Brunnen in München:Quell von Geschichten und Skandalen

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Etwa 700 öffentliche Brunnen gibt es in München - manch einer verlockte schon zum Nacktbaden, einer galt zunächst als anstößig und unzüchtig, andere haben lange Reisen hinter sich.

Von Thomas Anlauf

Die berühmteste Brunnenszene der Filmgeschichte spielt ja leider in Rom und nicht in München, was aber einzig der grazilen Erscheinung von Anita Ekberg und nicht unbedingt der Fontana di Trevi geschuldet ist. Denn München kann mindestens ebenso prächtige Brunnen vorweisen wie Rom, und was Dolce Vita ist, weiß man an der Isar genauso. Das süße Leben in München orientiert sich alljährlich auch an jenem Tag im Jahr, an dem der erste Brunnen von seinem hölzernen Winterkleid befreit wird. Spätestens Anfang April wird es so weit sein, dann beginnen wieder Münchens Wasserspiele in, an und um die etwa 700 öffentlichen Brunnen in der Stadt.

Die Anekdote, die sich einst an oder besser in einem der beiden römischen Brunnen vor den Hauptgebäuden der Ludwig-Maximilians-Universität abspielte, muss zumindest filmreif gewesen sein. "Der Monumentalbrunnen vor der Universität war in sommerlichen Nächten meine Badewanne", schreibt der Protagonist. Er zog sich dann "in der Schattendeckung der Universitätsfontäne aus und plumpste ins Bassin, pritschelte und plätscherte, gurgelte und spritzte, spielte Wassermann, machte die späten Wanderer lachen und jagte einsam heimzappelnden Frauenzimmerchen einen panischen Schrecken ein".

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In anderen Metropolen finden durstige Touristen eine Vielzahl von Wasserspendern am Straßenrand. Ob das hier auch mal so sein wird, muss erst zwei Jahre getestet werden.

Von Thomas Anlauf

Eines Tages erwischte den nächtlichen Nacktbader jedoch ein Polizist, der ihn anherrschte: "Sö! Genga's aussi da!" Der Missetäter begann jedoch stattdessen ein mehr oder minder diplomatisches Gespräch mit dem Gendarm und erreichte schließlich, dass sich dieser zum Anziehen so weit vom Brunnen entfernte, dass sich der Delinquent nicht genieren musste. Daraufhin sprang der junge Mann aus dem Brunnen, raffte seine Kleider zusammen und rannte nackt vor dem hereingelegten Polizisten davon in Richtung Siegestor. So schreibt der Heimatschriftsteller Ludwig Ganghofer über sich in seinem "Lebenslauf eines Optimisten".

Zugegeben, nicht nur die Brunnen an der Ludwigstraße, die von Friedrich von Gärtner nach ihren Vorbildern auf dem Petersplatz in Rom geschaffen wurden und erstmals am 1. Mai 1844 sprudelten, reizen gerade an warmen Tagen dazu hineinzuspringen. So schwamm am 26. August 2011 ein 42-jähriger Mann aus dem Landkreis München splitternackt im Fischbrunnen am Marienplatz, um danach ebenso entblößt am Brunnenrand genüsslich ein Bier zu trinken. Auch hier schritt die Polizei ein wegen seiner "grob anstößigen und belästigenden Handlung". Dabei war sein Tun womöglich pure Not: Mit 36 Grad war es der bis dahin heißeste 26. August der Klimageschichte in München.

Aber der Fischbrunnen ist nun einmal auch ein besonderes Bassin in der Münchner Stadtgeschichte. Just an der Stelle, wo sich heute der 1954 von Josef Henselmann errichtete Brunnen befindet, wurde im Jahr 1343 der vermutlich älteste Münchner Wasserspender erstmals erwähnt. Drei der ehemals vier von Ferdinand von Miller gegossenen Metzgerburschen sind auf dem heutigen Brunnen noch erhalten und spielen auf den etwa 450 Jahre alten Brauch des Metzgersprungs an: Alle drei Jahre feiern die Münchner Gesellen den Abschluss ihrer Lehrzeit mit einem Bad im Fischbrunnen - allerdings züchtig bekleidet und behängt mit Kälberschwänzen.

Selbst Prinzregent Luitpold protestierte gegen den nackten Buben

Unzüchtig und anstößig fanden viele Münchner dagegen die Skulptur eines Knaben, die 1895 auf dem Stachus neben dem Trambahnhäuschen aufgestellt wurde und den Zorn der Sittsamen auf sich zog. Der junge Künstler Mathias Gasteiger hatte seine Abschlussarbeit an der Akademie der Bildenden Künste mit seinem Entwurf "Satyrherme mit Knabe" beendet. Das Brunnenbuberl, wie die Figur seither genannt wird, wurde zunächst im Münchner Glaspalast im Alten Botanischen Garten ausgestellt, bevor es an den Stachus kam.

Dort mieden gschamige Damen den Weg vorbei am nackten Buben, der vom Satyr mit einer Fontäne bespritzt wird. Es gab Forderungen, dem Knaben ein Feigenblatt anzulegen oder ihn in ein Mädchen umzufunktionieren. Selbst Prinzregent Luitpold soll protestiert haben, vergeblich. Längst ist das Brunnenbuberl eine Touristenattraktion.

Dass Brunnen wie das Buberl nicht für die Ewigkeit an einem Ort bleiben, ist gar nicht so selten. Vor dem im Jahr 1931 abgebrannten Glaspalast befand sich ein prachtvoller Zierbrunnen, der ebenso wie das Ausstellungsgebäude von August von Voit stammte. Der Brunnen aus Kelheimer Kalkstein zog vor etwa 120 Jahren an den Orleansplatz, wo er jedoch dem U-Bahnbau weichen musste und seit 1974 den Weißenburger Platz ziert.

Ein anderes Münchner Brunnenbauwerk hat eine noch größere Odyssee hinter sich: der Vater-Rhein-Brunnen. Er wurde von Bildhauer Adolf von Hildebrand geschaffen, der auch Schöpfer des Wittelsbacher Brunnens ist. Die steinerne Hommage an den Flussgott Rhein war ein Werk für die Stadt Straßburg, stand dort allerdings nicht einmal zwei Jahrzehnte auf dem Broglieplatz. Nach dem Einmarsch der französischen Armee in Straßburg wurde er 1919 abgebaut. Im Austausch mit einer anderen Brunnenfigur sowie 54 000 Reichsmark kamen Teile des Brunnens nach München, die Figurengruppen wurden rekonstruiert und 1932 auf der nördlichen Museumsinsel wieder eingeweiht.

Der reisende Brunnen war übrigens nicht der einzige, den Hildebrand in München schuf. Der Hubertusbrunnen am Ostende des Nymphenburger Kanals stand ursprünglich vor dem Bayerischen Nationalmuseum. Hildebrands Meisterstück ist aber sicherlich der Wittelsbacher Brunnen am Lenbachplatz. Die 25 Meter breite und vier Meter hohe Anlage ist eine Allegorie auf die Zerstörungskraft der Gebirgsbäche (und auch der Isar) und gleichzeitig ein Symbol für das segenbringende Wasser, wenn es nur gebändigt ist.

Das hat seinen Grund: Mit seiner Eröffnung im Jahr 1895 wurde an die kurz zuvor fertiggestellte Münchner Wasserversorgung aus dem Mangfalltal erinnert. Bis zur Renovierung im Jahr 1998 wurde der Wittelsbacher Brunnen tatsächlich mit Frischwasser gespeist: 3,6 Millionen Liter flossen damals jährlich durch die Rohre, heute sind es dank der Umstellung auf Umwälzbetrieb nur noch ein Sechstel davon. Der Wittelsbacher Brunnen ist übrigens traditionell der erste städtische Brunnen, der nach der sechsmonatigen Winterpause wieder sprudelt. Dann beginnt in München wirklich der Frühling. Endlich.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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