnis bekommen hatten und längst ihr eigenes Geld verdienten. Ausnahmen seien nur dann zuzulassen, wenn "der Ausländer (. . .) eine Berufsausbildung begonnen" habe. Die bayerische Staatsregierung will mit dem Erlass dem Flüchtlingsansturm aus den Balkanstaaten entgegenwirken. Doch zu den als sicher eingestuften Herkunftsländern zählen auch die afrikanischen Staaten Ghana und Senegal.

Im Landkreis Dachau leben derzeit 55 Asylbewerber aus dem Senegal, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind. Hinzu kommt ein Flüchtling aus Ghana. Sie sind die Leidtragenden des Beschäftigungsverbots, denn für sie alle zieht es verheerende Folgen nach sich: Bestehende Arbeitsgenehmigungen (in der Regel maximal ein Jahr) bleiben bis zu deren Ablauf zwar unangetastet, werden aber definitiv nicht verlängert. Ausbildungsplätze, die den Flüchtlingen bereits versprochen sind, dürfen sie nun nicht mehr annehmen. Und Asylbewerber, welche die Berufsschulen besuchen, können lediglich das laufende Schuljahr beenden. Glücklich schätzen können sich einzig die Asylbewerber, welche bereits eine Ausbildung begonnen haben. "Hier besteht in der Einzelfallprüfung ein Ermessen, welches von uns wohlwollend ausgelegt wird", erläutert der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU).

Er stellt aber auch klar, dass die Ausländerbehörde im Landratsamt das Beschäftigungsverbot konsequent befolgen wird. Schließlich handele es sich bei der Anweisung um den "staatlichen, also weisungsgebundenen Aufgabenbereich des Landratsamts" - die eigenen Ermessensspielräume seien dementsprechend "äußerst begrenzt". Im Einzelfall, so Löwl, könne zwar über das "Wie" und über das "Wann" entschieden werden, nicht jedoch über das grundsätzliche "Ob". Für verwerflich hält Löwl das Beschäftigungsverbot indes nicht, im Gegenteil: "Es ist ein weiterer Versuch, Menschen aus Ländern, welche so gut wie keine Chance auf Anerkennung als Asylsuchende in Deutschland und Europa haben, von einer nicht selten lebensgefährlichen Reise abzuhalten."

Der Dachauer Landtagsabgeordnete Martin Güll (SPD) wusste über den bayerischen Alleingang nicht einmal Bescheid, bis ihn ein Vertreter des Markt Indersdorfer Helferkreises darüber informierte. Er war empört - und brachte das Thema umgehend in seiner Fraktion auf den Tisch. Inzwischen, das teilte Güll am Dienstag mit, prüfe das Ministerium für Arbeit und Soziales in Berlin, ob Bayern überhaupt berechtigt ist, in dieser Form in das Asylrecht einzugreifen.

Bei den Helferkreisen im Landkreis ruft Innenminister Herrmanns Anweisung laute Proteste hervor. Peter Barth sagt stellvertretend für alle Helferkreise: "Wir pushen und schulen diese Jungs seit mittlerweile zwei Jahren - doch jetzt soll das alles für die Katz' sein. Die Anweisung des Staatsministers konterkariert unsere jahrelange Arbeit." Wie viele andere Helfer im Landkreis setzt sich der 77-Jährige quasi in Vollzeit für die Asylbewerber ein: Er organisiert Sprachkurse, erledigt Behördengänge und schreibt unzählige Bewerbungen. Nun aber muss er den senegalesischen Flüchtlingen sagen, dass all der Aufwand vergebens war. "Den lernwilligen jungen Männern wird damit jede Perspektive genommen. Dabei möchte man doch eigentlich meinen, dass der Staat davon profitiert, wenn die Flüchtlinge arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen." Schließlich stellt Barth sich die Frage: "Wenn wir diesen Menschen ohnehin keine Perspektive bieten, warum behalten wir sie dann jahrelang hier?"

Der Senegalese Abdou Lahat Seck denkt immer noch, dass er die lang ersehnte Anstellung in der Schneiderei bald antreten wird. Peter Barth, der ihm die Hiobsbotschaft überbringen muss, sagt: "Ich habe es bisher nicht über das Herz gebracht, ihm die Wahrheit zu sagen."

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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