Bürgerbegehren:In München beginnt der Kampf um bessere Luft

Feinstaub-Alarm

Umweltorganisationen wollen die Stadt dazu zwingen, die Schadstoff-Grenzwerte der EU einzuhalten.

(Foto: Franziska Kraufmann/dpa)
  • Die Stadt schafft es noch immer nicht, die Schadstoff-Grenzwerte der EU einzuhalten.
  • Nun sollen die Münchner selbst Druck machen.
  • Von diesem Mittwoch an sammeln Umweltorganisationen Unterschriften für einen Bürgerbegehren.

Von Dominik Hutter

Das Bündnis für saubere Luft in München sammelt von diesem Mittwoch an Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Etwa 20 Organisationen und Parteien - darunter Green-City als Initiator, die Grünen, die ÖDP und der Bund Naturschutz - wollen die Stadt zwingen, mehr gegen Abgase von Autos und Lastwagen zu tun. Etwa 34 000 Unterschriften muss das Bündnis einreichen, um einen Entscheid herbeizuführen. Erklärt der Stadtrat die Fragestellung für rechtlich korrekt, dürfen die Münchner innerhalb der folgenden drei Monaten abstimmen.

Worüber sollen die Münchner abstimmen?

Die Fragestellung des Bürgerbegehrens liest sich ein wenig sperrig: Die Stadt soll die ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen, um 80 Prozent des Verkehrs auf Münchner Straßen bis 2025 durch abgasfreie Kfz und den Umweltverbund abzuwickeln.

Was bedeutet das konkret?

Bislang wird der Münchner Verkehr zu knapp 40 Prozent mit Autos und Lastwagen bestritten, die ganz überwiegend einen Verbrennungsmotor und deshalb entsprechende Emissionen haben. Die übrigen 60 Prozent entfallen auf den sogenannten Umweltverbund, also Fußgänger, Radfahrer und die Fahrgäste von MVG und MVV. Um das Ziel des Bürgerbegehrens zu erreichen, muss also der Verkehr mit Benzin- und Dieselautos halbiert werden.

Entweder, indem diese Autofahrer auf den Umweltverbund umsteigen. Oder aber, indem sie sich ein abgasfreies Fahrzeug kaufen: ein Elektro- oder Wasserstoffauto. Streng genommen sind zwar auch diese Vehikel nicht komplett emissionsfrei, der Strom für den Antrieb oder für die Herstellung des Wasserstoffs stammt oft aus konventionellen Kraftwerken. Lokal betrachtet aber entstehen keine Abgase, die Münchner Straßen bleiben verschont. Das reicht, um die Grenzwerte der EU einzuhalten.

Wie kann man dieses Ziel erreichen?

Prinzipiell gibt es zwei Herangehensweisen: den Autoverkehr zurückdrängen oder seine Alternativen fördern. Um weniger Autos auf den Straßen zu haben, kann die Stadt theoretisch durch Schikanen das Fahren unattraktiver machen - dies ist allerdings aus rechtlichen Gründen nur in einem begrenzten Umfang möglich. Die Umweltinitiativen setzen eher auf das Angebotsprinzip: Durch attraktive Rad- und Fußwege sowie ein verbessertes Bus- und Bahnsystem sollen Autofahrer aus freiem Willen auf ökologischere Alternativen umsteigen.

Allerdings dürfte das Ziel letztlich nur durch einen Mix beider Varianten zu erreichen sein. Denn mehr Rad- und Fußwege sowie neue Bus- und Tramtrassen gehen in einer dicht bebauten Stadt wie München automatisch zu Lasten von Auto-Fahrspuren. Ohnehin ist die Aufteilung des Verkehrsraums das derzeit heißeste Thema in der Münchner Verkehrspolitik.

Das sind die Pläne der Stadt

Was ist mit der City-Maut oder einer neuen Abgasplakette?

Über eine City-Maut wird zwar gerne diskutiert - es gibt aber keinerlei Rechtsgrundlage, für das Befahren kommunaler Straßen Geld zu kassieren. Die Stadt kann darüber nicht eigenmächtig entscheiden, zuständig ist der Bund. Ebenfalls in Berlin müsste die Einführung eines neuen Wapperls, der blauen Plakette, beschlossen werden. Entsprechende Pläne liegen aber seit einigen Monaten auf Eis.

Mit der blauen Plakette könnte das vorhandene Vignettensystem der bislang nur auf Feinstaub zugeschnittenen Umweltzone ergänzt werden: durch verschärfte Anforderungen, die auch den Ausstoß von Stickoxid berücksichtigen. Radikale Fahrverbote, etwa für Dieselfahrzeuge, lässt die Straßenverkehrsordnung nicht zu, ebenso wenig wie Sperrungen oder die Ächtung von Autos, in denen nur eine Person sitzt. Für viele restriktive Maßnahmen im Straßenverkehr muss eine Gefahrenlage vorliegen. Schlechte Luft allein reicht nicht aus.

Hat nicht ohnehin schon ein Gericht geurteilt, dass die Stadt für saubere Luft zu sorgen hat?

Das von der Deutschen Umwelthilfe eingeschaltete Verwaltungsgericht München hat die Stadt und den Freistaat schon 2012 dazu verpflichtet, "einschneidendere Maßnahmen" zu ergreifen, um die Schadstoff-Grenzwerte der EU einzuhalten. Gelungen ist dies bislang nicht, die Stickoxid-Belastung liegt weiterhin deutlich über dem Limit. Im vergangenen Sommer setzte dann das erneut von der Umwelthilfe angerufene Gericht ein Ultimatum: Bis Juni 2017 muss endlich etwas geschehen. Im Rathaus herrscht seitdem eine gewisse Ratlosigkeit - das Stickoxid stammt ganz überwiegend vom Autoverkehr, auf technologische Neuerungen wie bessere Umweltstandards aber kann die Stadt kaum Einfluss nehmen.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens rollen das Feld nun sozusagen von der anderen Seite auf: Während das Gericht dazu drängt, die Schadstoffwerte einzuhalten, plädieren die Umweltschützer für einen umweltfreundlicheren Verkehrsmix. Der Effekt ist derselbe, allerdings kann das Bürgerbegehren mit einer positiven Botschaft für sich werben. Kampagnen-Chef Andreas Schuster geht davon aus, dass die restriktiven Ansätze ohnehin von anderer Seite kommen: den Gerichten und der EU.

Was plant die Stadt schon jetzt?

In Zusammenarbeit mit dem Freistaat wird der Münchner Luftreinhalteplan immer wieder fortgeschrieben. Darin stehen etwa die Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings, in die nur noch Autos mit grüner Plakette einfahren dürfen, oder das Lkw-Transitverbot. Umweltreferentin Stephanie Jacobs hat in der vergangenen Woche dem Stadtrat ein Bündel an neuen Initiativen vorgelegt - die Debatte wurde aber auf Dezember vertagt. Jacobs will mit mehr als elf Millionen Euro die Elektromobilität fördern. Da der Kauf von E-Mobilen schon durch ein Bundesprogramm gefördert wird, will das Umweltreferat das Geld für leistungsfähige Ladesäulen verwenden.

Zudem sollen Taxifahrer zum Umstieg auf Elektroautos bewegt werden. Auch die Stadt will mit gutem Beispiel vorangehen. Dieselautos sollen möglichst bis 2020 aus dem Fuhrpark verschwinden. Die neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge sollen entweder mit Strom, mit Benzin oder als Hybrid unterwegs sein. Nur wenn es keine geeigneten Fahrzeuge auf dem Markt gibt, sind ausnahmsweise Dieselmotoren zulässig - dann aber mit der Abgasnorm Euro 6. Auch die MVG soll umstellen: Bis 2020 sollen nur noch Elektro- oder Dieselbusse mit Euro 6 herumfahren, danach darf das Unternehmen gar keine Dieselmotoren mehr neu anschaffen.

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