Außergewöhnliche Drogenkurierin:Schwanger und Heroin im Darm

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Für wenige hundert Euro hat eine 19-jährige Drogenkurierin ihr Leben riskiert. Nun packt sie vor dem Landgericht über mutmaßlich Hintermänner aus.

A. Krug

Was spielt sich im Kopf einer schwangeren 19-Jährigen ab, die sich als Drogenkurierin anwerben lässt und rund ein Dutzend Heroinplomben im Darm transportiert? Evelyn P. sitzt auf der Anklagebank im Landgericht und es scheint, als wird ihr erst jetzt klar, in welcher Gefahr sie und ihr werdendes Kind schwebten.

"Ich hab' mir damals keine Gedanken darüber gemacht", sagt sie freimütig. "Ich hab' nur an das Geld gedacht." Evelyn P. stammt aus Nigeria und lebte zuletzt in Italien als "Sprachschülerin". Von dort flog sie im Mai vorigen Jahres nach Amsterdam, um sich mit Leuten zu treffen, die ihr ein für sie verlockendes "Geschäft" angeboten hatten.

Eine Plastiktüte Heroinplomben sollten in den Darm

500 Euro sollte sie dafür erhalten, im Zug nach München "etwas mitzunehmen". Worum es sich dabei konkret handelt, wurde ihr nicht mitgeteilt. "Darum hab' ich mich auch nicht gekümmert", behauptet sie. Sie habe sich in Amsterdam mit zwei Männern getroffen und sei schließlich mit dem Auto nach Duisburg gebracht worden.

Dort bestieg sie gemeinsam mit einem der Männer den ICE nach München. Der Mann, der ihr als "Christopher" vorgestellt wurde, übergab ihr eine Plastiktüte voll mit Heroinplomben und forderte sie auf, sich die zwei Finger dicken Tütchen auf der Toilette einzuführen.

Evelyn P. tat, was man von ihr verlangte, schaffte allerdings nur rund ein Dutzend der 48 Päckchen mit insgesamt 102 Gramm Heroingemisch. "Ich sagte zu ihm, mehr geht nicht." Dass sie in der 10. Woche schwanger war, davon erzählte sie "Christopher" nichts.

In München wartete schon die Polizei

Ihrer Version zufolge war ausgemacht, dass sie in München aussteigen und ihm unauffällig folgen solle. "Dann sollte ich mein Geld kriegen", erzählt sie. In München allerdings wartete schon die Polizei, die beide festnahm. Erst hier erfuhr sie den richtigen Namen von "Christopher": Kiova N. stammt aus Angola und lebt in Rosenheim.

Er saß allerdings nur vier Monate in Untersuchungshaft, dann wurde der Haftbefehl aufgehoben. Während er nun auf freiem Fuß lebt, sitzt Evelyn P. mitsamt ihrem Anfang Januar geborenen Baby in einem Frauengefängnis. Und das macht sie wütend. "Der hat mich und meinen Sohn ins Gefängnis gebracht", schimpft sie in Richtung des Mitangeklagten.

Richter steht vor keiner leichten Aufgabe

Kiova N. verzieht keine Miene. Der Richter hakt noch einmal nach. "Ihre Aussage ist entscheidend", ermahnt er sie. Die Richter stehen vor keiner leichten Aufgabe. War Evelyn P. damals tatsächlich so naiv und ließ sich für wenige hundert Euro auf ein Drogengeschäft ein, das sie das Leben hätte kosten können, wenn die Plomben im Darm geplatzt wären?

Waren die Hintermänner besonders kaltblütige Heroindealer, die einen möglichen Tod bewusst einkalkuliert hatten? Es gibt Ungereimtheiten und Widersprüche in der Aussage von Evelyn P., doch in einem Punkt ist sie sich ganz sicher. "Den erkenne ich im Traum wieder", beteuert die 19-Jährige und weist in Richtung von Kiova N. Der Prozess ist vorläufig auf drei Tage terminiert.

© SZ vom 23.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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